Vorstellungen verursachten Gefühle erzeugen, wie die auf die Wirklichkeit begründeten Gefühle, neue Bewegungen. Für alles dies finden sich in dem genannten Werke noch viele lehrreiche Beispiele und Betrachtungen, von denen wir noch einiges mit- theilen.
Zuschauer beim Fechten begleiten die Streiche mit leisen unwillkürlichen Bewegungen ihres Körpers. Ferner: "Che- vreul hat die Tendenz zu Bewegung, die durch Vorstellung von Bewegungen entsteht, aufgeklärt und an einem verwickelten Fall, nämlich an den Schwingungen eines mit der Hand gehal- tenen Pendels erläutert. Die Bewegung des Pendels bei schein- bar unbewegtem Arme wird nämlich nach seinen Untersuchun- gen durch eine unbewußte leichte Muskelbewegung ausgeführt, in die man unwillkürlich geräth, wenn man, indem man das Pendel hält, zugleich darauf sieht, die aber bei verbundenen Augen wegfällt".
An einer andern Stelle heißt es (I, S. 729): "Ist auch ein Empfindungsnerv" (hier wird der von uns oben gemachte Un- terschied zwischen Gefühl und Empfindung nicht beachtet; letz- teres Wort bedeutet hier beides) "für gewöhnlich nicht im Stande, eine reflectirte Bewegung hervorzurufen, so tritt sie doch bei einiger Heftigkeit der Empfindung sogleich auf, und das Rücken- mark und Gehirn reflectiren dann die von Seiten der Empfin- dungsnerven erhaltene Strömung oder Schwingung in diejenigen motorischen Nerven, zu welchen die Leitung von jenen Empfin- dungsnerven durch die Fasern des Gehirns und Rückenmarkes am leichtesten ist". Und schon vorher hieß es (S. 728): "Die großen Sinnesnerven sind vorzüglich geneigt, reflectirte Bewe- gungen der motorischen Gehirnnerven zu verursachen, und na- mentlich der N. opticus und acusticus; beide bewirken bei grel- lem Lichte und starkem Schall eine reflectirte Erregung des N. facialis und dadurch Schließen oder Blinzeln der Augenlider".
II. S. 562 ff. ist ausführlich die Rede von den "Wirkungen der Vorstellungen und Strebungen auf den Organismus", "welche an das Wunderbare grenzen". Wir entnehmen von dem dort Gesagten nur Folgendes. Die Vorstellungen erregen die Sinne, so daß man glaubt zu sehen, was man nur vorstellt: dies sind die Phantasmen und Hallucinationen. Ferner (S. 561): "Bei Vorstellungen von Zuständen, die durch ein bestimmtes Organ ausgeführt werden, entsteht ein Strom nach diesem Organ, sei
Vorstellungen verursachten Gefühle erzeugen, wie die auf die Wirklichkeit begründeten Gefühle, neue Bewegungen. Für alles dies finden sich in dem genannten Werke noch viele lehrreiche Beispiele und Betrachtungen, von denen wir noch einiges mit- theilen.
Zuschauer beim Fechten begleiten die Streiche mit leisen unwillkürlichen Bewegungen ihres Körpers. Ferner: „Che- vreul hat die Tendenz zu Bewegung, die durch Vorstellung von Bewegungen entsteht, aufgeklärt und an einem verwickelten Fall, nämlich an den Schwingungen eines mit der Hand gehal- tenen Pendels erläutert. Die Bewegung des Pendels bei schein- bar unbewegtem Arme wird nämlich nach seinen Untersuchun- gen durch eine unbewußte leichte Muskelbewegung ausgeführt, in die man unwillkürlich geräth, wenn man, indem man das Pendel hält, zugleich darauf sieht, die aber bei verbundenen Augen wegfällt“.
