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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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goldführendem Sand, assen marschbereit unsere Bohnen und warteten mit immer
neuer Spannung auf den ersten Laut der Klingel der Madrinha. Der gute
Schimmel erschien, hinter ihm kamen die Esel geschritten -- denn die schönen
Tage waren längst vorbei, als Januario mit dem Maissack raschelnd sein lockendes
"jo jo jo" ertönen liess und sie in Aufregung heraneilten und mit dem Vorderfuss
ungeduldig aufstampften -- eifrig zählten wir der Reihe entlang und dankten
unserm Schicksal, wenn keins der teuern Häupter fehlte und sich nicht einmal die
beiden Elpidios "versteckt" hatten. Gewöhnlich kamen sie in kleinen Abtheilungen
und nicht selten hatten sich einige erst eine Stunde weit oder mehr vom Lager ent-
fernt gefunden, wohin man ihre Spuren verfolgen musste. Die Tiere wurden jedes
an eine Stange oder ein Bäumchen gebunden, und die Avantgarde setzte sich in
Bewegung.

Rondonstrasse und letzter Teil des Weges. Es war am 25. August,
als wir die beiden Quellflüsse des Ronuro, den Bugio und den Jatoba möglichst
nahe ihrem Ursprung passiert hatten, und weiter östlich ziehend eine frische
Queimada bemerkten. Sie konnte nur von der Goldsucher-Expedition des
Cuyabaners Rondon herrühren: bald kreuzten wir in der That auch seinen nach
Norden gerichteten Weg, einen schmalen, aber von den Eseln festgetretenen
Graspfad. Rondon war also in das Gebiet des Jatoba und damit des Ronuro
vorgedrungen; dort hoffte er das Eldorado der Martyrios zu finden. Da er, wie
wir wussten, über die Fazenda S. Manoel gezogen war, denselben Weg, den wir
auf der heimreise von hier aus einschlagen wollten, so war es für uns von
grossem Interesse, darüber Näheres zu erfahren. Er konnte uns vielleicht beraten,
ob sein Weg auch in der Regenzeit, in der wir zurückkehrten, überall gangbar
und der Rio S. Manoel dann für unsere Truppe passierbar sein werde, wie weit
es ferner von hier noch bis zur Fazenda und wie jenseits derselben der Anstieg
auf die "Serra" beschaffen sei.

Die Rondonstrasse kreuzte sich mit unserm Wege rechtwinklig bei einem
freistehenden, verhältnismässig hohen Baum; er sollte die Sertaopost vermitteln.
Ich schrieb Abends auf dem Pouso am Westarm des Batovy meinen Brief, in
dem wir den Kollegen begrüssten und unsere Fragen formulierten, und legte ihn
nebst einem Bogen Papier und einem Bleistift in eine wasserdichte Blechbüchse.
Perrot und Januario ritten am nächsten Morgen zurück, nagelten die mit Leder-
riemen umschlossene Büchse an und befestigten kreuzweise darüber zwei Bambus-
stöcke mit flatternden Fähnchen. Das Terrain ringsum war bereits Queimada,
sodass man von einem Feuer nichts zu befürchten brauchte; der Baum wurde
noch gründlich markiert und aussen auf dem Briefkasten stand mit Tusche ge-
schrieben die Adresse: "Illmo Sr. Rondon."

Obgleich wir möglichst nach Süden gehalten hatten, fanden wir den West-
arm des Batovy doch bereits stärker als uns lieb war; er floss ausserdem
zwischen steilen Uferhängen, die abgestochen und mit einem Geländer flankiert

goldführendem Sand, assen marschbereit unsere Bohnen und warteten mit immer
neuer Spannung auf den ersten Laut der Klingel der Madrinha. Der gute
Schimmel erschien, hinter ihm kamen die Esel geschritten — denn die schönen
Tage waren längst vorbei, als Januario mit dem Maissack raschelnd sein lockendes
»jo jo jo« ertönen liess und sie in Aufregung heraneilten und mit dem Vorderfuss
ungeduldig aufstampften — eifrig zählten wir der Reihe entlang und dankten
unserm Schicksal, wenn keins der teuern Häupter fehlte und sich nicht einmal die
beiden Elpidios »versteckt« hatten. Gewöhnlich kamen sie in kleinen Abtheilungen
und nicht selten hatten sich einige erst eine Stunde weit oder mehr vom Lager ent-
fernt gefunden, wohin man ihre Spuren verfolgen musste. Die Tiere wurden jedes
an eine Stange oder ein Bäumchen gebunden, und die Avantgarde setzte sich in
Bewegung.

Rondonstrasse und letzter Teil des Weges. Es war am 25. August,
als wir die beiden Quellflüsse des Ronuro, den Bugio und den Jatobá möglichst
nahe ihrem Ursprung passiert hatten, und weiter östlich ziehend eine frische
Queimada bemerkten. Sie konnte nur von der Goldsucher-Expedition des
Cuyabaners Rondon herrühren: bald kreuzten wir in der That auch seinen nach
Norden gerichteten Weg, einen schmalen, aber von den Eseln festgetretenen
Graspfad. Rondon war also in das Gebiet des Jatobá und damit des Ronuro
vorgedrungen; dort hoffte er das Eldorado der Martyrios zu finden. Da er, wie
wir wussten, über die Fazenda S. Manoel gezogen war, denselben Weg, den wir
auf der heimreise von hier aus einschlagen wollten, so war es für uns von
grossem Interesse, darüber Näheres zu erfahren. Er konnte uns vielleicht beraten,
ob sein Weg auch in der Regenzeit, in der wir zurückkehrten, überall gangbar
und der Rio S. Manoel dann für unsere Truppe passierbar sein werde, wie weit
es ferner von hier noch bis zur Fazenda und wie jenseits derselben der Anstieg
auf die »Serra« beschaffen sei.

