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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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"Auf jenen ausgedehnten Hochebenen bewohnen die Paressi ein weites Reich, und alle Wasser
fliessen nach Norden. (Er rechnet sie damals also nur noch zum Quellgebiet des Tapajoz und Madeira).
Diese Leute sind in solcher Menge vorhanden, dass man ihre Ansiedelungen oder "aldeias" nicht
aufzählen kann; häufig kommt man an einem Marschtag durch 10 oder 12 Dörfer, und in jedem
von diesen giebt es 10 bis 30 Häuser, und unter diesen Häusern finden sich einige von 30 bis
40 Schritt Breite, und sie sind rund von der Gestalt eines Backofens, sehr hoch und jedes eine
dieser Häuser, hören wir, beherbergt eine ganze Familie. Alle leben von ihrem Feldbau, worin sie
unermüdlich sind, und es sind sesshafte Leute, und die Pflanzen, die sie hauptsächlich bauen, sind
Mandioka, einiger Mais und Bohnen, Bataten, viele Ananas (kein Wort von Bananen!), und einzeln
in bewundernswerter Ordnung gepflanzt, von ihnen pflegen sie ihre Weine zu machen. Und sie
hegen auch von Fluss zu Fluss den Kamp ein, innerhalb dieses Geheges machen sie viele Gruben,
worin sie viele Rehe, Strausse und viele andere Tierarten jagen. Diese Heiden sind nicht kriegerisch
und verteidigen sich nur, wenn man sie wegholen will; ihre Waffen sind Bogen und Pfeil und sie
gebrauchen auch ein sehr starkes Holz und machen daraus breite Blätter, die ihnen als Schwerter
dienen, und sie haben auch ihre ganz kleinen Spiesse, um ihre Thüren zu verteidigen, die sie so klein
machen, dass man nur auf allen Vieren hineinkommen kann. Und diese Indianer gebrauchen auch
Idole; diese haben ein besonderes Haus mit vielen Figuren von mannigfachen Gestalten, wo es nur
den Männern erlaubt ist einzutreten, diese Figuren sind ganz fürchterlich und alle haben ihre Kürbis-
trompeten, die, wie diese Heiden sagen, den Figuren gehören, und die Weiberschaft beobachtet das
Gesetz so, dass sie nicht einmal nach diesen Häusern hinzublicken pflegen, und nur die Männer
finden sich darin ein in jenen Tagen des Vergnügens, die sie bestimmen, um ihre Tänze zu begehen,
und an denen sie sich reich kleiden. Die gewöhnliche Tracht dieser Heiden ist, dass die Männer
ein Stückchen Stroh an den Schamteilen tragen und die Frauen ihre "tipoinhas" bis zum halben Ober-
schenkel, deren Stoff sie selbst aus einem Gewebe von Federn machen (engmaschiges Netz mit ein-
geknüpften Federn), und mit prächtigen Farben, Alles sehr seltsam und Arbeiten mannigfacher Art
und Gestalt, und die Neugier ist bei Männern und Weibern zum äussersten; sie sind sehr sauber und
vollkommen in Allem bis auf ihre Strassen, die sie gerade und breit machen und so rein und in
gutem Stande halteu, dass man dort auch nicht ein Blatt finden wird."

Antonio Pires lobt weiter die hellfarbigen hübschen und in allen Arbeiten
geschickten Frauen, erwähnt die Kunst, die Federn der Papageien und anderer
Vögel willkürlich zu färben, und bewundert die Arbeiten in Stein und hartem
Holz, die ohne Hilfe von Eisen und Stahl gemacht werden. Die Häuptlinge trugen
am Halse jaspisähnliche, marmorglatt geschliffene Steine von der Form eines
Malteserkreuzes. Er hält das durch zahlreiche Häuptlinge beherrschte Volk, das
ein ungeheures Gebiet mit fruchtbarem Boden und angenehmen Klima bewohne,
für das dankbarste Ziel der katholischen Mission zu Ehren des portugiesischen
Namens. Im Gegensatz zu den Paressi gelten ihm die "Cavihis", die Kabischi,
als umherstreifende wilde Barbaren, die seine Leute trotz ihrer 130 Feuergewehre
in die Flucht trieben, und in deren Hütten er einmal mit Menschenfleisch gefüllte
Töpfe und Gerüste voller Schädel und Knochen gefunden habe. Jenseits der
Paressi wohnten im Norden ebenso zahlreich, und in dem ganzen Kulturzustande
ihnen ebenbürtig die "Mahibarez", deren Sprache sich nur in wenigen Wörtern
unterscheide; sie unternähmen viele Raubzüge gegen die Paressi, töteten die
Männer und entführten die Weiber.

So waren die Verhältnisse am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Den
Sklavensuchern folgten die Gold- und Diamantensucher, die die Indianer zu harter
Frohne zwangen. Heute ist Diamantino,*) einst der Mittelpunkt der Abenteurer,

*) Lage nach Chandless 14° 24' 33'' südl. Br. und 56° 8' 30'' östl. von Greenwich.

