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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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ist nichts mehr von Verband oder Pelotte. Die Entwicklung, die wir am Schingu
noch vermissen, ist also für die Frauen, nicht für die Männer vollzogen. Wir
wissen aber auch nach dem Bericht des Antonio Pires, dass die alten Paressi --
wenn wir auch dem tapfern Sklavenjäger, dessen Angaben den Eindruck der
Wahrhaftigkeit machen, einige Uebertreibung zutrauen wollen -- zahlreiche Ort-
schaften mit einer dichten Bevölkerung hatten und sich in sozialen Dingen deshalb
von den grossen Familien am Schingu schon unterscheiden konnten.

Wie die Tracht der Paressi-Frauen ursprünglich ausgesehen hat, wäre wohl
nur durch die Bekanntschaft mit "wilden" Paressi zu erfahren. In dem Dorf der
von uns untersuchten Eingeborenen besteht seit anderthalb Jahrhunderten ein sehr
viel engerer Verkehr mit den Brasiliern von Diamantino, da man die Leute zu

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 125.

Paressi-Mädchen.

Minenarbeiten und zur Tapajozschiffahrt ge-
brauchte, als in den Dörfern der zahmen
Bakairi, deren Frauen auch längst keine Uluris
mehr tragen. Es ist vielfach in Brasilien
geschehen, dass die Indianerinnen, ganz abge-
sehen davon, dass sie Kleider anzogen, sehr
rasch nach dem Erscheinen der Weissen ihre
alte Tracht veränderten.*) Das Bedürfnis,
sich gegen Blicke zu schützen, macht sich
am ersten fühlbar bei dem Zusammentreffen
mit fremden Männern, deren Begierde die
Frauen nicht reizen sollen.

Die Männer trugen um die Oberarme
und an den Unterschenkeln unter dem Knie
oder über den Knöcheln festgewebte und fest-
anschliessende bis 10 cm breite Bänder, die
seitlich mit den als ein freier Strang herab-
hängenden Endfäden zusammengeschnürt wurden, die Frauen dagegen knapp
fingerbreite Kniebänder aus Kautschuk, die scharf einschnitten und unter denen
die Haut überraschend hell war. Das Mädchen hatte einen dicken Wulst von
Glasperlen um den Hals.

Unsere ethnographische Ausbeute war sehr gering, um so geringer,
als die Paressi von dem Wenigen was sie mitgebracht, das Beste, namentlich

*) Ein sehr gutes Beispiel berichtet Prinz Wied von den Camacan. "Die Weiberschürze
besteht in einem künstlich mit feinen Schnüren übersponnenen Stricke, mit ein Paar grossen Quasten
an den Enden, von welchem eine Menge andere runde Schnüre herabhängen, um eine Schürze zu
bilden; der Strick wird von den Weibern um die Hüften gebunden und es sind diese Schürzen
das einzige Kleidungsstück derselben, da, wo sie noch in einem etwas rohen Zustande leben;
früher kannten sie auch dies noch nicht, sondern gingen völlig nackt, oder späterhin mit einem
um die Hüften gebundenen Stück Baumbast". Reise nach Brasilien in den Jahren 1815--1817,
II p. 216. Da haben wir also die Reihenfolge: Nacktheit, Bastbinde, Fadenschürze, europäische
Kleidung.

ist nichts mehr von Verband oder Pelotte. Die Entwicklung, die wir am Schingú
noch vermissen, ist also für die Frauen, nicht für die Männer vollzogen. Wir
wissen aber auch nach dem Bericht des Antonio Pires, dass die alten Paressí —
wenn wir auch dem tapfern Sklavenjäger, dessen Angaben den Eindruck der
Wahrhaftigkeit machen, einige Uebertreibung zutrauen wollen — zahlreiche Ort-
schaften mit einer dichten Bevölkerung hatten und sich in sozialen Dingen deshalb
von den grossen Familien am Schingú schon unterscheiden konnten.

Wie die Tracht der Paressí-Frauen ursprünglich ausgesehen hat, wäre wohl
nur durch die Bekanntschaft mit »wilden« Paressí zu erfahren. In dem Dorf der
von uns untersuchten Eingeborenen besteht seit anderthalb Jahrhunderten ein sehr
viel engerer Verkehr mit den Brasiliern von Diamantino, da man die Leute zu

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[Abbildung] Abb. 125.

Paressí-Mädchen.

Minenarbeiten und zur Tapajozschiffahrt ge-
brauchte, als in den Dörfern der zahmen
Bakaïrí, deren Frauen auch längst keine Uluris
mehr tragen. Es ist vielfach in Brasilien
geschehen, dass die Indianerinnen, ganz abge-
sehen davon, dass sie Kleider anzogen, sehr
rasch nach dem Erscheinen der Weissen ihre
alte Tracht veränderten.*) Das Bedürfnis,
sich gegen Blicke zu schützen, macht sich
am ersten fühlbar bei dem Zusammentreffen
mit fremden Männern, deren Begierde die
Frauen nicht reizen sollen.

