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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Nachts bedecken lassen, noch eine Anlehnung an den Herd, und er beweist uns,
da die Bakairi früher keine Töpfe hatten, die verhältnismässig späte Ausstattung
der Hypothese. Ich warf Antonio bescheidentlich ein, "aber die Sonne ist doch
heiss und Federn sind es nicht?" Ein Einwurf, den ich, kaum dass er dem Munde
entflohen war, auch bitter bereute. Denn das Gemüt Antonio's, der klug genug
war, den Widerspruch, sobald er ihm gezeigt wurde, auch zu empfinden, war
sichtlich verletzt. "Es kann sein", erklärte er endlich verdrossen, "dass später
durch Verzauberung Feuer hinzugekommen ist; früher war keins da". Darin
irrt er also. Die Hitze ist nicht, wie Antonio meint, hinzu-, sondern im Gegenteil
weggezaubert worden. Allein die heutige Bakairi-Wissenschaft wurzelt in der
Anschauung, dass Sonne und Mond Federbälle sind, und liefert uns, wann immer
und wo immer sie entstanden sein mag, ein gutes Beispiel, um das Denken der
Indianer zu verstehen.

Dass ein Ding aussieht wie ein anderes, mehr vertrautes, genügt für die
Erklärung. Die Sonne ist ein Federball in dem Augenblick, wo man findet,
dass sie dem ähnlicher sei als einem lodernden Feuer. Sei der Schluss ein
Analogieschluss, er hat auf dieser Stufe volle überzeugende Kraft, und die weiteren
Erklärungen über das Dunkelwerden und den Lauf am Himmel entwickeln sich,
von der nun gegebenen Anregung aus, organisch
. Wir sagen, da oben
können keine Tiere sein, also sind die Himmelskörper auch keine Tiere, der
Bakairi dagegen sieht die Tiere oder die Federn und fragt nicht, ob sie da sind,
sondern nur, wie sie hingekommen sind.

Ueber die Kometen erhielt ich keine Auskunft; nur meinte Antonio gering-
schätzig: "den Portugiesen (nur so werden die Brasilier genannt) sollen sie Böses
thun, den Bakairi thun sie Nichts". Von Planeten bekam ich nur den Namen
für Venus, der nicht zu übersetzen war.

Antonio wusste am Himmel ausgezeichnet Bescheid. Er begriff auch das
Wesen meiner Sternkarte ohne Mühe. Als ich ihm das erste Mal einige Kon-
stellationen gezeigt hatte, gingen wir hinaus und suchten sie am Himmel auf.
Wir kehrten in das Zimmer zurück und sofort fand er den Sirius auf der Karte
wieder. Dieser wird mit dem Orion, dem Aldebaran und den Plejaden als eine
zusammengehörige Gruppe aufgefasst. Der Orion ist ein grosses Gestell, auf dem
Mandioka getrocknet wird, die grösseren Sterne sind die Pfostenköpfe, und so be-
zeichnet der Sirius das Ende eines grossen Querbalkens, durch den das Gestell von
der Seite her gehalten wird. Die Plejaden, offenbar der Ausgangspunkt der ganzen
Auffassung, sind ein Haufen beiseite gefallener Mehlkörner, ein dickerer Klumpen,
der "Vater des Haufens", ist der Aldebaran. "Es giebt am Himmel Mandioka,
Pflanzungen, Wald, Alles, Alles." Auch Festschmuck. Capella ist eine kleine Hülse,
wie sie die Bakairi im Ohr tragen, um vorn eine Feder hineinzustecken, zwei andere
Sterne des Fuhrmanns sind die Hülsen der Kayabi, deren Federn nach hinten
gesteckt werden. Ein Stern, unsicher, welcher, aber wie mir schien Prokyon, ist ein
Ohrlochbohrer oder richtiger wohl das von ihm gebohrte Loch. Die Zwillinge

