wollquerfäden bis 1--2 oder gar 1/2 cm. Endlich aber waren die Baumwollfäden so eng zusammengedrückt, dass man die Palmfaser nicht mehr sah und ein festes Tuch, fast so dicht wie Segelleinen gearbeitet, entstand. Hier war der etwa 1,5 mm breite Palmfaser-Längsfaden von zwei Paar Baumwoll-Querfäden um- schlungen, die sich zwischen ihm und dem nächsten Längsfaden nicht einfach, sondern doppelt durchkreuzten. Die Längsseiten der Hängematte waren natur- gemäss dicht mit Knoten besetzt; an den vier Enden liess man die Stränge ein Stück herabhängen und in Quasten endigen. Mehrfach waren auch in Ab- ständen von etwa 40 cm blauschwarze Querstreifen durch Verwendung gefärbter Baumwolle erzielt worden. Uebrigens waren alle Hängematten braun; die Baum- wollhängematte wie die von Palmfaser, die schon in der Naturfarbe lichtbraun war, färbten sich schmutzig braun an dem mit Urukurot geölten Körper.
Die Hängematten aus reiner Baumwolle waren eine Spezialität der Bakairi; auch bei ihnen fanden sich am Kulisehu schon Buriti-Hängematten. Das festeste Tuch arbeiteten die Auetö. Eigentümlich waren Hängematten für kleine Kinder bei den Nahuqua: nur ein oben und unten zusammengebundenes und aufge- hängtes Halmbündel.
So waren die verschiedensten Formen gegeben und in der Ausgleichung begriffen. Die Suya schliefen noch nach der alten Sitte der Ges auf grossen Palmstrohmatten; sie waren, als wir sie besuchten, gerade im Begriff, die Hänge- matte bei sich einzuführen, hatten davon ein paar Exemplare und webten auch schon selbst. Vielleicht rührte die Kunst von Trumaifrauen her, die sie bei sich hatten. Ich habe schon nach der Reise von 1884 auf den Parallelismus zwischen dem Schingugebiet und den Guyanas aufmerksam gemacht, dass dort wie hier die Baumwollhängematte bei den Karaiben, die Palmfaser-Hängematte bei den Nu-Aruak heimisch zu sein scheint, dass dieser ethnographischen Uebereinstimmung ferner die linguistische genau entspricht. Die Technik geht in beiden Fällen aus dem Flechten hervor, nur das Material ist verschieden. Am weitesten zurück waren die Bakairi, die das tuchartige Gewebe nicht besassen. Auch ist es auf- fallend, dass ihre Spinnwirtel, obwohl sie ihren Zweck völlig erfüllten, kunstloser waren als bei den übrigen Stämmen.
Eine gleichgerichtete Technik zeigte sich bei einer Art Siebmatten. Die Stengel wurden mehr oder weniger dicht mit Baumwollgarn übersponnen, sodass steife und doch zugleich sehr bewegliche dichte Matten entstanden, zwischen denen die Mandioka trocken gepresst wurde. Auch sahen wir Stücke Tuch zu demselben Zweck verwendet.
Kürbisgefässe. Die Früchte der Crescentia Cuyete und die Cucurbita Lagenaria liefern die mannigfaltigsten Formen von Gefässen. Da finden sich solche von Kugelform, Gurkenform, Flaschenform, Sanduhrform, sowie manche andere unregelmässiger Art; nach ihrem Durchschneiden erhält man entsprechend gestaltete Schalen. Man schnürt die noch grünen Früchte so ein, wie man sie wünscht; namentlich ist die Sanduhrform ein Erzeugnis dieser Methode. Um sie
wollquerfäden bis 1—2 oder gar ½ cm. Endlich aber waren die Baumwollfäden so eng zusammengedrückt, dass man die Palmfaser nicht mehr sah und ein festes Tuch, fast so dicht wie Segelleinen gearbeitet, entstand. Hier war der etwa 1,5 mm breite Palmfaser-Längsfaden von zwei Paar Baumwoll-Querfäden um- schlungen, die sich zwischen ihm und dem nächsten Längsfaden nicht einfach, sondern doppelt durchkreuzten. Die Längsseiten der Hängematte waren natur- gemäss dicht mit Knoten besetzt; an den vier Enden liess man die Stränge ein Stück herabhängen und in Quasten endigen. Mehrfach waren auch in Ab- ständen von etwa 40 cm blauschwarze Querstreifen durch Verwendung gefärbter Baumwolle erzielt worden. Uebrigens waren alle Hängematten braun; die Baum- wollhängematte wie die von Palmfaser, die schon in der Naturfarbe lichtbraun war, färbten sich schmutzig braun an dem mit Urukúrot geölten Körper.
Die Hängematten aus reiner Baumwolle waren eine Spezialität der Bakaïrí; auch bei ihnen fanden sich am Kulisehu schon Burití-Hängematten. Das festeste Tuch arbeiteten die Auetö́. Eigentümlich waren Hängematten für kleine Kinder bei den Nahuquá: nur ein oben und unten zusammengebundenes und aufge- hängtes Halmbündel.
