sein; denn der Gegensatz ist eben das Erzeugniß der innersten Natur, oder noch wahrer: das entgegengesetzte Wesen ist Er- zeugniß der Einheit, welche im Gegensatze die Glieder dessel- ben schuf. Was also einen andern Gegensatz hat, als etwas anderes, ist aus einem andern Wesen, als dieses andere entsprun- gen, um ein anderes Wesen als jenes zu sein. Also ist das lo- gische Subject und Prädicat, und die Substanz und das Attri- but der Metaphysik anderer Natur, als das grammatische Sub- ject, Prädicat und Attribut; und diese lassen sich nicht mit und nicht aus jenen begreifen.
Becker, immer metaphysischer Logiker, hat darum nichts von dem grammatischen Prädicat und Attribut begriffen, nichts von der Copula. Er sagt ausdrücklich (§. 50. S. 198.): "Die attributive Beziehung ist mit der prädicativen ein und dasselbe Verhältniß der Begriffe zu einander, nämlich die Einheit des Seins mit der von ihm prädicirten Thätigkeit. Wenn auch Thä- tigkeit und Sein in dem einen Verhältnisse zu einem Gedan- ken, und in dem andern zu einem Begriffe verbunden wer- den; so ist darum die Beziehung der Begriffe zu einander nicht eigentlich unterschieden" -- "nicht eigentlich!" d. h. nicht logisch. Wie ist es denn möglich, daß dieselbe Beziehung der Begriffe dort einen Gedanken, hier einen Begriff giebt? kann dieselbe Ursache verschiedene Wirkungen haben? Wenn die Beziehung der Wörter nur als logische Beziehung der Begriffe aufgefaßt wird, so ist allerdings die Beziehung im prädicativen und attributiven Verhältnisse dieselbe; dann existirt dieser Un- terschied von Prädicat und Attribut nicht.
Noch übler, als wir hier gesehen haben, gelingt Becker der Versuch, Prädicat und Attribut zu unterscheiden, an einer andern Stelle -- denn er wiederholt sich ja beständig -- (§. 60. S. 229.): "Die organische Gestaltung des ganzen Satzes besteht darin, daß in ihm ein Allgemeines mit einem Besondern in dem Gegensatze von Thätigkeit und Sein zu einer organischen Ein- heit verbunden ist, und daß sich bei der Entwickelung des Satzes in jedem besondern Verhältnisse dieser zu einer Einheit verbundene Gegensatz wiederholt." Wir wissen ja schon längst, daß bei Becker Entwickelung nichts anderes ist als Wiederho- lung, und der unendliche Schöpfer ein unaufhörlicher Tautolog. Ob ein nichtsthuender Gott mehr Langeweile haben kann, als der Beckersche repetirende? -- "Der ganze Satz drückt die
sein; denn der Gegensatz ist eben das Erzeugniß der innersten Natur, oder noch wahrer: das entgegengesetzte Wesen ist Er- zeugniß der Einheit, welche im Gegensatze die Glieder dessel- ben schuf. Was also einen andern Gegensatz hat, als etwas anderes, ist aus einem andern Wesen, als dieses andere entsprun- gen, um ein anderes Wesen als jenes zu sein. Also ist das lo- gische Subject und Prädicat, und die Substanz und das Attri- but der Metaphysik anderer Natur, als das grammatische Sub- ject, Prädicat und Attribut; und diese lassen sich nicht mit und nicht aus jenen begreifen.
Becker, immer metaphysischer Logiker, hat darum nichts von dem grammatischen Prädicat und Attribut begriffen, nichts von der Copula. Er sagt ausdrücklich (§. 50. S. 198.): „Die attributive Beziehung ist mit der prädicativen ein und dasselbe Verhältniß der Begriffe zu einander, nämlich die Einheit des Seins mit der von ihm prädicirten Thätigkeit. Wenn auch Thä- tigkeit und Sein in dem einen Verhältnisse zu einem Gedan- ken, und in dem andern zu einem Begriffe verbunden wer- den; so ist darum die Beziehung der Begriffe zu einander nicht eigentlich unterschieden“ — „nicht eigentlich!“ d. h. nicht logisch. Wie ist es denn möglich, daß dieselbe Beziehung der Begriffe dort einen Gedanken, hier einen Begriff giebt? kann dieselbe Ursache verschiedene Wirkungen haben? Wenn die Beziehung der Wörter nur als logische Beziehung der Begriffe aufgefaßt wird, so ist allerdings die Beziehung im prädicativen und attributiven Verhältnisse dieselbe; dann existirt dieser Un- terschied von Prädicat und Attribut nicht.