Die Männer trugen um die Oberarme
und an den Unterschenkeln unter dem Knie
oder über den Knöcheln festgewebte und fest-
anschliessende bis 10 cm breite Bänder, die
seitlich mit den als ein freier Strang herab-
hängenden Endfäden zusammengeschnürt wurden, die Frauen dagegen knapp
fingerbreite Kniebänder aus Kautschuk, die scharf einschnitten und unter denen
die Haut überraschend hell war. Das Mädchen hatte einen dicken Wulst von
Glasperlen um den Hals.

Unsere ethnographische Ausbeute war sehr gering, um so geringer,
als die Paressí von dem Wenigen was sie mitgebracht, das Beste, namentlich

*) Ein sehr gutes Beispiel berichtet Prinz Wied von den Camacan. »Die Weiberschürze
besteht in einem künstlich mit feinen Schnüren übersponnenen Stricke, mit ein Paar grossen Quasten
an den Enden, von welchem eine Menge andere runde Schnüre herabhängen, um eine Schürze zu
bilden; der Strick wird von den Weibern um die Hüften gebunden und es sind diese Schürzen
das einzige Kleidungsstück derselben, da, wo sie noch in einem etwas rohen Zustande leben;
früher kannten sie auch dies noch nicht, sondern gingen völlig nackt, oder späterhin mit einem
um die Hüften gebundenen Stück Baumbast«. Reise nach Brasilien in den Jahren 1815—1817,
II p. 216. Da haben wir also die Reihenfolge: Nacktheit, Bastbinde, Fadenschürze, europäische
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[432/0496] ist nichts mehr von Verband oder Pelotte. Die Entwicklung, die wir am Schingú noch vermissen, ist also für die Frauen, nicht für die Männer vollzogen. Wir wissen aber auch nach dem Bericht des Antonio Pires, dass die alten Paressí — wenn wir auch dem tapfern Sklavenjäger, dessen Angaben den Eindruck der Wahrhaftigkeit machen, einige Uebertreibung zutrauen wollen — zahlreiche Ort- schaften mit einer dichten Bevölkerung hatten und sich in sozialen Dingen deshalb von den grossen Familien am Schingú schon unterscheiden konnten. Wie die Tracht der Paressí-Frauen ursprünglich ausgesehen hat, wäre wohl nur durch die Bekanntschaft mit »wilden« Paressí zu erfahren. In dem Dorf der von uns untersuchten Eingeborenen besteht seit anderthalb Jahrhunderten ein sehr viel engerer Verkehr mit den Brasiliern von Diamantino, da man die Leute zu [Abbildung] [Abbildung Abb. 125. Paressí-Mädchen.] Minenarbeiten und zur Tapajozschiffahrt ge- brauchte, als in den Dörfern der zahmen Bakaïrí, deren Frauen auch längst keine Uluris mehr tragen. Es ist vielfach in Brasilien geschehen, dass die Indianerinnen, ganz abge- sehen davon, dass sie Kleider anzogen, sehr rasch nach dem Erscheinen der Weissen ihre alte Tracht veränderten. *) Das Bedürfnis, sich gegen Blicke zu schützen, macht sich am ersten fühlbar bei dem Zusammentreffen mit fremden Männern, deren Begierde die Frauen nicht reizen sollen. Die Männer trugen um die Oberarme und an den Unterschenkeln unter dem Knie oder über den Knöcheln festgewebte und fest- anschliessende bis 10 cm breite Bänder, die seitlich mit den als ein freier Strang herab- hängenden Endfäden zusammengeschnürt wurden, die Frauen dagegen knapp fingerbreite Kniebänder aus Kautschuk, die scharf einschnitten und unter denen die Haut überraschend hell war. Das Mädchen hatte einen dicken Wulst von Glasperlen um den Hals. Unsere ethnographische Ausbeute war sehr gering, um so geringer, als die Paressí von dem Wenigen was sie mitgebracht, das Beste, namentlich *) Ein sehr gutes Beispiel berichtet Prinz Wied von den Camacan. »Die Weiberschürze besteht in einem künstlich mit feinen Schnüren übersponnenen Stricke, mit ein Paar grossen Quasten an den Enden, von welchem eine Menge andere runde Schnüre herabhängen, um eine Schürze zu bilden; der Strick wird von den Weibern um die Hüften gebunden und es sind diese Schürzen das einzige Kleidungsstück derselben, da, wo sie noch in einem etwas rohen Zustande leben; früher kannten sie auch dies noch nicht, sondern gingen völlig nackt, oder späterhin mit einem um die Hüften gebundenen Stück Baumbast«. Reise nach Brasilien in den Jahren 1815—1817, II p. 216. Da haben wir also die Reihenfolge: Nacktheit, Bastbinde, Fadenschürze, europäische Kleidung.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/496>, abgerufen am 22.11.2024.