dadurch auch der Leib. Man athmet stärker und der ganze Luftweg ist angespannt; auch die Stimmbänder sind es, und so tönen sie. Daher entsteht mit vieler Kraft der ursprünglichste, absichtsloseste, reinste Laut a. In dieser Deutung liegt noch wenig Sprachliches; aber der Laut a hat noch zu wenig sprach- liches Element: er ist Stimmton, und weiter nichts. Nehmen wir dagegen die Interjection der Geringschätzung pah! so ha- ben wir hier schon etwas mehr. Es liegt darin ausgedrückt, man achte eine Sache nicht mehr als die ausgeschnellte Luft. Dieser Gedanke ist die innere Sprachform dieser Interjection, das Band zwischen ihrer Bedeutung und ihrem Lautgehalt. -- "Eh, laß mich doch in Ruhe"; hier ist der ausgestoßene Laut wie eine Hand, welche zurückstößt.
Kurz mit diesen Interjectionen treten wir schon auf die Stufe der sogenannten Onomatopöie. Wie man diese als den ursprünglichsten Sprachtrieb, der alle Elementarwörter ge- schaffen hat, läugnen könne, sehen wir nicht ein -- oder man muß völlig auf allen und jeden innern Zusammenhang zwischen Laut und Bedeutung Verzicht leisten, und in deren Verknüpfung nichts als den sinnlosesten Zufall, "das Spiel organischer Frei- heit" sehen. Aber vor einem Mißverstande ist zu warnen. Man muß die Onomatopöie nicht, wie Plato und alle folgenden, als eine Lautnachahmung des angeschauten Gegenstandes betrach- ten. Zwischen Laut und Ding ist gar keine unmittelbare Be- ziehung. Die Onomatopöie beruht lediglich auf der Verwandt- schaft des Lautes mit der Anschauung, und nur vermittelst die- ser mit dem Dinge. Und noch mehr! auch zur Anschauung steht der Laut nur in vermittelter Beziehung; der Laut malt nur die Anschauung der Anschauung, d. h. dasjenige Merkmal oder Element der Anschauung, welches das Bewußtsein, als in- nere Sprachform bestimmt, aus dem Complex der Merkmale oder Elemente der Anschauung heraushebt und erfaßt. Denn es ist schon gesagt, daß die Anschauung der Anschauung nicht die ganze Anschauung in sich aufnimmt und umfaßt, sondern nur das was sie an ihr bemerkt; und nur dies legt sie in den Laut oder knüpft sie an ihn. Dieses an der Anschauung von der innern Sprachform Erkannte ist aber verbunden mit der Anschauung, und so wird mittelbar durch Anschauung der Anschauung oder innere Sprachform die Anschauung als Bedeutung an den Laut geknüpft.
dadurch auch der Leib. Man athmet stärker und der ganze Luftweg ist angespannt; auch die Stimmbänder sind es, und so tönen sie. Daher entsteht mit vieler Kraft der ursprünglichste, absichtsloseste, reinste Laut a. In dieser Deutung liegt noch wenig Sprachliches; aber der Laut a hat noch zu wenig sprach- liches Element: er ist Stimmton, und weiter nichts. Nehmen wir dagegen die Interjection der Geringschätzung pah! so ha- ben wir hier schon etwas mehr. Es liegt darin ausgedrückt, man achte eine Sache nicht mehr als die ausgeschnellte Luft. Dieser Gedanke ist die innere Sprachform dieser Interjection, das Band zwischen ihrer Bedeutung und ihrem Lautgehalt. — „Eh, laß mich doch in Ruhe“; hier ist der ausgestoßene Laut wie eine Hand, welche zurückstößt.