An einer andern Stelle heißt es (I, S. 729): „Ist auch ein Empfindungsnerv“ (hier wird der von uns oben gemachte Un- terschied zwischen Gefühl und Empfindung nicht beachtet; letz- teres Wort bedeutet hier beides) „für gewöhnlich nicht im Stande, eine reflectirte Bewegung hervorzurufen, so tritt sie doch bei einiger Heftigkeit der Empfindung sogleich auf, und das Rücken- mark und Gehirn reflectiren dann die von Seiten der Empfin- dungsnerven erhaltene Strömung oder Schwingung in diejenigen motorischen Nerven, zu welchen die Leitung von jenen Empfin- dungsnerven durch die Fasern des Gehirns und Rückenmarkes am leichtesten ist“. Und schon vorher hieß es (S. 728): „Die großen Sinnesnerven sind vorzüglich geneigt, reflectirte Bewe- gungen der motorischen Gehirnnerven zu verursachen, und na- mentlich der N. opticus und acusticus; beide bewirken bei grel- lem Lichte und starkem Schall eine reflectirte Erregung des N. facialis und dadurch Schließen oder Blinzeln der Augenlider“.
II. S. 562 ff. ist ausführlich die Rede von den „Wirkungen der Vorstellungen und Strebungen auf den Organismus“, „welche an das Wunderbare grenzen“. Wir entnehmen von dem dort Gesagten nur Folgendes. Die Vorstellungen erregen die Sinne, so daß man glaubt zu sehen, was man nur vorstellt: dies sind die Phantasmen und Hallucinationen. Ferner (S. 561): „Bei Vorstellungen von Zuständen, die durch ein bestimmtes Organ ausgeführt werden, entsteht ein Strom nach diesem Organ, sei
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Vorstellungen verursachten Gefühle erzeugen, wie die auf die
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dies finden sich in dem genannten Werke noch viele lehrreiche
Beispiele und Betrachtungen, von denen wir noch einiges mit-
theilen.
Zuschauer beim Fechten begleiten die Streiche mit leisen
unwillkürlichen Bewegungen ihres Körpers. Ferner: „Che-
vreul hat die Tendenz zu Bewegung, die durch Vorstellung
von Bewegungen entsteht, aufgeklärt und an einem verwickelten
Fall, nämlich an den Schwingungen eines mit der Hand gehal-
tenen Pendels erläutert. Die Bewegung des Pendels bei schein-
bar unbewegtem Arme wird nämlich nach seinen Untersuchun-
gen durch eine unbewußte leichte Muskelbewegung ausgeführt,
in die man unwillkürlich geräth, wenn man, indem man das
Pendel hält, zugleich darauf sieht, die aber bei verbundenen
Augen wegfällt“.
An einer andern Stelle heißt es (I, S. 729): „Ist auch ein
Empfindungsnerv“ (hier wird der von uns oben gemachte Un-
terschied zwischen Gefühl und Empfindung nicht beachtet; letz-
teres Wort bedeutet hier beides) „für gewöhnlich nicht im Stande,
eine reflectirte Bewegung hervorzurufen, so tritt sie doch bei
einiger Heftigkeit der Empfindung sogleich auf, und das Rücken-
mark und Gehirn reflectiren dann die von Seiten der Empfin-
dungsnerven erhaltene Strömung oder Schwingung in diejenigen
motorischen Nerven, zu welchen die Leitung von jenen Empfin-
dungsnerven durch die Fasern des Gehirns und Rückenmarkes
am leichtesten ist“. Und schon vorher hieß es (S. 728): „Die
großen Sinnesnerven sind vorzüglich geneigt, reflectirte Bewe-
gungen der motorischen Gehirnnerven zu verursachen, und na-
mentlich der N. opticus und acusticus; beide bewirken bei grel-
lem Lichte und starkem Schall eine reflectirte Erregung des N.
facialis und dadurch Schließen oder Blinzeln der Augenlider“.
II. S. 562 ff. ist ausführlich die Rede von den „Wirkungen
der Vorstellungen und Strebungen auf den Organismus“, „welche
an das Wunderbare grenzen“. Wir entnehmen von dem dort
Gesagten nur Folgendes. Die Vorstellungen erregen die Sinne,
so daß man glaubt zu sehen, was man nur vorstellt: dies sind
die Phantasmen und Hallucinationen. Ferner (S. 561): „Bei
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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