Ein ganz besonders drastisches Beispiel dieser Verhältnisse trat in einer An- gelegenheit zu Tage, die auf das Innigste mit unserer ersten Expedition verknüpft war. Unserer militärischen Eskorte waren zwei Hauptleute beigegeben gewesen, Herr Tupy und Herr Castro. Der Erstere war als der Aeltere der Kommandant, er hatte aber an der Expedition leider nur das persönliche Interesse gefunden, die ihm vom Präsidenten zur Verfügung gestellten Gelder für seine Spielschulden zu verwenden, anstatt den Proviant und den Sold der Soldaten zu bezahlen. Unterwegs entdeckten wir, dass die Lebensmittel nur bis zum Paranatinga reichten, und da auch eine Anzahl Soldaten ganz unbrauchbar war, mussten wir Herrn Tupy mit einem Teil der Leute zurücksenden, wenn wir nicht das übliche Schicksal der von Cuyaba ausgehenden Expeditionen teilen und unverrichteter Sache heimkehren wollten. So baten wir Herrn Castro das Kommando zu übernehmen, setzten die notwendige Scheidung in einer dramatisch bewegten Lagerscene energisch durch und vollendeten dann unsere Reise programmgemäss mit glücklichem Erfolg.
Herr Tupy schlug nach seiner Rückkunft in Cuyaba einen fürchterlichen Lärm, erklärte uns in den Zeitungen für Schwindler, die sich für Mitglieder der "illustrissima sociedade de geographia de Berlim" ausgäben, in Wirklichkeit aber die Martyrios, die sagenhaften Goldminen der Provinz, auskundschaften und aus- beuten wollten, und klagte seinen Gefährten Castro des Vergehens der Insub- ordination unter erschwerenden Umständen an.
Während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit in Deutschland hat sich die lustige Geschichte fortgesponnen. Im Anfang war sie für Castro, der es seiner- seits an kräftigen Erwiderungen nicht fehlen liess, nicht ungünstig verlaufen, nahm jedoch bei dem Sturz der konservativen Partei eine ernsthafte Wendung, als Herr Tupy plötzlich einen Gesinnungswechsel verspürte und sich zu den Ueber- zeugungen der neuen Partei bekannte. Castro wurde vor ein Kriegsgericht ge- stellt; die von Tupy beigebrachten Zeugen erklärten eidlich, dass jener mit uns gemeinschaftliche Sache gemacht habe, um den kommandirenden Offizier aus dem Wege zu räumen. Ueber mich selbst erfuhr ich aus den Akten, dass ich mit den Revolver in der Hand Herrn Tupy's Leben bedroht habe. Der Spruch des Kriegsgerichts lautete gegen Castro. Wir fanden ihn in Haft, doch war insofern noch nicht alle Hoffnung verloren, als gerade mit dem Dampfer, mit dem wir gekommen waren, die Prozessakten zur letzten Entscheidung an den obersten Militair-Gerichtshof in Rio befördert werden sollten. Noch in der Nacht unserer Ankunft setzte ich mich hin und schrieb eine kurze klare Auseinandersetzung des wahren Sachverhalts, die mein Vetter Wilhelm und ich als eine Erklärung an Eidesstatt unterzeichneten. Wir schickten dieselbe an die Deutsche Gesandtschaft in Rio mit der Bitte, sie dem Supremo Tribunal zu übermitteln. Ich füge schon hier an, dass wir nach der Rückkehr von der zweiten Expedition noch in Cuyaba von Herrn Grafen Dönhoff die Nachricht erhielten, Castro sei einstimmig freige- sprochen worden, und dass er später, nachdem ich in Rio persönlichen Bericht erstattet, verdientermassen auch dekorirt wurde.
Ein ganz besonders drastisches Beispiel dieser Verhältnisse trat in einer An- gelegenheit zu Tage, die auf das Innigste mit unserer ersten Expedition verknüpft war. Unserer militärischen Eskorte waren zwei Hauptleute beigegeben gewesen, Herr Tupy und Herr Castro. Der Erstere war als der Aeltere der Kommandant, er hatte aber an der Expedition leider nur das persönliche Interesse gefunden, die ihm vom Präsidenten zur Verfügung gestellten Gelder für seine Spielschulden zu verwenden, anstatt den Proviant und den Sold der Soldaten zu bezahlen. Unterwegs entdeckten wir, dass die Lebensmittel nur bis zum Paranatinga reichten, und da auch eine Anzahl Soldaten ganz unbrauchbar war, mussten wir Herrn Tupy mit einem Teil der Leute zurücksenden, wenn wir nicht das übliche Schicksal der von Cuyabá ausgehenden Expeditionen teilen und unverrichteter Sache heimkehren wollten. So baten wir Herrn Castro das Kommando zu übernehmen, setzten die notwendige Scheidung in einer dramatisch bewegten Lagerscene energisch durch und vollendeten dann unsere Reise programmgemäss mit glücklichem Erfolg.
Herr Tupy schlug nach seiner Rückkunft in Cuyabá einen fürchterlichen Lärm, erklärte uns in den Zeitungen für Schwindler, die sich für Mitglieder der »illustrissima sociedade de geographia de Berlim« ausgäben, in Wirklichkeit aber die Martyrios, die sagenhaften Goldminen der Provinz, auskundschaften und aus- beuten wollten, und klagte seinen Gefährten Castro des Vergehens der Insub- ordination unter erschwerenden Umständen an.