Kurz mit diesen Interjectionen treten wir schon auf die Stufe der sogenannten Onomatopöie. Wie man diese als den ursprünglichsten Sprachtrieb, der alle Elementarwörter ge- schaffen hat, läugnen könne, sehen wir nicht ein — oder man muß völlig auf allen und jeden innern Zusammenhang zwischen Laut und Bedeutung Verzicht leisten, und in deren Verknüpfung nichts als den sinnlosesten Zufall, „das Spiel organischer Frei- heit“ sehen. Aber vor einem Mißverstande ist zu warnen. Man muß die Onomatopöie nicht, wie Plato und alle folgenden, als eine Lautnachahmung des angeschauten Gegenstandes betrach- ten. Zwischen Laut und Ding ist gar keine unmittelbare Be- ziehung. Die Onomatopöie beruht lediglich auf der Verwandt- schaft des Lautes mit der Anschauung, und nur vermittelst die- ser mit dem Dinge. Und noch mehr! auch zur Anschauung steht der Laut nur in vermittelter Beziehung; der Laut malt nur die Anschauung der Anschauung, d. h. dasjenige Merkmal oder Element der Anschauung, welches das Bewußtsein, als in- nere Sprachform bestimmt, aus dem Complex der Merkmale oder Elemente der Anschauung heraushebt und erfaßt. Denn es ist schon gesagt, daß die Anschauung der Anschauung nicht die ganze Anschauung in sich aufnimmt und umfaßt, sondern nur das was sie an ihr bemerkt; und nur dies legt sie in den Laut oder knüpft sie an ihn. Dieses an der Anschauung von der innern Sprachform Erkannte ist aber verbunden mit der Anschauung, und so wird mittelbar durch Anschauung der Anschauung oder innere Sprachform die Anschauung als Bedeutung an den Laut geknüpft.
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absichtsloseste, reinste Laut a. In dieser Deutung liegt noch
wenig Sprachliches; aber der Laut a hat noch zu wenig sprach-
liches Element: er ist Stimmton, und weiter nichts. Nehmen
wir dagegen die Interjection der Geringschätzung pah! so ha-
ben wir hier schon etwas mehr. Es liegt darin ausgedrückt,
man achte eine Sache nicht mehr als die ausgeschnellte Luft.
Dieser Gedanke ist die innere Sprachform dieser Interjection,
das Band zwischen ihrer Bedeutung und ihrem Lautgehalt. —
„Eh, laß mich doch in Ruhe“; hier ist der ausgestoßene Laut
wie eine Hand, welche zurückstößt.
Kurz mit diesen Interjectionen treten wir schon auf die
Stufe der sogenannten Onomatopöie. Wie man diese als
den ursprünglichsten Sprachtrieb, der alle Elementarwörter ge-
schaffen hat, läugnen könne, sehen wir nicht ein — oder man
muß völlig auf allen und jeden innern Zusammenhang zwischen
Laut und Bedeutung Verzicht leisten, und in deren Verknüpfung
nichts als den sinnlosesten Zufall, „das Spiel organischer Frei-
heit“ sehen. Aber vor einem Mißverstande ist zu warnen. Man
muß die Onomatopöie nicht, wie Plato und alle folgenden, als
eine Lautnachahmung des angeschauten Gegenstandes betrach-
ten. Zwischen Laut und Ding ist gar keine unmittelbare Be-
ziehung. Die Onomatopöie beruht lediglich auf der Verwandt-
schaft des Lautes mit der Anschauung, und nur vermittelst die-
ser mit dem Dinge. Und noch mehr! auch zur Anschauung
steht der Laut nur in vermittelter Beziehung; der Laut malt
nur die Anschauung der Anschauung, d. h. dasjenige Merkmal
oder Element der Anschauung, welches das Bewußtsein, als in-
nere Sprachform bestimmt, aus dem Complex der Merkmale oder
Elemente der Anschauung heraushebt und erfaßt. Denn es ist
schon gesagt, daß die Anschauung der Anschauung nicht die
ganze Anschauung in sich aufnimmt und umfaßt, sondern nur das
was sie an ihr bemerkt; und nur dies legt sie in den Laut oder
knüpft sie an ihn. Dieses an der Anschauung von der innern
Sprachform Erkannte ist aber verbunden mit der Anschauung,
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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