Die Rondonstrasse kreuzte sich mit unserm Wege rechtwinklig bei einem
freistehenden, verhältnismässig hohen Baum; er sollte die Sertãopost vermitteln.
Ich schrieb Abends auf dem Pouso am Westarm des Batovy meinen Brief, in
dem wir den Kollegen begrüssten und unsere Fragen formulierten, und legte ihn
nebst einem Bogen Papier und einem Bleistift in eine wasserdichte Blechbüchse.
Perrot und Januario ritten am nächsten Morgen zurück, nagelten die mit Leder-
riemen umschlossene Büchse an und befestigten kreuzweise darüber zwei Bambus-
stöcke mit flatternden Fähnchen. Das Terrain ringsum war bereits Queimada,
sodass man von einem Feuer nichts zu befürchten brauchte; der Baum wurde
noch gründlich markiert und aussen auf dem Briefkasten stand mit Tusche ge-
schrieben die Adresse: »Illm͇o͇ Sr. Rondon.«

Obgleich wir möglichst nach Süden gehalten hatten, fanden wir den West-
arm des Batovy doch bereits stärker als uns lieb war; er floss ausserdem
zwischen steilen Uferhängen, die abgestochen und mit einem Geländer flankiert

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[41/0067] goldführendem Sand, assen marschbereit unsere Bohnen und warteten mit immer neuer Spannung auf den ersten Laut der Klingel der Madrinha. Der gute Schimmel erschien, hinter ihm kamen die Esel geschritten — denn die schönen Tage waren längst vorbei, als Januario mit dem Maissack raschelnd sein lockendes »jo jo jo« ertönen liess und sie in Aufregung heraneilten und mit dem Vorderfuss ungeduldig aufstampften — eifrig zählten wir der Reihe entlang und dankten unserm Schicksal, wenn keins der teuern Häupter fehlte und sich nicht einmal die beiden Elpidios »versteckt« hatten. Gewöhnlich kamen sie in kleinen Abtheilungen und nicht selten hatten sich einige erst eine Stunde weit oder mehr vom Lager ent- fernt gefunden, wohin man ihre Spuren verfolgen musste. Die Tiere wurden jedes an eine Stange oder ein Bäumchen gebunden, und die Avantgarde setzte sich in Bewegung. Rondonstrasse und letzter Teil des Weges. Es war am 25. August, als wir die beiden Quellflüsse des Ronuro, den Bugio und den Jatobá möglichst nahe ihrem Ursprung passiert hatten, und weiter östlich ziehend eine frische Queimada bemerkten. Sie konnte nur von der Goldsucher-Expedition des Cuyabaners Rondon herrühren: bald kreuzten wir in der That auch seinen nach Norden gerichteten Weg, einen schmalen, aber von den Eseln festgetretenen Graspfad. Rondon war also in das Gebiet des Jatobá und damit des Ronuro vorgedrungen; dort hoffte er das Eldorado der Martyrios zu finden. Da er, wie wir wussten, über die Fazenda S. Manoel gezogen war, denselben Weg, den wir auf der heimreise von hier aus einschlagen wollten, so war es für uns von grossem Interesse, darüber Näheres zu erfahren. Er konnte uns vielleicht beraten, ob sein Weg auch in der Regenzeit, in der wir zurückkehrten, überall gangbar und der Rio S. Manoel dann für unsere Truppe passierbar sein werde, wie weit es ferner von hier noch bis zur Fazenda und wie jenseits derselben der Anstieg auf die »Serra« beschaffen sei. Die Rondonstrasse kreuzte sich mit unserm Wege rechtwinklig bei einem freistehenden, verhältnismässig hohen Baum; er sollte die Sertãopost vermitteln. Ich schrieb Abends auf dem Pouso am Westarm des Batovy meinen Brief, in dem wir den Kollegen begrüssten und unsere Fragen formulierten, und legte ihn nebst einem Bogen Papier und einem Bleistift in eine wasserdichte Blechbüchse. Perrot und Januario ritten am nächsten Morgen zurück, nagelten die mit Leder- riemen umschlossene Büchse an und befestigten kreuzweise darüber zwei Bambus- stöcke mit flatternden Fähnchen. Das Terrain ringsum war bereits Queimada, sodass man von einem Feuer nichts zu befürchten brauchte; der Baum wurde noch gründlich markiert und aussen auf dem Briefkasten stand mit Tusche ge- schrieben die Adresse: »Illm͇o͇ Sr. Rondon.« Obgleich wir möglichst nach Süden gehalten hatten, fanden wir den West- arm des Batovy doch bereits stärker als uns lieb war; er floss ausserdem zwischen steilen Uferhängen, die abgestochen und mit einem Geländer flankiert

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/67>, abgerufen am 26.11.2024.