»Auf jenen ausgedehnten Hochebenen bewohnen die Paressí ein weites Reich, und alle Wasser
fliessen nach Norden. (Er rechnet sie damals also nur noch zum Quellgebiet des Tapajoz und Madeira).
Diese Leute sind in solcher Menge vorhanden, dass man ihre Ansiedelungen oder »aldeias« nicht
aufzählen kann; häufig kommt man an einem Marschtag durch 10 oder 12 Dörfer, und in jedem
von diesen giebt es 10 bis 30 Häuser, und unter diesen Häusern finden sich einige von 30 bis
40 Schritt Breite, und sie sind rund von der Gestalt eines Backofens, sehr hoch und jedes eine
dieser Häuser, hören wir, beherbergt eine ganze Familie. Alle leben von ihrem Feldbau, worin sie
unermüdlich sind, und es sind sesshafte Leute, und die Pflanzen, die sie hauptsächlich bauen, sind
Mandioka, einiger Mais und Bohnen, Bataten, viele Ananas (kein Wort von Bananen!), und einzeln
in bewundernswerter Ordnung gepflanzt, von ihnen pflegen sie ihre Weine zu machen. Und sie
hegen auch von Fluss zu Fluss den Kamp ein, innerhalb dieses Geheges machen sie viele Gruben,
worin sie viele Rehe, Strausse und viele andere Tierarten jagen. Diese Heiden sind nicht kriegerisch
und verteidigen sich nur, wenn man sie wegholen will; ihre Waffen sind Bogen und Pfeil und sie
gebrauchen auch ein sehr starkes Holz und machen daraus breite Blätter, die ihnen als Schwerter
dienen, und sie haben auch ihre ganz kleinen Spiesse, um ihre Thüren zu verteidigen, die sie so klein
machen, dass man nur auf allen Vieren hineinkommen kann. Und diese Indianer gebrauchen auch
Idole; diese haben ein besonderes Haus mit vielen Figuren von mannigfachen Gestalten, wo es nur
den Männern erlaubt ist einzutreten, diese Figuren sind ganz fürchterlich und alle haben ihre Kürbis-
trompeten, die, wie diese Heiden sagen, den Figuren gehören, und die Weiberschaft beobachtet das
Gesetz so, dass sie nicht einmal nach diesen Häusern hinzublicken pflegen, und nur die Männer
finden sich darin ein in jenen Tagen des Vergnügens, die sie bestimmen, um ihre Tänze zu begehen,
und an denen sie sich reich kleiden. Die gewöhnliche Tracht dieser Heiden ist, dass die Männer
ein Stückchen Stroh an den Schamteilen tragen und die Frauen ihre »tipoinhas« bis zum halben Ober-
schenkel, deren Stoff sie selbst aus einem Gewebe von Federn machen (engmaschiges Netz mit ein-
geknüpften Federn), und mit prächtigen Farben, Alles sehr seltsam und Arbeiten mannigfacher Art
und Gestalt, und die Neugier ist bei Männern und Weibern zum äussersten; sie sind sehr sauber und
vollkommen in Allem bis auf ihre Strassen, die sie gerade und breit machen und so rein und in
gutem Stande halteu, dass man dort auch nicht ein Blatt finden wird.«

Antonio Pires lobt weiter die hellfarbigen hübschen und in allen Arbeiten
geschickten Frauen, erwähnt die Kunst, die Federn der Papageien und anderer
Vögel willkürlich zu färben, und bewundert die Arbeiten in Stein und hartem
Holz, die ohne Hilfe von Eisen und Stahl gemacht werden. Die Häuptlinge trugen
am Halse jaspisähnliche, marmorglatt geschliffene Steine von der Form eines
Malteserkreuzes. Er hält das durch zahlreiche Häuptlinge beherrschte Volk, das
ein ungeheures Gebiet mit fruchtbarem Boden und angenehmen Klima bewohne,
für das dankbarste Ziel der katholischen Mission zu Ehren des portugiesischen
Namens. Im Gegensatz zu den Paressí gelten ihm die »Cavihis«, die Kabischí,
als umherstreifende wilde Barbaren, die seine Leute trotz ihrer 130 Feuergewehre
in die Flucht trieben, und in deren Hütten er einmal mit Menschenfleisch gefüllte
Töpfe und Gerüste voller Schädel und Knochen gefunden habe. Jenseits der
Paressí wohnten im Norden ebenso zahlreich, und in dem ganzen Kulturzustande
ihnen ebenbürtig die »Mahibarez«, deren Sprache sich nur in wenigen Wörtern
unterscheide; sie unternähmen viele Raubzüge gegen die Paressí, töteten die
Männer und entführten die Weiber.