Nachts bedecken lassen, noch eine Anlehnung an den Herd, und er beweist uns,
da die Bakaïrí früher keine Töpfe hatten, die verhältnismässig späte Ausstattung
der Hypothese. Ich warf Antonio bescheidentlich ein, »aber die Sonne ist doch
heiss und Federn sind es nicht?« Ein Einwurf, den ich, kaum dass er dem Munde
entflohen war, auch bitter bereute. Denn das Gemüt Antonio’s, der klug genug
war, den Widerspruch, sobald er ihm gezeigt wurde, auch zu empfinden, war
sichtlich verletzt. »Es kann sein«, erklärte er endlich verdrossen, »dass später
durch Verzauberung Feuer hinzugekommen ist; früher war keins da«. Darin
irrt er also. Die Hitze ist nicht, wie Antonio meint, hinzu-, sondern im Gegenteil
weggezaubert worden. Allein die heutige Bakaïrí-Wissenschaft wurzelt in der
Anschauung, dass Sonne und Mond Federbälle sind, und liefert uns, wann immer
und wo immer sie entstanden sein mag, ein gutes Beispiel, um das Denken der
Indianer zu verstehen.

Dass ein Ding aussieht wie ein anderes, mehr vertrautes, genügt für die
Erklärung. Die Sonne ist ein Federball in dem Augenblick, wo man findet,
dass sie dem ähnlicher sei als einem lodernden Feuer. Sei der Schluss ein
Analogieschluss, er hat auf dieser Stufe volle überzeugende Kraft, und die weiteren
Erklärungen über das Dunkelwerden und den Lauf am Himmel entwickeln sich,
von der nun gegebenen Anregung aus, organisch
. Wir sagen, da oben
können keine Tiere sein, also sind die Himmelskörper auch keine Tiere, der
Bakaïrí dagegen sieht die Tiere oder die Federn und fragt nicht, ob sie da sind,
sondern nur, wie sie hingekommen sind.

Ueber die Kometen erhielt ich keine Auskunft; nur meinte Antonio gering-
schätzig: »den Portugiesen (nur so werden die Brasilier genannt) sollen sie Böses
thun, den Bakaïrí thun sie Nichts«. Von Planeten bekam ich nur den Namen
für Venus, der nicht zu übersetzen war.

Antonio wusste am Himmel ausgezeichnet Bescheid. Er begriff auch das
Wesen meiner Sternkarte ohne Mühe. Als ich ihm das erste Mal einige Kon-
stellationen gezeigt hatte, gingen wir hinaus und suchten sie am Himmel auf.
Wir kehrten in das Zimmer zurück und sofort fand er den Sirius auf der Karte
wieder. Dieser wird mit dem Orion, dem Aldebaran und den Plejaden als eine
zusammengehörige Gruppe aufgefasst. Der Orion ist ein grosses Gestell, auf dem
Mandioka getrocknet wird, die grösseren Sterne sind die Pfostenköpfe, und so be-
zeichnet der Sirius das Ende eines grossen Querbalkens, durch den das Gestell von
der Seite her gehalten wird. Die Plejaden, offenbar der Ausgangspunkt der ganzen
Auffassung, sind ein Haufen beiseite gefallener Mehlkörner, ein dickerer Klumpen,
der »Vater des Haufens«, ist der Aldebaran. »Es giebt am Himmel Mandioka,
Pflanzungen, Wald, Alles, Alles.« Auch Festschmuck. Capella ist eine kleine Hülse,
wie sie die Bakaïrí im Ohr tragen, um vorn eine Feder hineinzustecken, zwei andere
Sterne des Fuhrmanns sind die Hülsen der Kayabí, deren Federn nach hinten
gesteckt werden. Ein Stern, unsicher, welcher, aber wie mir schien Prokyon, ist ein
Ohrlochbohrer oder richtiger wohl das von ihm gebohrte Loch. Die Zwillinge

