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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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lichen Leibe ist, mit dem Leibe eines Polypen, und immerhin
mit dem Leibe eines Hundes, Pferdes, Elephanten, ja eines Af-
fen, eine phantastische, ungeheuerliche Annahme, welche der
Anerkennung des Zweckes in der Welt widerspricht und den
Glauben an den Schöpfer verhöhnt.

Lassen wir diese sittliche Betrachtung außer Spiel, so bleibt
dennoch jede Ansicht, welche voraussetzt, es könne eine Seele
an einen ihr unangemessenen Leib gebunden sein, an einen Leib,
der ihren Bestrebungen nicht das genügende Organ gebe, völlig
unstatthaft. Wenn der Anatom noch nicht einmal einen Löwen-
kopf mit einem Eselsrumpfe vereinigen kann, wie will der Psy-
cholog eine menschliche Seele mit einem thierischen Leibe ver-
binden? Die Seele also, welche nicht die Kraft hatte, sich eine
menschliche Hand, Sprachorgane, und überhaupt einen mensch-
lichen Leib zu schaffen, ist auch keine menschliche Seele, und
sie hat sich jene Organe nicht geschaffen, weil sie kein Bedürf-
niß derselben hat, keinen Drang danach fühlt. Hätte sie die-
ses Bedürfniß gehabt, so wäre es auch an sich genügend ge-
wesen, sich Befriedigung zu schaffen; jener Drang, fände er
statt, er würde an sich selbst zur Schöpferkraft geworden sein
und jene Organe gebildet haben, wie sie ihm genügen. Der
Leib ist das Zeichen der Seele; so viel vermag die Seele, wie
sie durch den Leib vermag.

So viel gegen Herbart über die höhere Organisation des
menschlichen Leibes überhaupt, welche uns eine höhere Orga-
nisation der menschlichen Seele verräth. Was nun die Sprach-
werkzeuge insbesondere betrifft, so führt Herbart (Psychol. §. 130)
Rudolphis Behauptung an: "mechanische Hindernisse sind ge-
wiß nicht Schuld daran, daß die Thiere keine Sprache besitzen",
und mißbilligt dies; denn nur mechanische, keine psychischen
Hindernisse könnten hier vorliegen. Er sagt: "Wenn man den
Hund bellen, das Pferd wiehern hört, so kann man wohl nicht
auf den Gedanken kommen, daß diesen sonst klugen Thie-
ren das Sprechen mechanisch möglich wäre; vielmehr liegt die
Erwartung nahe, sie würden, wenn ihre Stimmritze nur einige
Gelenkigkeit besäße, daraus etwas machen, das ihrem übrigen
Betragen angemessen wäre, und hierin das Hülfsmittel zwar
nicht einer menschlichen, doch einer höhern Ausbildung finden,
als sie jetzt besitzen". Diese Thiere, antworten wir, haben
wirklich etwas aus ihrer Stimmritze gemacht, "das ihrem übri-

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lichen Leibe ist, mit dem Leibe eines Polypen, und immerhin
mit dem Leibe eines Hundes, Pferdes, Elephanten, ja eines Af-
fen, eine phantastische, ungeheuerliche Annahme, welche der
Anerkennung des Zweckes in der Welt widerspricht und den
Glauben an den Schöpfer verhöhnt.

Lassen wir diese sittliche Betrachtung außer Spiel, so bleibt
dennoch jede Ansicht, welche voraussetzt, es könne eine Seele
an einen ihr unangemessenen Leib gebunden sein, an einen Leib,
der ihren Bestrebungen nicht das genügende Organ gebe, völlig
unstatthaft. Wenn der Anatom noch nicht einmal einen Löwen-
kopf mit einem Eselsrumpfe vereinigen kann, wie will der Psy-
cholog eine menschliche Seele mit einem thierischen Leibe ver-
binden? Die Seele also, welche nicht die Kraft hatte, sich eine
menschliche Hand, Sprachorgane, und überhaupt einen mensch-
lichen Leib zu schaffen, ist auch keine menschliche Seele, und
sie hat sich jene Organe nicht geschaffen, weil sie kein Bedürf-
niß derselben hat, keinen Drang danach fühlt. Hätte sie die-
ses Bedürfniß gehabt, so wäre es auch an sich genügend ge-
wesen, sich Befriedigung zu schaffen; jener Drang, fände er
statt, er würde an sich selbst zur Schöpferkraft geworden sein
und jene Organe gebildet haben, wie sie ihm genügen. Der
Leib ist das Zeichen der Seele; so viel vermag die Seele, wie
sie durch den Leib vermag.