So waren die verschiedensten Formen gegeben und in der Ausgleichung begriffen. Die Suyá schliefen noch nach der alten Sitte der Gēs auf grossen Palmstrohmatten; sie waren, als wir sie besuchten, gerade im Begriff, die Hänge- matte bei sich einzuführen, hatten davon ein paar Exemplare und webten auch schon selbst. Vielleicht rührte die Kunst von Trumaífrauen her, die sie bei sich hatten. Ich habe schon nach der Reise von 1884 auf den Parallelismus zwischen dem Schingúgebiet und den Guyanas aufmerksam gemacht, dass dort wie hier die Baumwollhängematte bei den Karaiben, die Palmfaser-Hängematte bei den Nu-Aruak heimisch zu sein scheint, dass dieser ethnographischen Uebereinstimmung ferner die linguistische genau entspricht. Die Technik geht in beiden Fällen aus dem Flechten hervor, nur das Material ist verschieden. Am weitesten zurück waren die Bakaïrí, die das tuchartige Gewebe nicht besassen. Auch ist es auf- fallend, dass ihre Spinnwirtel, obwohl sie ihren Zweck völlig erfüllten, kunstloser waren als bei den übrigen Stämmen.
Eine gleichgerichtete Technik zeigte sich bei einer Art Siebmatten. Die Stengel wurden mehr oder weniger dicht mit Baumwollgarn übersponnen, sodass steife und doch zugleich sehr bewegliche dichte Matten entstanden, zwischen denen die Mandioka trocken gepresst wurde. Auch sahen wir Stücke Tuch zu demselben Zweck verwendet.
Kürbisgefässe. Die Früchte der Crescentia Cuyeté und die Cucurbita Lagenaria liefern die mannigfaltigsten Formen von Gefässen. Da finden sich solche von Kugelform, Gurkenform, Flaschenform, Sanduhrform, sowie manche andere unregelmässiger Art; nach ihrem Durchschneiden erhält man entsprechend gestaltete Schalen. Man schnürt die noch grünen Früchte so ein, wie man sie wünscht; namentlich ist die Sanduhrform ein Erzeugnis dieser Methode. Um sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0284"n="240"/>
wollquerfäden bis 1—2 oder gar ½ cm. Endlich aber waren die Baumwollfäden<lb/>
so eng zusammengedrückt, dass man die Palmfaser nicht mehr sah und ein festes<lb/>
Tuch, fast so dicht wie Segelleinen gearbeitet, entstand. Hier war der etwa<lb/>
1,5 mm breite Palmfaser-Längsfaden von zwei Paar Baumwoll-Querfäden um-<lb/>
schlungen, die sich zwischen ihm und dem nächsten Längsfaden nicht einfach,<lb/>
sondern doppelt durchkreuzten. Die Längsseiten der Hängematte waren natur-<lb/>
gemäss dicht mit Knoten besetzt; an den vier Enden liess man die Stränge ein<lb/>
Stück herabhängen und in Quasten endigen. Mehrfach waren auch in Ab-<lb/>
ständen von etwa 40 cm blauschwarze Querstreifen durch Verwendung gefärbter<lb/>
Baumwolle erzielt worden. Uebrigens waren alle Hängematten braun; die Baum-<lb/>
wollhängematte wie die von Palmfaser, die schon in der Naturfarbe lichtbraun<lb/>
war, färbten sich schmutzig braun an dem mit Urukúrot geölten Körper.</p><lb/><p>Die Hängematten aus reiner Baumwolle waren eine Spezialität der Bakaïrí;<lb/>
auch bei ihnen fanden sich am Kulisehu schon Burití-Hängematten. Das festeste<lb/>
Tuch arbeiteten die Auetö́. Eigentümlich waren Hängematten für kleine Kinder<lb/>
bei den Nahuquá: nur ein oben und unten zusammengebundenes und aufge-<lb/>
hängtes Halmbündel.</p><lb/><p>So waren die verschiedensten Formen gegeben und in der Ausgleichung<lb/>
begriffen. Die Suyá schliefen noch nach der alten Sitte der Gēs auf grossen<lb/>
Palmstrohmatten; sie waren, als wir sie besuchten, gerade im Begriff, die Hänge-<lb/>
matte bei sich einzuführen, hatten davon ein paar Exemplare und webten auch<lb/>
schon selbst. Vielleicht rührte die Kunst von Trumaífrauen her, die sie bei sich<lb/>
hatten. Ich habe schon nach der Reise von 1884 auf den Parallelismus zwischen<lb/>
dem Schingúgebiet und den Guyanas aufmerksam gemacht, dass dort wie hier<lb/>
die Baumwollhängematte bei den Karaiben, die Palmfaser-Hängematte bei den<lb/>
Nu-Aruak heimisch zu sein scheint, dass dieser ethnographischen Uebereinstimmung<lb/>
ferner die linguistische genau entspricht. Die Technik geht in beiden Fällen aus<lb/>
dem Flechten hervor, nur das Material ist verschieden. Am weitesten zurück<lb/>
waren die Bakaïrí, die das tuchartige Gewebe nicht besassen. Auch ist es auf-<lb/>
