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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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dass der farbige Schmuck zuerst nicht um der Farben willen auf den Körper ge-
bracht worden ist. Da das, was als Trophäe oder zu praktischen Zwecken auf
dem Körper getragen wurde, sich thatsächlich durch wechselnde Farben aus-
zeichnete, die Wohlgefallen erregen mussten, so kam man von selbst dazu, sie
auch um des Vergnügens willen anzuwenden, und von dieser Zeit an begann die
früheste Unterscheidung durch Farbennamen; innerhalb deren wiederum wurde die
erste Sicherheit gewonnen für die auch bearbeiteten Farben, während das Bedürfnis
für die Unterscheidung von grün und blau noch durch vage Wörter wie "perikito-
farben" befriedigt wurde.

Noch eins darf nicht vergessen werden. Der Indianer bildet keine Allgemein-
urteile, wie "die Bäume sind grün, der Himmel ist blau". Nichts veranlasst ihn,
diese ihm von der Aussenwelt gebotene Anschauung zu zergliedern, sie interessiert
seine Person bei keiner Thätigkeit und ist ein selbstverständlich Gegebenes, wie,
dass das Wasser nass ist. Was ihn aber nach Farben zu unterscheiden interessiert,
sind Tiere und Pflanzen. Hier liegt die Hauptverwendung der erworbenen
Farbennamen und hier ist es nötig zu verfolgen, wie er im eigenen Gebrauch
mit den Farbennamen verfährt.

Ich habe daraufhin die Liste der Tiernamen in dem Glossarium von Mar-
tius
durchgesehen, in die einige 1300 aus der gesamten Literatur zusammen-
getragen sind. "Perikitofarben" cugui für "blau und grün", wird nur ein einziges
Mal bei einer Boa-Schlange verwendet, die Martius "viridis vel azureus Coluber
aestivus L." nennt. die gewöhnlichen Unterscheidungen nach Farben, deren Zahl
geringer ist als man erwarten sollte, ist schwarz, weiss, rot und gelb; ich zähle,
ohne auf absolute Genauigkeit Wert zu legen, 28 Vögel, 23 Fische, 9 Säugetiere,
4 Schlangen und 12 niedere Tiere, die nach jenen vier Farben unterschieden sind.
Nun kommen aber noch zwei Wörter für "bunt" vor, von denen das eine pinima,
mit dem Verbum "malen" gleichen Stammes, für 4 Fische, 3 Vögel, den Jaguar,
1 Schlange, 1 Eidechse, 1 Krebs gebraucht wird, und das andere paragoa,
schlechthin "Papagei" bedeutet und auch einen Papagei-Fisch und eine Papagei-
Schlange liefert. Reines "grün" ist immer papagei- oder perikitofarben; wo ein
"blau" zu bestimmen ist, wird das Tier auch mit dem Zusatzwort una (verbrannt)
= schwarz oder dunkel versehen.

Deutlicher kann es nicht ausgesprochen sein, dass sich die Indianer nur da
zu einer scharf bestimmten Farbenunterscheidung veranlasst fühlen, wo es sich um
die ihnen von den Farbstoffen her geläufigen Farbenqualitäten handelt, dass also
die eigene Praxis, nicht der Farbensinn, das Material der fest abgegrenzten Be-
griffe liefert.

Die Liste der Pflanzennamen von Martius, etwas über 1000 an der Zahl,
bietet einen interessanten Vergleich. 8 Pflanzen erhalten das Prädikat schwarz,
7 weiss, 7 rot, 2 gelb. Dass bei den Pflanzen "grün" kein unterscheidendes
Merkmal bildet, ist klar. Doch begegnen wir auch hier einmal dem bald mit
grün, bald mit blau übersetzten cugui oder "perikitofarben", und zwar entspricht

dass der farbige Schmuck zuerst nicht um der Farben willen auf den Körper ge-
bracht worden ist. Da das, was als Trophäe oder zu praktischen Zwecken auf
dem Körper getragen wurde, sich thatsächlich durch wechselnde Farben aus-
zeichnete, die Wohlgefallen erregen mussten, so kam man von selbst dazu, sie
auch um des Vergnügens willen anzuwenden, und von dieser Zeit an begann die
früheste Unterscheidung durch Farbennamen; innerhalb deren wiederum wurde die
erste Sicherheit gewonnen für die auch bearbeiteten Farben, während das Bedürfnis
für die Unterscheidung von grün und blau noch durch vage Wörter wie »perikito-
farben« befriedigt wurde.

Noch eins darf nicht vergessen werden. Der Indianer bildet keine Allgemein-
urteile, wie »die Bäume sind grün, der Himmel ist blau«. Nichts veranlasst ihn,
diese ihm von der Aussenwelt gebotene Anschauung zu zergliedern, sie interessiert
seine Person bei keiner Thätigkeit und ist ein selbstverständlich Gegebenes, wie,
dass das Wasser nass ist. Was ihn aber nach Farben zu unterscheiden interessiert,
sind Tiere und Pflanzen. Hier liegt die Hauptverwendung der erworbenen
Farbennamen und hier ist es nötig zu verfolgen, wie er im eigenen Gebrauch
mit den Farbennamen verfährt.

