eine andere äußere oder innere Beziehung zeigen), durch seine Reproduction bewirkt, daß auch das andere zugleich mit repro- ducirt wird; oder daß eine Bewegung zugleich noch eine an- dere erzeugt, sei es aus Ungeschicklichkeit oder Gewohnheit; oder daß ein Gedachtes und eine Bewegung sich gegenseitig hervorrufen, und zwar ohne Willen und bewußte Absicht. Un- ter Reflexion versteht man die Erscheinung, daß eine Ner- venerregung, die zum Gehirn oder Rückenmark geleitet worden ist, daselbst nicht endet, sondern von da aus auf andere Nerven übergeht. Reflexion ist also z. B. die Uebertragung der Erre- gung eines Empfindungsnerven vermittelst des Gehirns auf ei- nen Bewegungsnerven. Sie thut sich dadurch kund, daß auf gewisse Empfindungen oder Bewegungen nach dem Gesetze der Nervenmechanik unausbleiblich noch eine andere Bewegung er- folgt. Diese Uebertragung geschieht allemal ohne Absicht, oft gegen die Absicht, nach bloßen Naturgesetzen. Die Associa- tion der Bewegung sowohl mit andern Bewegungen, als mit Vor- stellungen mag von der Uebertragung nicht immer bestimmt zu unterscheiden sein. Im Allgemeinen aber wird es genügen zu bemerken, daß die Association ursprünglich zwar ebenfalls be- wußtlos geschieht, aber durch Absicht eben so wohl entwickelt, als auch aufgehoben werden kann; daß sie nicht unvermeidlich ist, sondern durch Zufall und Absicht erzeugt und gestört wer- den kann. Associationen sind oft nur übele Angewohnheiten, welche bei höherer Bildung nicht vorkommen. Leute, deren Hand leichter den Pflug und ein Gespann, als die Feder regiert, verzerren beim Schreiben das Gesicht gar wunderlich. Ueber- haupt bewegt der Ungebildete immer Massen von Nerven oder Gliedern, während der Gebildete gelernt hat, nur das jedesmal nothwendige Glied zu bewegen. Die Associationen sind theils nützlich und zweckmäßig, theils unnütz und zweckwidrig; er- stere hat man sich anzueignen, von letztern sich loszumachen. Das Klavierspiel und jedes geschickt geübte Handwerk liefert Beispiele von abgewöhnter und angelernter Association, von iso- lirter und combinirter Seelenerregung, die zur zweiten Natur geworden sind. Die Uebertragung dagegen, die weder gelernt, noch abgewöhnt wird, scheint auch immer zweckmäßig zu sein, selbst in den Fällen, wo sie unnütz erscheint, weil eine zu große fremde Gewalt den Zweck nicht erreichen läßt. Soviel im All- gemeinen. Nun einiges Nähere, wobei uns besonders die Ver-
eine andere äußere oder innere Beziehung zeigen), durch seine Reproduction bewirkt, daß auch das andere zugleich mit repro- ducirt wird; oder daß eine Bewegung zugleich noch eine an- dere erzeugt, sei es aus Ungeschicklichkeit oder Gewohnheit; oder daß ein Gedachtes und eine Bewegung sich gegenseitig hervorrufen, und zwar ohne Willen und bewußte Absicht. Un- ter Reflexion versteht man die Erscheinung, daß eine Ner- venerregung, die zum Gehirn oder Rückenmark geleitet worden ist, daselbst nicht endet, sondern von da aus auf andere Nerven übergeht. Reflexion ist also z. B. die Uebertragung der Erre- gung eines Empfindungsnerven vermittelst des Gehirns auf ei- nen Bewegungsnerven. Sie thut sich dadurch kund, daß auf gewisse Empfindungen oder Bewegungen nach dem Gesetze der Nervenmechanik unausbleiblich noch eine andere Bewegung er- folgt. Diese Uebertragung geschieht allemal ohne Absicht, oft gegen die Absicht, nach bloßen Naturgesetzen. Die