So viel gegen Herbart über die höhere Organisation des
menschlichen Leibes überhaupt, welche uns eine höhere Orga-
nisation der menschlichen Seele verräth. Was nun die Sprach-
werkzeuge insbesondere betrifft, so führt Herbart (Psychol. §. 130)
Rudolphis Behauptung an: „mechanische Hindernisse sind ge-
wiß nicht Schuld daran, daß die Thiere keine Sprache besitzen“,
und mißbilligt dies; denn nur mechanische, keine psychischen
Hindernisse könnten hier vorliegen. Er sagt: „Wenn man den
Hund bellen, das Pferd wiehern hört, so kann man wohl nicht
auf den Gedanken kommen, daß diesen sonst klugen Thie-
ren das Sprechen mechanisch möglich wäre; vielmehr liegt die
Erwartung nahe, sie würden, wenn ihre Stimmritze nur einige
Gelenkigkeit besäße, daraus etwas machen, das ihrem übrigen
Betragen angemessen wäre, und hierin das Hülfsmittel zwar
nicht einer menschlichen, doch einer höhern Ausbildung finden,
als sie jetzt besitzen“. Diese Thiere, antworten wir, haben
wirklich etwas aus ihrer Stimmritze gemacht, „das ihrem übri-

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[275/0313] lichen Leibe ist, mit dem Leibe eines Polypen, und immerhin mit dem Leibe eines Hundes, Pferdes, Elephanten, ja eines Af- fen, eine phantastische, ungeheuerliche Annahme, welche der Anerkennung des Zweckes in der Welt widerspricht und den Glauben an den Schöpfer verhöhnt. Lassen wir diese sittliche Betrachtung außer Spiel, so bleibt dennoch jede Ansicht, welche voraussetzt, es könne eine Seele an einen ihr unangemessenen Leib gebunden sein, an einen Leib, der ihren Bestrebungen nicht das genügende Organ gebe, völlig unstatthaft. Wenn der Anatom noch nicht einmal einen Löwen- kopf mit einem Eselsrumpfe vereinigen kann, wie will der Psy- cholog eine menschliche Seele mit einem thierischen Leibe ver- binden? Die Seele also, welche nicht die Kraft hatte, sich eine menschliche Hand, Sprachorgane, und überhaupt einen mensch- lichen Leib zu schaffen, ist auch keine menschliche Seele, und sie hat sich jene Organe nicht geschaffen, weil sie kein Bedürf- niß derselben hat, keinen Drang danach fühlt. Hätte sie die- ses Bedürfniß gehabt, so wäre es auch an sich genügend ge- wesen, sich Befriedigung zu schaffen; jener Drang, fände er statt, er würde an sich selbst zur Schöpferkraft geworden sein und jene Organe gebildet haben, wie sie ihm genügen. Der Leib ist das Zeichen der Seele; so viel vermag die Seele, wie sie durch den Leib vermag. So viel gegen Herbart über die höhere Organisation des menschlichen Leibes überhaupt, welche uns eine höhere Orga- nisation der menschlichen Seele verräth. Was nun die Sprach- werkzeuge insbesondere betrifft, so führt Herbart (Psychol. §. 130) Rudolphis Behauptung an: „mechanische Hindernisse sind ge- wiß nicht Schuld daran, daß die Thiere keine Sprache besitzen“, und mißbilligt dies; denn nur mechanische, keine psychischen Hindernisse könnten hier vorliegen. Er sagt: „Wenn man den Hund bellen, das Pferd wiehern hört, so kann man wohl nicht auf den Gedanken kommen, daß diesen sonst klugen Thie- ren das Sprechen mechanisch möglich wäre; vielmehr liegt die Erwartung nahe, sie würden, wenn ihre Stimmritze nur einige Gelenkigkeit besäße, daraus etwas machen, das ihrem übrigen Betragen angemessen wäre, und hierin das Hülfsmittel zwar nicht einer menschlichen, doch einer höhern Ausbildung finden, als sie jetzt besitzen“. Diese Thiere, antworten wir, haben wirklich etwas aus ihrer Stimmritze gemacht, „das ihrem übri- 18*

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/313>, abgerufen am 21.11.2024.