untere enge Ende des Trichters noch gerade einen Zipfel scharf abschnürt, vgl. das Titelbild und Tafel 27. Auch hier verschwindet meist der Rest des Penis im Scrotum, aber der Vorteil des starren Stulps vor dem Faden ist der, dass er weniger scharf einschneidet. Der Stulp ist eine Verbesserung und eine Ver- schönerung im Vergleich zum Faden. Ich nehme an, man hat zunächst die Hüft- schnur getragen und davon haben die Einen Stücke zum Abbinden benutzt, während die Andern sich begnügten, die Haut einzuklemmen. Bei jenen ist man zum Teil zu dem milderen und koketteren Stulp fortgeschritten, behielt aber die alte, immer noch nützliche oder zum Schmuck dienliche Hüftschnur bei, wie die Bororo sie neben dem Stulp tragen, während die stulptragenden Yuruna sie zum breiten Perlgürtel entwickelt haben. Waehneldt berichtet in der That (1863) von den im Quellgebiet des Paraguay wohnenden Bororo, dass sie nicht den Stulp, sondern den Faden tragen: "Die Männer binden nur die Glans mittels eines feinen Bastfadens um den Bauch, damit sie sich von Insekten frei halten und beim Laufen nicht belästigt werden".
Alle Methoden erreichen auf leicht variierte Art dasselbe, die Bedeckung der Glans, sei es, dass das Praeputium nur verlängert, sei es, dass es ausserdem noch zusammengeschnürt und auch noch besonders durch Palmstroh umschlossen wird.
Von den Frauen habe ich erwähnt, dass alle das Schamhaar entfernen.
Die Suyafrauen, die sich mit Halsketten schmückten und in den durch- bohrten Ohrläppchen dicke bandmassartig aufgerollte Palmblattstreifen trugen, gingen durchaus nackt.
Die Trumaifrauen trugen eine Binde aus weichem, grauweisslichem Bast; sie war zu einem Strick gedreht, sodass eine Verhüllung nur in den aller be- scheidensten Grenzen vorhanden war und sicherlich nicht beabsichtigt sein konnte, da man den Streifen nur hätte breiter zu nehmen brauchen. Sie rollten einen langen, schmal zusammengefalteten Baststreifen an einem Ende ein wenig auf, hielten dieses Röllchen mit der einen Hand gegen den untern Winkel des Schambergs angedrückt, drehten mit der andern Hand den freien Streifen einige Male um sich selbst und führten ihn zwischen den Beinen nach hinten hinauf, kamen wieder nach vorn zu dem Röllchen, drückten es mit dem quer darüberweg gespannten Streifen an und wandten sich über die andere Hüfte zum Kreuz zurück, wo sie das freie Ende einschlangen und festbanden.
Die Bororofrauen hatten ebenfalls die weiche graue Bastbinde, die sie während der Menses durch eine schwarze ersetzten, nur befestigten sie die Binde an einer Hüftschnur. Dort in einer Breite von 3--4 Fingern, vorn eingeschlungen, lief sie schmäler werdend über die Schamspalte und den Damm zum Kreuz und wurde wieder an die Hüftschnur gebunden. Statt der Hüftschnur wurde auch ein breites, fest schliessendes Stück Rinde um den Leib getragen. Vgl. die Abbildung Bororo, Mutter und Tochter.
Die Frauen der Karaiben, der Nu-Aruak- und Tupistämme des Schingu- Quellgebiets trugen sämtlich das dreieckige Stückchen starren Rindenbastes, das
v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 13
untere enge Ende des Trichters noch gerade einen Zipfel scharf abschnürt, vgl. das Titelbild und Tafel 27. Auch hier verschwindet meist der Rest des Penis im Scrotum, aber der Vorteil des starren Stulps vor dem Faden ist der, dass er weniger scharf einschneidet. Der Stulp ist eine Verbesserung und eine Ver- schönerung im Vergleich zum Faden. Ich nehme an, man hat zunächst die Hüft- schnur getragen und davon haben die Einen Stücke zum Abbinden benutzt, während die Andern sich begnügten, die Haut einzuklemmen. Bei jenen ist man zum Teil zu dem milderen und koketteren Stulp fortgeschritten, behielt aber die alte, immer noch nützliche oder zum Schmuck dienliche Hüftschnur bei, wie die Bororó sie neben dem Stulp tragen, während die stulptragenden Yuruna sie zum breiten Perlgürtel entwickelt haben. Waehneldt berichtet in der That (1863) von den im Quellgebiet des Paraguay wohnenden Bororó, dass sie nicht den Stulp, sondern den Faden tragen: »Die Männer binden nur die Glans mittels eines feinen Bastfadens um den Bauch, damit sie sich von Insekten frei halten und beim Laufen nicht belästigt werden«.
Alle Methoden erreichen auf leicht variierte Art dasselbe, die Bedeckung der Glans, sei es, dass das Praeputium nur verlängert, sei es, dass es ausserdem noch zusammengeschnürt und auch noch besonders durch Palmstroh umschlossen wird.
Von den Frauen habe ich erwähnt, dass alle das Schamhaar entfernen.
Die Suyáfrauen, die sich mit Halsketten schmückten und in den durch- bohrten Ohrläppchen dicke bandmassartig aufgerollte Palmblattstreifen trugen, gingen durchaus nackt.