Associa- tion der Bewegung sowohl mit andern Bewegungen, als mit Vor- stellungen mag von der Uebertragung nicht immer bestimmt zu unterscheiden sein. Im Allgemeinen aber wird es genügen zu bemerken, daß die Association ursprünglich zwar ebenfalls be- wußtlos geschieht, aber durch Absicht eben so wohl entwickelt, als auch aufgehoben werden kann; daß sie nicht unvermeidlich ist, sondern durch Zufall und Absicht erzeugt und gestört wer- den kann. Associationen sind oft nur übele Angewohnheiten, welche bei höherer Bildung nicht vorkommen. Leute, deren Hand leichter den Pflug und ein Gespann, als die Feder regiert, verzerren beim Schreiben das Gesicht gar wunderlich. Ueber- haupt bewegt der Ungebildete immer Massen von Nerven oder Gliedern, während der Gebildete gelernt hat, nur das jedesmal nothwendige Glied zu bewegen. Die Associationen sind theils nützlich und zweckmäßig, theils unnütz und zweckwidrig; er- stere hat man sich anzueignen, von letztern sich loszumachen. Das Klavierspiel und jedes geschickt geübte Handwerk liefert Beispiele von abgewöhnter und angelernter Association, von iso- lirter und combinirter Seelenerregung, die zur zweiten Natur geworden sind. Die Uebertragung dagegen, die weder gelernt, noch abgewöhnt wird, scheint auch immer zweckmäßig zu sein, selbst in den Fällen, wo sie unnütz erscheint, weil eine zu große fremde Gewalt den Zweck nicht erreichen läßt. Soviel im All- gemeinen. Nun einiges Nähere, wobei uns besonders die Ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0285"n="247"/>
eine andere äußere oder innere Beziehung zeigen), durch seine<lb/>
Reproduction bewirkt, daß auch das andere zugleich mit repro-<lb/>
ducirt wird; oder daß eine Bewegung zugleich noch eine an-<lb/>
dere erzeugt, sei es aus Ungeschicklichkeit oder Gewohnheit;<lb/>
oder daß ein Gedachtes und eine Bewegung sich gegenseitig<lb/>
hervorrufen, und zwar ohne Willen und bewußte Absicht. Un-<lb/>
ter <hirendition="#g">Reflexion</hi> versteht man die Erscheinung, daß eine Ner-<lb/>
venerregung, die zum Gehirn oder Rückenmark geleitet worden<lb/>
ist, daselbst nicht endet, sondern von da aus auf andere Nerven<lb/>
übergeht. Reflexion ist also z. B. die Uebertragung der Erre-<lb/>
gung eines Empfindungsnerven vermittelst des Gehirns auf ei-<lb/>
nen Bewegungsnerven. Sie thut sich dadurch kund, daß auf<lb/>
gewisse Empfindungen oder Bewegungen nach dem Gesetze der<lb/>
Nervenmechanik unausbleiblich noch eine andere Bewegung er-<lb/>
folgt. Diese Uebertragung geschieht allemal ohne Absicht, oft<lb/>
gegen die Absicht, nach bloßen Naturgesetzen. Die Associa-<lb/>
tion der Bewegung sowohl mit andern Bewegungen, als mit Vor-<lb/>
stellungen mag von der Uebertragung nicht immer bestimmt zu<lb/>
unterscheiden sein. Im Allgemeinen aber wird es genügen zu<lb/>
bemerken, daß die Association ursprünglich zwar ebenfalls be-<lb/>
wußtlos geschieht, aber durch Absicht eben so wohl entwickelt,<lb/>
als auch aufgehoben werden kann; daß sie nicht unvermeidlich<lb/>
ist, sondern durch Zufall und Absicht erzeugt und gestört wer-<lb/>
den kann. Associationen sind oft nur übele Angewohnheiten,<lb/>
welche bei höherer Bildung nicht vorkommen. Leute, deren<lb/>
Hand leichter den Pflug und ein Gespann, als die Feder regiert,<lb/>
verzerren beim Schreiben das Gesicht gar wunderlich. Ueber-<lb/>
haupt bewegt der Ungebildete immer Massen von Nerven oder<lb/>