fallend, dass ihre Spinnwirtel, obwohl sie ihren Zweck völlig erfüllten, kunstloser<lb/>
waren als bei den übrigen Stämmen.</p><lb/><p>Eine gleichgerichtete Technik zeigte sich bei einer Art <hirendition="#g">Siebmatten</hi>. Die<lb/>
Stengel wurden mehr oder weniger dicht mit Baumwollgarn übersponnen, sodass<lb/>
steife und doch zugleich sehr bewegliche dichte Matten entstanden, zwischen denen<lb/>
die Mandioka trocken gepresst wurde. Auch sahen wir Stücke Tuch zu demselben<lb/>
Zweck verwendet.</p><lb/><p><hirendition="#b">Kürbisgefässe.</hi> Die Früchte der Crescentia Cuyeté und die Cucurbita<lb/>
Lagenaria liefern die mannigfaltigsten Formen von Gefässen. Da finden sich<lb/>
solche von Kugelform, Gurkenform, Flaschenform, Sanduhrform, sowie manche<lb/>
andere unregelmässiger Art; nach ihrem Durchschneiden erhält man entsprechend<lb/>
gestaltete Schalen. Man schnürt die noch grünen Früchte so ein, wie man sie<lb/>
wünscht; namentlich ist die Sanduhrform ein Erzeugnis dieser Methode. Um sie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0284]
wollquerfäden bis 1—2 oder gar ½ cm. Endlich aber waren die Baumwollfäden
so eng zusammengedrückt, dass man die Palmfaser nicht mehr sah und ein festes
Tuch, fast so dicht wie Segelleinen gearbeitet, entstand. Hier war der etwa
1,5 mm breite Palmfaser-Längsfaden von zwei Paar Baumwoll-Querfäden um-
schlungen, die sich zwischen ihm und dem nächsten Längsfaden nicht einfach,
sondern doppelt durchkreuzten. Die Längsseiten der Hängematte waren natur-
gemäss dicht mit Knoten besetzt; an den vier Enden liess man die Stränge ein
Stück herabhängen und in Quasten endigen. Mehrfach waren auch in Ab-
ständen von etwa 40 cm blauschwarze Querstreifen durch Verwendung gefärbter
Baumwolle erzielt worden. Uebrigens waren alle Hängematten braun; die Baum-
wollhängematte wie die von Palmfaser, die schon in der Naturfarbe lichtbraun
war, färbten sich schmutzig braun an dem mit Urukúrot geölten Körper.
Die Hängematten aus reiner Baumwolle waren eine Spezialität der Bakaïrí;
auch bei ihnen fanden sich am Kulisehu schon Burití-Hängematten. Das festeste
Tuch arbeiteten die Auetö́. Eigentümlich waren Hängematten für kleine Kinder
bei den Nahuquá: nur ein oben und unten zusammengebundenes und aufge-
hängtes Halmbündel.
So waren die verschiedensten Formen gegeben und in der Ausgleichung
begriffen. Die Suyá schliefen noch nach der alten Sitte der Gēs auf grossen
Palmstrohmatten; sie waren, als wir sie besuchten, gerade im Begriff, die Hänge-
matte bei sich einzuführen, hatten davon ein paar Exemplare und webten auch
schon selbst. Vielleicht rührte die Kunst von Trumaífrauen her, die sie bei sich
hatten. Ich habe schon nach der Reise von 1884 auf den Parallelismus zwischen
dem Schingúgebiet und den Guyanas aufmerksam gemacht, dass dort wie hier
die Baumwollhängematte bei den Karaiben, die Palmfaser-Hängematte bei den
Nu-Aruak heimisch zu sein scheint, dass dieser ethnographischen Uebereinstimmung
ferner die linguistische genau entspricht. Die Technik geht in beiden Fällen aus
dem Flechten hervor, nur das Material ist verschieden. Am weitesten zurück
waren die Bakaïrí, die das tuchartige Gewebe nicht besassen. Auch ist es auf-
fallend, dass ihre Spinnwirtel, obwohl sie ihren Zweck völlig erfüllten, kunstloser
waren als bei den übrigen Stämmen.
Eine gleichgerichtete Technik zeigte sich bei einer Art Siebmatten. Die
Stengel wurden mehr oder weniger dicht mit Baumwollgarn übersponnen, sodass
steife und doch zugleich sehr bewegliche dichte Matten entstanden, zwischen denen
die Mandioka trocken gepresst wurde. Auch sahen wir Stücke Tuch zu demselben
Zweck verwendet.
Kürbisgefässe. Die Früchte der Crescentia Cuyeté und die Cucurbita
Lagenaria liefern die mannigfaltigsten Formen von Gefässen. Da finden sich
solche von Kugelform, Gurkenform, Flaschenform, Sanduhrform, sowie manche
andere unregelmässiger Art; nach ihrem Durchschneiden erhält man entsprechend
gestaltete Schalen. Man schnürt die noch grünen Früchte so ein, wie man sie
wünscht; namentlich ist die Sanduhrform ein Erzeugnis dieser Methode. Um sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/284>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.