zeichnungen erfinden; es gab, wie immer, eine Alte, die sehr viel zu sagen hatte, und die mit. ihrem dürren runzligen Körper nicht gerade schön war, die "Stamm- hexe", Paleko's Gattin (vgl. Tafel 5 links). Ihr Gegenstück war ihre Enkelin "Eva", Tumayaua's Tochter, Mutter zweier Kinder und die jugendliche Frau des musku- lösen, prachtvoll stämmig gebauten Kulekule, der mir, ehe ich seinen Namen wusste, würdig erschien, in diesem kleinen Paradiese "Adam" zu heissen und sich auch einer schön gelbrötlichen Lehmfarbe erfreute. Eva hatte ein fein geschnittenes europäisches Gesicht mit vollen Lippen, leicht errötenden Wangen, die dicht von welligem Haar umrahmt waren, und den schönsten Augen, die ich in Brasilien -- und das will nicht wenig bedeuten -- gesehen habe, grossen Augen, deren lieb-
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Abb. 2.
"Eva", Tumayaua's Tochter.
licher Blick garnichts von Koketterie enthielt, in deren strahlendem Feuer aber doch bei einem vollen, naiv zärtlichen Aufschlag jener Funke schuldloser Lüsternheit aufleuchtete, der einst den ewigen Weltbrand entzündet haben muss; so sah sie bei einem von keiner Einschnürung jemals misshandelten Körper wirklich wie eine junge Mutter Eva aus. Leider schuppte sie sich gar zu oft auf dem Kopfe und wenn dies auch zuweilen aus Verlegenheit geschehen mochte, so hatten doch Läuschen daran ihren sichtbaren Anteil.
Die etwa 12 jährige Freundin Eva's, "meine Zukünftige" (Tafel 5 die dritte von rechts), pflegte sie hervorzuholen und zu essen. Dieser gehörte überhaupt alles Gute im Dorfe und viele Perlen, die ich Andern geschenkt hatte, fand ich später an ihrem Hals. Sie war das Töchterlein des verstorbenen Häuptlings und seine
zeichnungen erfinden; es gab, wie immer, eine Alte, die sehr viel zu sagen hatte, und die mit. ihrem dürren runzligen Körper nicht gerade schön war, die »Stamm- hexe«, Paleko’s Gattin (vgl. Tafel 5 links). Ihr Gegenstück war ihre Enkelin »Eva«, Tumayaua’s Tochter, Mutter zweier Kinder und die jugendliche Frau des musku- lösen, prachtvoll stämmig gebauten Kulekule, der mir, ehe ich seinen Namen wusste, würdig erschien, in diesem kleinen Paradiese »Adam« zu heissen und sich auch einer schön gelbrötlichen Lehmfarbe erfreute. Eva hatte ein fein geschnittenes europäisches Gesicht mit vollen Lippen, leicht errötenden Wangen, die dicht von welligem Haar umrahmt waren, und den schönsten Augen, die ich in Brasilien — und das will nicht wenig bedeuten — gesehen habe, grossen Augen, deren lieb-
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»Eva«, Tumayaua’s Tochter.
licher Blick garnichts von Koketterie enthielt, in deren strahlendem Feuer aber doch bei einem vollen, naiv zärtlichen Aufschlag jener Funke schuldloser Lüsternheit aufleuchtete, der einst den ewigen Weltbrand entzündet haben muss; so sah sie bei einem von keiner Einschnürung jemals misshandelten Körper wirklich wie eine junge Mutter Eva aus. Leider schuppte sie sich gar zu oft auf dem Kopfe und wenn dies auch zuweilen aus Verlegenheit geschehen mochte, so hatten doch Läuschen daran ihren sichtbaren Anteil.
Die etwa 12 jährige Freundin Eva’s, »meine Zukünftige« (Tafel 5 die dritte von rechts), pflegte sie hervorzuholen und zu essen. Dieser gehörte überhaupt alles Gute im Dorfe und viele Perlen, die ich Andern geschenkt hatte, fand ich später an ihrem Hals. Sie war das Töchterlein des verstorbenen Häuptlings und seine
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zeichnungen erfinden; es gab, wie immer, eine Alte, die sehr viel zu sagen hatte,
und die mit. ihrem dürren runzligen Körper nicht gerade schön war, die »Stamm-
hexe«, Paleko’s Gattin (vgl. Tafel 5 links). Ihr Gegenstück war ihre Enkelin »Eva«,
Tumayaua’s Tochter, Mutter zweier Kinder und die jugendliche Frau des musku-
lösen, prachtvoll stämmig gebauten Kulekule, der mir, ehe ich seinen Namen wusste,
würdig erschien, in diesem kleinen Paradiese »Adam« zu heissen und sich auch
einer schön gelbrötlichen Lehmfarbe erfreute. Eva hatte ein fein geschnittenes
europäisches Gesicht mit vollen Lippen, leicht errötenden Wangen, die dicht von
welligem Haar umrahmt waren, und den schönsten Augen, die ich in Brasilien —
und das will nicht wenig bedeuten — gesehen habe, grossen Augen, deren lieb-
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[Abbildung Abb. 2. »Eva«, Tumayaua’s Tochter.]
licher Blick garnichts von Koketterie enthielt, in deren strahlendem Feuer aber
doch bei einem vollen, naiv zärtlichen Aufschlag jener Funke schuldloser Lüsternheit
aufleuchtete, der einst den ewigen Weltbrand entzündet haben muss; so sah sie
bei einem von keiner Einschnürung jemals misshandelten Körper wirklich wie eine
junge Mutter Eva aus. Leider schuppte sie sich gar zu oft auf dem Kopfe und
wenn dies auch zuweilen aus Verlegenheit geschehen mochte, so hatten doch
Läuschen daran ihren sichtbaren Anteil.
Die etwa 12 jährige Freundin Eva’s, »meine Zukünftige« (Tafel 5 die dritte
von rechts), pflegte sie hervorzuholen und zu essen. Dieser gehörte überhaupt
alles Gute im Dorfe und viele Perlen, die ich Andern geschenkt hatte, fand ich
später an ihrem Hals. Sie war das Töchterlein des verstorbenen Häuptlings und seine
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/86>, abgerufen am 25.11.2024.
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