Ich habe daraufhin die Liste der Tiernamen in dem Glossarium von Mar-
tius
durchgesehen, in die einige 1300 aus der gesamten Literatur zusammen-
getragen sind. »Perikitofarben« cugui für »blau und grün«, wird nur ein einziges
Mal bei einer Boa-Schlange verwendet, die Martius »viridis vel azureus Coluber
aestivus L.« nennt. die gewöhnlichen Unterscheidungen nach Farben, deren Zahl
geringer ist als man erwarten sollte, ist schwarz, weiss, rot und gelb; ich zähle,
ohne auf absolute Genauigkeit Wert zu legen, 28 Vögel, 23 Fische, 9 Säugetiere,
4 Schlangen und 12 niedere Tiere, die nach jenen vier Farben unterschieden sind.
Nun kommen aber noch zwei Wörter für »bunt« vor, von denen das eine pinima,
mit dem Verbum »malen« gleichen Stammes, für 4 Fische, 3 Vögel, den Jaguar,
1 Schlange, 1 Eidechse, 1 Krebs gebraucht wird, und das andere paragoa,
schlechthin »Papagei« bedeutet und auch einen Papagei-Fisch und eine Papagei-
Schlange liefert. Reines »grün« ist immer papagei- oder perikitofarben; wo ein
»blau« zu bestimmen ist, wird das Tier auch mit dem Zusatzwort una (verbrannt)
= schwarz oder dunkel versehen.

Deutlicher kann es nicht ausgesprochen sein, dass sich die Indianer nur da
zu einer scharf bestimmten Farbenunterscheidung veranlasst fühlen, wo es sich um
die ihnen von den Farbstoffen her geläufigen Farbenqualitäten handelt, dass also
die eigene Praxis, nicht der Farbensinn, das Material der fest abgegrenzten Be-
griffe liefert.

Die Liste der Pflanzennamen von Martius, etwas über 1000 an der Zahl,
bietet einen interessanten Vergleich. 8 Pflanzen erhalten das Prädikat schwarz,
7 weiss, 7 rot, 2 gelb. Dass bei den Pflanzen »grün« kein unterscheidendes
Merkmal bildet, ist klar. Doch begegnen wir auch hier einmal dem bald mit
grün, bald mit blau übersetzten çugui oder »perikitofarben«, und zwar entspricht

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[422/0486] dass der farbige Schmuck zuerst nicht um der Farben willen auf den Körper ge- bracht worden ist. Da das, was als Trophäe oder zu praktischen Zwecken auf dem Körper getragen wurde, sich thatsächlich durch wechselnde Farben aus- zeichnete, die Wohlgefallen erregen mussten, so kam man von selbst dazu, sie auch um des Vergnügens willen anzuwenden, und von dieser Zeit an begann die früheste Unterscheidung durch Farbennamen; innerhalb deren wiederum wurde die erste Sicherheit gewonnen für die auch bearbeiteten Farben, während das Bedürfnis für die Unterscheidung von grün und blau noch durch vage Wörter wie »perikito- farben« befriedigt wurde. Noch eins darf nicht vergessen werden. Der Indianer bildet keine Allgemein- urteile, wie »die Bäume sind grün, der Himmel ist blau«. Nichts veranlasst ihn, diese ihm von der Aussenwelt gebotene Anschauung zu zergliedern, sie interessiert seine Person bei keiner Thätigkeit und ist ein selbstverständlich Gegebenes, wie, dass das Wasser nass ist. Was ihn aber nach Farben zu unterscheiden interessiert, sind Tiere und Pflanzen. Hier liegt die Hauptverwendung der erworbenen Farbennamen und hier ist es nötig zu verfolgen, wie er im eigenen Gebrauch mit den Farbennamen verfährt. Ich habe daraufhin die Liste der Tiernamen in dem Glossarium von Mar- tius durchgesehen, in die einige 1300 aus der gesamten Literatur zusammen- getragen sind. »Perikitofarben« cugui für »blau und grün«, wird nur ein einziges Mal bei einer Boa-Schlange verwendet, die Martius »viridis vel azureus Coluber aestivus L.« nennt. die gewöhnlichen Unterscheidungen nach Farben, deren Zahl geringer ist als man erwarten sollte, ist schwarz, weiss, rot und gelb; ich zähle, ohne auf absolute Genauigkeit Wert zu legen, 28 Vögel, 23 Fische, 9 Säugetiere, 4 Schlangen und 12 niedere Tiere, die nach jenen vier Farben unterschieden sind. Nun kommen aber noch zwei Wörter für »bunt« vor, von denen das eine pinima, mit dem Verbum »malen« gleichen Stammes, für 4 Fische, 3 Vögel, den Jaguar, 1 Schlange, 1 Eidechse, 1 Krebs gebraucht wird, und das andere paragoa, schlechthin »Papagei« bedeutet und auch einen Papagei-Fisch und eine Papagei- Schlange liefert. Reines »grün« ist immer papagei- oder perikitofarben; wo ein »blau« zu bestimmen ist, wird das Tier auch mit dem Zusatzwort una (verbrannt) = schwarz oder dunkel versehen. Deutlicher kann es nicht ausgesprochen sein, dass sich die Indianer nur da zu einer scharf bestimmten Farbenunterscheidung veranlasst fühlen, wo es sich um die ihnen von den Farbstoffen her geläufigen Farbenqualitäten handelt, dass also die eigene Praxis, nicht der Farbensinn, das Material der fest abgegrenzten Be- griffe liefert. Die Liste der Pflanzennamen von Martius, etwas über 1000 an der Zahl, bietet einen interessanten Vergleich. 8 Pflanzen erhalten das Prädikat schwarz, 7 weiss, 7 rot, 2 gelb. Dass bei den Pflanzen »grün« kein unterscheidendes Merkmal bildet, ist klar. Doch begegnen wir auch hier einmal dem bald mit grün, bald mit blau übersetzten çugui oder »perikitofarben«, und zwar entspricht

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/486>, abgerufen am 22.11.2024.