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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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tung der Kategorien gemacht; aber sie läßt sich, ohne ihr Ge-
walt anzuthun, viel weiter ausdehnen, und fordert dies sogar.
Denn die subjectivirende Richtung der Sprache wird tausend-
fach mit der objectiven Richtung der Logik und Erkenntniß in
Zwiespalt gerathen. So erlangen wir hier einen Blick in die
Möglichkeit der Grammatik als einer von der Logik unterschie-
denen Disciplin. Becker darf sich auf diese subjectivirende Rich-
tung der Sprache nicht berufen; denn ist die Sprache die or-
ganische Verleiblichung, das Organ des Denkens, so ist sie an
sich das objective Denken selbst, und es kann in ihr keine sub-
jectivirende Richtung herrschen. Mit der obigen Bemerkung
Trendelenburgs ist der Beckersche Gedankenkreis vollständig
durchbrochen; wir sind aus dem Gebiete objectiver Verleibli-
chung herausgehoben und in das subjective Gebiet der mensch-
lich-geistigen Thätigkeit versetzt.

§. 49. Die logische Grammatik bei Humboldt.

Um aber volle Klarheit über das Wesen dieser vermitteln-
den Ansicht zu gewinnen, müssen wir uns doch an Humboldt
wenden, der wohl ihr vorzüglichster Vertreter genannt werden
muß. Nur müssen wir sogleich hier bemerken, daß nicht auch
umgekehrt diese Vermittlung die vorzüglichste Seite Humboldts
ist, wie sie denn auch nur in seiner ersten Abhandlung über
das vergleichende Sprachstudium ausgesprochen ist, in der Ein-
leitung in die Kawi-Sprache aber durchaus zurücktritt. Doch
läßt sich auch andererseits nicht sagen, daß Humboldt dieselbe
jemals aufgegeben habe. Sie scheint mir nun folgende zu sein.

Die Kategorien der Sprache sind dem größten Theile nach
logischen Wesens, allgemeine Denk- und Anschauungsformen,
die ein abgeschlossenes System bilden. Dieses System aber der
grammatischen oder grammatisch-logischen Formen gehört, eben
weil es ein logisches ist, gar nicht der Sprachwissenschaft an,
wenigstens noch nicht eigentlich und streng genommen; sondern
es bildet ihren allgemeinen Hintergrund. Es enthält die Lehn-
sätze aus der Logik, welche der Sprachwissenschaft unerläßlich
sind. Das ist es nun, was man philosophische oder allgemeine
Grammatik nennen mag, was aber noch gar nicht Grammatik
ist, sondern nur eine Zusammenstellung der logischen Katego-
rien, welche für die Grammatik in Betracht kommen. Anderer-
seits aber ist dieses Kategoriensystem doch auch nicht mehr
rein logisch; denn es enthält nicht bloß reine Lehnsätze aus

tung der Kategorien gemacht; aber sie läßt sich, ohne ihr Ge-
walt anzuthun, viel weiter ausdehnen, und fordert dies sogar.
Denn die subjectivirende Richtung der Sprache wird tausend-
fach mit der objectiven Richtung der Logik und Erkenntniß in
Zwiespalt gerathen. So erlangen wir hier einen Blick in die
Möglichkeit der Grammatik als einer von der Logik unterschie-
denen Disciplin. Becker darf sich auf diese subjectivirende Rich-
tung der Sprache nicht berufen; denn ist die Sprache die or-
ganische Verleiblichung, das Organ des Denkens, so ist sie an
sich das objective Denken selbst, und es kann in ihr keine sub-
jectivirende Richtung herrschen. Mit der obigen Bemerkung
Trendelenburgs ist der Beckersche Gedankenkreis vollständig
durchbrochen; wir sind aus dem Gebiete objectiver Verleibli-
chung herausgehoben und in das subjective Gebiet der mensch-
lich-geistigen Thätigkeit versetzt.

§. 49. Die logische Grammatik bei Humboldt.