Während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit in Deutschland hat sich die lustige Geschichte fortgesponnen. Im Anfang war sie für Castro, der es seiner- seits an kräftigen Erwiderungen nicht fehlen liess, nicht ungünstig verlaufen, nahm jedoch bei dem Sturz der konservativen Partei eine ernsthafte Wendung, als Herr Tupy plötzlich einen Gesinnungswechsel verspürte und sich zu den Ueber- zeugungen der neuen Partei bekannte. Castro wurde vor ein Kriegsgericht ge- stellt; die von Tupy beigebrachten Zeugen erklärten eidlich, dass jener mit uns gemeinschaftliche Sache gemacht habe, um den kommandirenden Offizier aus dem Wege zu räumen. Ueber mich selbst erfuhr ich aus den Akten, dass ich mit den Revolver in der Hand Herrn Tupy’s Leben bedroht habe. Der Spruch des Kriegsgerichts lautete gegen Castro. Wir fanden ihn in Haft, doch war insofern noch nicht alle Hoffnung verloren, als gerade mit dem Dampfer, mit dem wir gekommen waren, die Prozessakten zur letzten Entscheidung an den obersten Militair-Gerichtshof in Rio befördert werden sollten. Noch in der Nacht unserer Ankunft setzte ich mich hin und schrieb eine kurze klare Auseinandersetzung des wahren Sachverhalts, die mein Vetter Wilhelm und ich als eine Erklärung an Eidesstatt unterzeichneten. Wir schickten dieselbe an die Deutsche Gesandtschaft in Rio mit der Bitte, sie dem Supremo Tribunal zu übermitteln. Ich füge schon hier an, dass wir nach der Rückkehr von der zweiten Expedition noch in Cuyabá von Herrn Grafen Dönhoff die Nachricht erhielten, Castro sei einstimmig freige- sprochen worden, und dass er später, nachdem ich in Rio persönlichen Bericht erstattet, verdientermassen auch dekorirt wurde.
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Herr Tupy und Herr Castro. Der Erstere war als der Aeltere der Kommandant,
er hatte aber an der Expedition leider nur das persönliche Interesse gefunden,
die ihm vom Präsidenten zur Verfügung gestellten Gelder für seine Spielschulden
zu verwenden, anstatt den Proviant und den Sold der Soldaten zu bezahlen.
Unterwegs entdeckten wir, dass die Lebensmittel nur bis zum Paranatinga reichten,
und da auch eine Anzahl Soldaten ganz unbrauchbar war, mussten wir Herrn Tupy
mit einem Teil der Leute zurücksenden, wenn wir nicht das übliche Schicksal der
von Cuyabá ausgehenden Expeditionen teilen und unverrichteter Sache heimkehren
wollten. So baten wir Herrn Castro das Kommando zu übernehmen, setzten die
notwendige Scheidung in einer dramatisch bewegten Lagerscene energisch durch
und vollendeten dann unsere Reise programmgemäss mit glücklichem Erfolg.
Herr Tupy schlug nach seiner Rückkunft in Cuyabá einen fürchterlichen
Lärm, erklärte uns in den Zeitungen für Schwindler, die sich für Mitglieder der
»illustrissima sociedade de geographia de Berlim« ausgäben, in Wirklichkeit aber
die Martyrios, die sagenhaften Goldminen der Provinz, auskundschaften und aus-
beuten wollten, und klagte seinen Gefährten Castro des Vergehens der Insub-
ordination unter erschwerenden Umständen an.
Während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit in Deutschland hat sich die
lustige Geschichte fortgesponnen. Im Anfang war sie für Castro, der es seiner-
seits an kräftigen Erwiderungen nicht fehlen liess, nicht ungünstig verlaufen, nahm
jedoch bei dem Sturz der konservativen Partei eine ernsthafte Wendung, als
Herr Tupy plötzlich einen Gesinnungswechsel verspürte und sich zu den Ueber-
zeugungen der neuen Partei bekannte. Castro wurde vor ein Kriegsgericht ge-
stellt; die von Tupy beigebrachten Zeugen erklärten eidlich, dass jener mit uns
gemeinschaftliche Sache gemacht habe, um den kommandirenden Offizier aus dem
Wege zu räumen. Ueber mich selbst erfuhr ich aus den Akten, dass ich mit
den Revolver in der Hand Herrn Tupy’s Leben bedroht habe. Der Spruch des
Kriegsgerichts lautete gegen Castro. Wir fanden ihn in Haft, doch war insofern
noch nicht alle Hoffnung verloren, als gerade mit dem Dampfer, mit dem wir
gekommen waren, die Prozessakten zur letzten Entscheidung an den obersten
Militair-Gerichtshof in Rio befördert werden sollten. Noch in der Nacht unserer
Ankunft setzte ich mich hin und schrieb eine kurze klare Auseinandersetzung des
wahren Sachverhalts, die mein Vetter Wilhelm und ich als eine Erklärung an
Eidesstatt unterzeichneten. Wir schickten dieselbe an die Deutsche Gesandtschaft
in Rio mit der Bitte, sie dem Supremo Tribunal zu übermitteln. Ich füge schon
hier an, dass wir nach der Rückkehr von der zweiten Expedition noch in Cuyabá
von Herrn Grafen Dönhoff die Nachricht erhielten, Castro sei einstimmig freige-
sprochen worden, und dass er später, nachdem ich in Rio persönlichen Bericht
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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