Noch übler, als wir hier gesehen haben, gelingt Becker der Versuch, Prädicat und Attribut zu unterscheiden, an einer andern Stelle — denn er wiederholt sich ja beständig — (§. 60. S. 229.): „Die organische Gestaltung des ganzen Satzes besteht darin, daß in ihm ein Allgemeines mit einem Besondern in dem Gegensatze von Thätigkeit und Sein zu einer organischen Ein- heit verbunden ist, und daß sich bei der Entwickelung des Satzes in jedem besondern Verhältnisse dieser zu einer Einheit verbundene Gegensatz wiederholt.“ Wir wissen ja schon längst, daß bei Becker Entwickelung nichts anderes ist als Wiederho- lung, und der unendliche Schöpfer ein unaufhörlicher Tautolog. Ob ein nichtsthuender Gott mehr Langeweile haben kann, als der Beckersche repetirende? — „Der ganze Satz drückt die
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Natur, oder noch wahrer: das entgegengesetzte Wesen ist Er-
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ben schuf. Was also einen andern Gegensatz hat, als etwas
anderes, ist aus einem andern Wesen, als dieses andere entsprun-
gen, um ein anderes Wesen als jenes zu sein. Also ist das lo-
gische Subject und Prädicat, und die Substanz und das Attri-
but der Metaphysik anderer Natur, als das grammatische Sub-
ject, Prädicat und Attribut; und diese lassen sich nicht mit und
nicht aus jenen begreifen.
Becker, immer metaphysischer Logiker, hat darum nichts
von dem grammatischen Prädicat und Attribut begriffen, nichts
von der Copula. Er sagt ausdrücklich (§. 50. S. 198.): „Die
attributive Beziehung ist mit der prädicativen ein und dasselbe
Verhältniß der Begriffe zu einander, nämlich die Einheit des
Seins mit der von ihm prädicirten Thätigkeit. Wenn auch Thä-
tigkeit und Sein in dem einen Verhältnisse zu einem Gedan-
ken, und in dem andern zu einem Begriffe verbunden wer-
den; so ist darum die Beziehung der Begriffe zu einander
nicht eigentlich unterschieden“ — „nicht eigentlich!“ d. h. nicht
logisch. Wie ist es denn möglich, daß dieselbe Beziehung
der Begriffe dort einen Gedanken, hier einen Begriff giebt? kann
dieselbe Ursache verschiedene Wirkungen haben? Wenn die
Beziehung der Wörter nur als logische Beziehung der Begriffe
aufgefaßt wird, so ist allerdings die Beziehung im prädicativen
und attributiven Verhältnisse dieselbe; dann existirt dieser Un-
terschied von Prädicat und Attribut nicht.
Noch übler, als wir hier gesehen haben, gelingt Becker
der Versuch, Prädicat und Attribut zu unterscheiden, an einer
andern Stelle — denn er wiederholt sich ja beständig — (§. 60.
S. 229.): „Die organische Gestaltung des ganzen Satzes besteht
darin, daß in ihm ein Allgemeines mit einem Besondern in dem
Gegensatze von Thätigkeit und Sein zu einer organischen Ein-
heit verbunden ist, und daß sich bei der Entwickelung des
Satzes in jedem besondern Verhältnisse dieser zu einer Einheit
verbundene Gegensatz wiederholt.“ Wir wissen ja schon längst,
daß bei Becker Entwickelung nichts anderes ist als Wiederho-
lung, und der unendliche Schöpfer ein unaufhörlicher Tautolog.
Ob ein nichtsthuender Gott mehr Langeweile haben kann, als
der Beckersche repetirende? — „Der ganze Satz drückt die
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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