Gliedern, während der Gebildete gelernt hat, nur das jedesmal<lb/>
nothwendige Glied zu bewegen. Die Associationen sind theils<lb/>
nützlich und zweckmäßig, theils unnütz und zweckwidrig; er-<lb/>
stere hat man sich anzueignen, von letztern sich loszumachen.<lb/>
Das Klavierspiel und jedes geschickt geübte Handwerk liefert<lb/>
Beispiele von abgewöhnter und angelernter Association, von iso-<lb/>
lirter und combinirter Seelenerregung, die zur zweiten Natur<lb/>
geworden sind. Die Uebertragung dagegen, die weder gelernt,<lb/>
noch abgewöhnt wird, scheint auch immer zweckmäßig zu sein,<lb/>
selbst in den Fällen, wo sie unnütz erscheint, weil eine zu große<lb/>
fremde Gewalt den Zweck nicht erreichen läßt. Soviel im All-<lb/>
gemeinen. Nun einiges Nähere, wobei uns besonders die Ver-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[247/0285]
eine andere äußere oder innere Beziehung zeigen), durch seine
Reproduction bewirkt, daß auch das andere zugleich mit repro-
ducirt wird; oder daß eine Bewegung zugleich noch eine an-
dere erzeugt, sei es aus Ungeschicklichkeit oder Gewohnheit;
oder daß ein Gedachtes und eine Bewegung sich gegenseitig
hervorrufen, und zwar ohne Willen und bewußte Absicht. Un-
ter Reflexion versteht man die Erscheinung, daß eine Ner-
venerregung, die zum Gehirn oder Rückenmark geleitet worden
ist, daselbst nicht endet, sondern von da aus auf andere Nerven
übergeht. Reflexion ist also z. B. die Uebertragung der Erre-
gung eines Empfindungsnerven vermittelst des Gehirns auf ei-
nen Bewegungsnerven. Sie thut sich dadurch kund, daß auf
gewisse Empfindungen oder Bewegungen nach dem Gesetze der
Nervenmechanik unausbleiblich noch eine andere Bewegung er-
folgt. Diese Uebertragung geschieht allemal ohne Absicht, oft
gegen die Absicht, nach bloßen Naturgesetzen. Die Associa-
tion der Bewegung sowohl mit andern Bewegungen, als mit Vor-
stellungen mag von der Uebertragung nicht immer bestimmt zu
unterscheiden sein. Im Allgemeinen aber wird es genügen zu
bemerken, daß die Association ursprünglich zwar ebenfalls be-
wußtlos geschieht, aber durch Absicht eben so wohl entwickelt,
als auch aufgehoben werden kann; daß sie nicht unvermeidlich
ist, sondern durch Zufall und Absicht erzeugt und gestört wer-
den kann. Associationen sind oft nur übele Angewohnheiten,
welche bei höherer Bildung nicht vorkommen. Leute, deren
Hand leichter den Pflug und ein Gespann, als die Feder regiert,
verzerren beim Schreiben das Gesicht gar wunderlich. Ueber-
haupt bewegt der Ungebildete immer Massen von Nerven oder
Gliedern, während der Gebildete gelernt hat, nur das jedesmal
nothwendige Glied zu bewegen. Die Associationen sind theils
nützlich und zweckmäßig, theils unnütz und zweckwidrig; er-
stere hat man sich anzueignen, von letztern sich loszumachen.
Das Klavierspiel und jedes geschickt geübte Handwerk liefert
Beispiele von abgewöhnter und angelernter Association, von iso-
lirter und combinirter Seelenerregung, die zur zweiten Natur
geworden sind. Die Uebertragung dagegen, die weder gelernt,
noch abgewöhnt wird, scheint auch immer zweckmäßig zu sein,
selbst in den Fällen, wo sie unnütz erscheint, weil eine zu große
fremde Gewalt den Zweck nicht erreichen läßt. Soviel im All-
gemeinen. Nun einiges Nähere, wobei uns besonders die Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/285>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.