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[359/0423] Nachts bedecken lassen, noch eine Anlehnung an den Herd, und er beweist uns, da die Bakaïrí früher keine Töpfe hatten, die verhältnismässig späte Ausstattung der Hypothese. Ich warf Antonio bescheidentlich ein, »aber die Sonne ist doch heiss und Federn sind es nicht?« Ein Einwurf, den ich, kaum dass er dem Munde entflohen war, auch bitter bereute. Denn das Gemüt Antonio’s, der klug genug war, den Widerspruch, sobald er ihm gezeigt wurde, auch zu empfinden, war sichtlich verletzt. »Es kann sein«, erklärte er endlich verdrossen, »dass später durch Verzauberung Feuer hinzugekommen ist; früher war keins da«. Darin irrt er also. Die Hitze ist nicht, wie Antonio meint, hinzu-, sondern im Gegenteil weggezaubert worden. Allein die heutige Bakaïrí-Wissenschaft wurzelt in der Anschauung, dass Sonne und Mond Federbälle sind, und liefert uns, wann immer und wo immer sie entstanden sein mag, ein gutes Beispiel, um das Denken der Indianer zu verstehen. Dass ein Ding aussieht wie ein anderes, mehr vertrautes, genügt für die Erklärung. Die Sonne ist ein Federball in dem Augenblick, wo man findet, dass sie dem ähnlicher sei als einem lodernden Feuer. Sei der Schluss ein Analogieschluss, er hat auf dieser Stufe volle überzeugende Kraft, und die weiteren Erklärungen über das Dunkelwerden und den Lauf am Himmel entwickeln sich, von der nun gegebenen Anregung aus, organisch. Wir sagen, da oben können keine Tiere sein, also sind die Himmelskörper auch keine Tiere, der Bakaïrí dagegen sieht die Tiere oder die Federn und fragt nicht, ob sie da sind, sondern nur, wie sie hingekommen sind. Ueber die Kometen erhielt ich keine Auskunft; nur meinte Antonio gering- schätzig: »den Portugiesen (nur so werden die Brasilier genannt) sollen sie Böses thun, den Bakaïrí thun sie Nichts«. Von Planeten bekam ich nur den Namen für Venus, der nicht zu übersetzen war. Antonio wusste am Himmel ausgezeichnet Bescheid. Er begriff auch das Wesen meiner Sternkarte ohne Mühe. Als ich ihm das erste Mal einige Kon- stellationen gezeigt hatte, gingen wir hinaus und suchten sie am Himmel auf. Wir kehrten in das Zimmer zurück und sofort fand er den Sirius auf der Karte wieder. Dieser wird mit dem Orion, dem Aldebaran und den Plejaden als eine zusammengehörige Gruppe aufgefasst. Der Orion ist ein grosses Gestell, auf dem Mandioka getrocknet wird, die grösseren Sterne sind die Pfostenköpfe, und so be- zeichnet der Sirius das Ende eines grossen Querbalkens, durch den das Gestell von der Seite her gehalten wird. Die Plejaden, offenbar der Ausgangspunkt der ganzen Auffassung, sind ein Haufen beiseite gefallener Mehlkörner, ein dickerer Klumpen, der »Vater des Haufens«, ist der Aldebaran. »Es giebt am Himmel Mandioka, Pflanzungen, Wald, Alles, Alles.« Auch Festschmuck. Capella ist eine kleine Hülse, wie sie die Bakaïrí im Ohr tragen, um vorn eine Feder hineinzustecken, zwei andere Sterne des Fuhrmanns sind die Hülsen der Kayabí, deren Federn nach hinten gesteckt werden. Ein Stern, unsicher, welcher, aber wie mir schien Prokyon, ist ein Ohrlochbohrer oder richtiger wohl das von ihm gebohrte Loch. Die Zwillinge

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/423>, abgerufen am 21.11.2024.