So waren die Verhältnisse am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Den
Sklavensuchern folgten die Gold- und Diamantensucher, die die Indianer zu harter
Frohne zwangen. Heute ist Diamantino,*) einst der Mittelpunkt der Abenteurer,

*) Lage nach Chandless 14° 24' 33'' südl. Br. und 56° 8' 30'' östl. von Greenwich.
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[425/0489] »Auf jenen ausgedehnten Hochebenen bewohnen die Paressí ein weites Reich, und alle Wasser fliessen nach Norden. (Er rechnet sie damals also nur noch zum Quellgebiet des Tapajoz und Madeira). Diese Leute sind in solcher Menge vorhanden, dass man ihre Ansiedelungen oder »aldeias« nicht aufzählen kann; häufig kommt man an einem Marschtag durch 10 oder 12 Dörfer, und in jedem von diesen giebt es 10 bis 30 Häuser, und unter diesen Häusern finden sich einige von 30 bis 40 Schritt Breite, und sie sind rund von der Gestalt eines Backofens, sehr hoch und jedes eine dieser Häuser, hören wir, beherbergt eine ganze Familie. Alle leben von ihrem Feldbau, worin sie unermüdlich sind, und es sind sesshafte Leute, und die Pflanzen, die sie hauptsächlich bauen, sind Mandioka, einiger Mais und Bohnen, Bataten, viele Ananas (kein Wort von Bananen!), und einzeln in bewundernswerter Ordnung gepflanzt, von ihnen pflegen sie ihre Weine zu machen. Und sie hegen auch von Fluss zu Fluss den Kamp ein, innerhalb dieses Geheges machen sie viele Gruben, worin sie viele Rehe, Strausse und viele andere Tierarten jagen. Diese Heiden sind nicht kriegerisch und verteidigen sich nur, wenn man sie wegholen will; ihre Waffen sind Bogen und Pfeil und sie gebrauchen auch ein sehr starkes Holz und machen daraus breite Blätter, die ihnen als Schwerter dienen, und sie haben auch ihre ganz kleinen Spiesse, um ihre Thüren zu verteidigen, die sie so klein machen, dass man nur auf allen Vieren hineinkommen kann. Und diese Indianer gebrauchen auch Idole; diese haben ein besonderes Haus mit vielen Figuren von mannigfachen Gestalten, wo es nur den Männern erlaubt ist einzutreten, diese Figuren sind ganz fürchterlich und alle haben ihre Kürbis- trompeten, die, wie diese Heiden sagen, den Figuren gehören, und die Weiberschaft beobachtet das Gesetz so, dass sie nicht einmal nach diesen Häusern hinzublicken pflegen, und nur die Männer finden sich darin ein in jenen Tagen des Vergnügens, die sie bestimmen, um ihre Tänze zu begehen, und an denen sie sich reich kleiden. Die gewöhnliche Tracht dieser Heiden ist, dass die Männer ein Stückchen Stroh an den Schamteilen tragen und die Frauen ihre »tipoinhas« bis zum halben Ober- schenkel, deren Stoff sie selbst aus einem Gewebe von Federn machen (engmaschiges Netz mit ein- geknüpften Federn), und mit prächtigen Farben, Alles sehr seltsam und Arbeiten mannigfacher Art und Gestalt, und die Neugier ist bei Männern und Weibern zum äussersten; sie sind sehr sauber und vollkommen in Allem bis auf ihre Strassen, die sie gerade und breit machen und so rein und in gutem Stande halteu, dass man dort auch nicht ein Blatt finden wird.« Antonio Pires lobt weiter die hellfarbigen hübschen und in allen Arbeiten geschickten Frauen, erwähnt die Kunst, die Federn der Papageien und anderer Vögel willkürlich zu färben, und bewundert die Arbeiten in Stein und hartem Holz, die ohne Hilfe von Eisen und Stahl gemacht werden. Die Häuptlinge trugen am Halse jaspisähnliche, marmorglatt geschliffene Steine von der Form eines Malteserkreuzes. Er hält das durch zahlreiche Häuptlinge beherrschte Volk, das ein ungeheures Gebiet mit fruchtbarem Boden und angenehmen Klima bewohne, für das dankbarste Ziel der katholischen Mission zu Ehren des portugiesischen Namens. Im Gegensatz zu den Paressí gelten ihm die »Cavihis«, die Kabischí, als umherstreifende wilde Barbaren, die seine Leute trotz ihrer 130 Feuergewehre in die Flucht trieben, und in deren Hütten er einmal mit Menschenfleisch gefüllte Töpfe und Gerüste voller Schädel und Knochen gefunden habe. Jenseits der Paressí wohnten im Norden ebenso zahlreich, und in dem ganzen Kulturzustande ihnen ebenbürtig die »Mahibarez«, deren Sprache sich nur in wenigen Wörtern unterscheide; sie unternähmen viele Raubzüge gegen die Paressí, töteten die Männer und entführten die Weiber. So waren die Verhältnisse am Anfang des vorigen Jahrhunderts. Den Sklavensuchern folgten die Gold- und Diamantensucher, die die Indianer zu harter Frohne zwangen. Heute ist Diamantino, *) einst der Mittelpunkt der Abenteurer, *) Lage nach Chandless 14° 24' 33'' südl. Br. und 56° 8' 30'' östl. von Greenwich.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/489>, abgerufen am 22.11.2024.