Um aber volle Klarheit über das Wesen dieser vermitteln-
den Ansicht zu gewinnen, müssen wir uns doch an Humboldt
wenden, der wohl ihr vorzüglichster Vertreter genannt werden
muß. Nur müssen wir sogleich hier bemerken, daß nicht auch
umgekehrt diese Vermittlung die vorzüglichste Seite Humboldts
ist, wie sie denn auch nur in seiner ersten Abhandlung über
das vergleichende Sprachstudium ausgesprochen ist, in der Ein-
leitung in die Kawi-Sprache aber durchaus zurücktritt. Doch
läßt sich auch andererseits nicht sagen, daß Humboldt dieselbe
jemals aufgegeben habe. Sie scheint mir nun folgende zu sein.

Die Kategorien der Sprache sind dem größten Theile nach
logischen Wesens, allgemeine Denk- und Anschauungsformen,
die ein abgeschlossenes System bilden. Dieses System aber der
grammatischen oder grammatisch-logischen Formen gehört, eben
weil es ein logisches ist, gar nicht der Sprachwissenschaft an,
wenigstens noch nicht eigentlich und streng genommen; sondern
es bildet ihren allgemeinen Hintergrund. Es enthält die Lehn-
sätze aus der Logik, welche der Sprachwissenschaft unerläßlich
sind. Das ist es nun, was man philosophische oder allgemeine
Grammatik nennen mag, was aber noch gar nicht Grammatik
ist, sondern nur eine Zusammenstellung der logischen Katego-
rien, welche für die Grammatik in Betracht kommen. Anderer-
seits aber ist dieses Kategoriensystem doch auch nicht mehr
rein logisch; denn es enthält nicht bloß reine Lehnsätze aus

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[118/0156] tung der Kategorien gemacht; aber sie läßt sich, ohne ihr Ge- walt anzuthun, viel weiter ausdehnen, und fordert dies sogar. Denn die subjectivirende Richtung der Sprache wird tausend- fach mit der objectiven Richtung der Logik und Erkenntniß in Zwiespalt gerathen. So erlangen wir hier einen Blick in die Möglichkeit der Grammatik als einer von der Logik unterschie- denen Disciplin. Becker darf sich auf diese subjectivirende Rich- tung der Sprache nicht berufen; denn ist die Sprache die or- ganische Verleiblichung, das Organ des Denkens, so ist sie an sich das objective Denken selbst, und es kann in ihr keine sub- jectivirende Richtung herrschen. Mit der obigen Bemerkung Trendelenburgs ist der Beckersche Gedankenkreis vollständig durchbrochen; wir sind aus dem Gebiete objectiver Verleibli- chung herausgehoben und in das subjective Gebiet der mensch- lich-geistigen Thätigkeit versetzt. §. 49. Die logische Grammatik bei Humboldt. Um aber volle Klarheit über das Wesen dieser vermitteln- den Ansicht zu gewinnen, müssen wir uns doch an Humboldt wenden, der wohl ihr vorzüglichster Vertreter genannt werden muß. Nur müssen wir sogleich hier bemerken, daß nicht auch umgekehrt diese Vermittlung die vorzüglichste Seite Humboldts ist, wie sie denn auch nur in seiner ersten Abhandlung über das vergleichende Sprachstudium ausgesprochen ist, in der Ein- leitung in die Kawi-Sprache aber durchaus zurücktritt. Doch läßt sich auch andererseits nicht sagen, daß Humboldt dieselbe jemals aufgegeben habe. Sie scheint mir nun folgende zu sein. Die Kategorien der Sprache sind dem größten Theile nach logischen Wesens, allgemeine Denk- und Anschauungsformen, die ein abgeschlossenes System bilden. Dieses System aber der grammatischen oder grammatisch-logischen Formen gehört, eben weil es ein logisches ist, gar nicht der Sprachwissenschaft an, wenigstens noch nicht eigentlich und streng genommen; sondern es bildet ihren allgemeinen Hintergrund. Es enthält die Lehn- sätze aus der Logik, welche der Sprachwissenschaft unerläßlich sind. Das ist es nun, was man philosophische oder allgemeine Grammatik nennen mag, was aber noch gar nicht Grammatik ist, sondern nur eine Zusammenstellung der logischen Katego- rien, welche für die Grammatik in Betracht kommen. Anderer- seits aber ist dieses Kategoriensystem doch auch nicht mehr rein logisch; denn es enthält nicht bloß reine Lehnsätze aus

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/156>, abgerufen am 23.11.2024.