Die Trumaífrauen trugen eine Binde aus weichem, grauweisslichem Bast; sie war zu einem Strick gedreht, sodass eine Verhüllung nur in den aller be- scheidensten Grenzen vorhanden war und sicherlich nicht beabsichtigt sein konnte, da man den Streifen nur hätte breiter zu nehmen brauchen. Sie rollten einen langen, schmal zusammengefalteten Baststreifen an einem Ende ein wenig auf, hielten dieses Röllchen mit der einen Hand gegen den untern Winkel des Schambergs angedrückt, drehten mit der andern Hand den freien Streifen einige Male um sich selbst und führten ihn zwischen den Beinen nach hinten hinauf, kamen wieder nach vorn zu dem Röllchen, drückten es mit dem quer darüberweg gespannten Streifen an und wandten sich über die andere Hüfte zum Kreuz zurück, wo sie das freie Ende einschlangen und festbanden.
Die Bororófrauen hatten ebenfalls die weiche graue Bastbinde, die sie während der Menses durch eine schwarze ersetzten, nur befestigten sie die Binde an einer Hüftschnur. Dort in einer Breite von 3—4 Fingern, vorn eingeschlungen, lief sie schmäler werdend über die Schamspalte und den Damm zum Kreuz und wurde wieder an die Hüftschnur gebunden. Statt der Hüftschnur wurde auch ein breites, fest schliessendes Stück Rinde um den Leib getragen. Vgl. die Abbildung Bororó, Mutter und Tochter.
Die Frauen der Karaiben, der Nu-Aruak- und Tupístämme des Schingú- Quellgebiets trugen sämtlich das dreieckige Stückchen starren Rindenbastes, das
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untere enge Ende des Trichters noch gerade einen Zipfel scharf abschnürt, vgl.
das Titelbild und Tafel 27. Auch hier verschwindet meist der Rest des Penis im
Scrotum, aber der Vorteil des starren Stulps vor dem Faden ist der, dass er
weniger scharf einschneidet. Der Stulp ist eine Verbesserung und eine Ver-
schönerung im Vergleich zum Faden. Ich nehme an, man hat zunächst die Hüft-
schnur getragen und davon haben die Einen Stücke zum Abbinden benutzt,
während die Andern sich begnügten, die Haut einzuklemmen. Bei jenen ist man
zum Teil zu dem milderen und koketteren Stulp fortgeschritten, behielt aber die
alte, immer noch nützliche oder zum Schmuck dienliche Hüftschnur bei, wie die
Bororó sie neben dem Stulp tragen, während die stulptragenden Yuruna sie zum
breiten Perlgürtel entwickelt haben. Waehneldt berichtet in der That (1863)
von den im Quellgebiet des Paraguay wohnenden Bororó, dass sie nicht den Stulp,
sondern den Faden tragen: »Die Männer binden nur die Glans mittels eines
feinen Bastfadens um den Bauch, damit sie sich von Insekten frei halten und
beim Laufen nicht belästigt werden«.
Alle Methoden erreichen auf leicht variierte Art dasselbe, die Bedeckung der
Glans, sei es, dass das Praeputium nur verlängert, sei es, dass es ausserdem noch
zusammengeschnürt und auch noch besonders durch Palmstroh umschlossen wird.
Von den Frauen habe ich erwähnt, dass alle das Schamhaar entfernen.
Die Suyáfrauen, die sich mit Halsketten schmückten und in den durch-
bohrten Ohrläppchen dicke bandmassartig aufgerollte Palmblattstreifen trugen,
gingen durchaus nackt.
Die Trumaífrauen trugen eine Binde aus weichem, grauweisslichem Bast; sie
war zu einem Strick gedreht, sodass eine Verhüllung nur in den aller be-
scheidensten Grenzen vorhanden war und sicherlich nicht beabsichtigt sein
konnte, da man den Streifen nur hätte breiter zu nehmen brauchen.
Sie rollten einen langen, schmal zusammengefalteten Baststreifen an einem Ende
ein wenig auf, hielten dieses Röllchen mit der einen Hand gegen den untern
Winkel des Schambergs angedrückt, drehten mit der andern Hand den freien
Streifen einige Male um sich selbst und führten ihn zwischen den Beinen nach
hinten hinauf, kamen wieder nach vorn zu dem Röllchen, drückten es mit dem
quer darüberweg gespannten Streifen an und wandten sich über die andere Hüfte
zum Kreuz zurück, wo sie das freie Ende einschlangen und festbanden.
Die Bororófrauen hatten ebenfalls die weiche graue Bastbinde, die sie während
der Menses durch eine schwarze ersetzten, nur befestigten sie die Binde an einer
Hüftschnur. Dort in einer Breite von 3—4 Fingern, vorn eingeschlungen, lief sie
schmäler werdend über die Schamspalte und den Damm zum Kreuz und wurde
wieder an die Hüftschnur gebunden. Statt der Hüftschnur wurde auch ein breites,
fest schliessendes Stück Rinde um den Leib getragen. Vgl. die Abbildung
Bororó, Mutter und Tochter.
Die Frauen der Karaiben, der Nu-Aruak- und Tupístämme des Schingú-
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v. d. Steinen, Zentral-Brasilien. 13
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/237>, abgerufen am 21.11.2024.
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