Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

chen Entschluß) parastesai tous theous umin, me ton antidikon
sumboulon poiesasthai peri tou (die Weise) pos akouein umas
emou dei, skhetlion gar an eie touto ge (ein solches Betragen),
alla tous nomous kai ton orkon, en o pros apasi tois allois
dikaiois (gerechte Anordnungen) kai touto gegraptai k. t. l.
Dieses Beispiel zeigt wohl klar, was ich meine. Das Wort
"Weise", wofür der Grieche im Obigen seinen einfachen Artikel
setzt, ist ja auch schon in andern Fällen bei uns ganz zur Ad-
verbialendung geworden: vorzugsweise, glücklicherweise, natür-
licherweise
, ganz wie das lateinische mente in den romanischen
Sprachen Adverbia bildet. Unser ganzer Geist, verglichen mit
dem griechischen, zeigt Mangel an Sinn für Form und Uebung
in Abstractionen.

Wie also überhaupt die innere Sprachform nicht die An-
schauung, wie sie gegeben ist, aufnimmt, sondern nur so viel
und gerade das, was das subjective Selbstbewußtsein vorstellt:
eben so tritt auch durchaus nicht mehr und nur die Form in
die Sprache ein, welche das instinctive Selbstbewußtsein bildet,
indem es die Anschauung analysirt und in den Kreis der Vor-
stellung erhebt. -- Ferner: ursprüngliche Formsprachen können
abstracte Stoffwörter zur Bezeichnung der Form verwenden und
erhalten dadurch eine oberflächliche Aehnlichkeit mit form-
losen Sprachen. Diese nämlich bezeichnen Formverhältnisse durch
wirkliche Stoffwörter, schauen also die Form als Stoff an.

b) Copula.
§. 130. Copula und Aussage überhaupt.

Man versteht jetzt unter Copula gewöhnlich die prädicative
Aussage überhaupt. Das scheint mir zu weit und zu eng. Man
sollte diese Benennung lediglich auf das Aussagewort sein, ist,
beschränken, welches richtig als Formwort aufgefaßt worden
ist und als völlig gleich mit den Endungen der Verba. Ande-
rerseits aber hat man den Begriff der Aussage zu eng gefaßt,
wenn man sie auf das Prädicat allein beschränkt. Aussage, Syn-
thesis, sehe ich überall, wo eine Form in der Sprache auftritt.
Ich nehme also auch eine attributive Aussage und eine objective
an, jene in der Flexion des Attributes, diese in der des Objects.
Man könnte auch recht wohl von einer attributiven Copula spre-
chen; diese ist nämlich das Pronomen relativum, welches in vie-
len Sprachen auch beim einfachen Adjectivum und beim Geni-

chen Entschluß) παϱαστῆσαι τοὺς ϑεοὺς ὑμῖν, μὴ τὸν ἀντίδικον
σύμβουλον ποιήσασϑαι πεϱὶ τοῦ (die Weise) πῶς ἀκούειν ὑμᾶς
ἐμοῦ δεῖ, σχέτλιον γὰϱ ἄν εἴη τοῦτό γε (ein solches Betragen),
ἀλλὰ τοὺς νόμους καὶ τὸν ὅϱκον, ἐν ᾧ πϱὸς ἅπασι τοῖς ἄλλοις
δικαίοις (gerechte Anordnungen) καὶ τοῦτο γέγϱαπται κ. τ. λ.
Dieses Beispiel zeigt wohl klar, was ich meine. Das Wort
Weise“, wofür der Grieche im Obigen seinen einfachen Artikel
setzt, ist ja auch schon in andern Fällen bei uns ganz zur Ad-
verbialendung geworden: vorzugsweise, glücklicherweise, natür-
licherweise
, ganz wie das lateinische mente in den romanischen
Sprachen Adverbia bildet. Unser ganzer Geist, verglichen mit
dem griechischen, zeigt Mangel an Sinn für Form und Uebung
in Abstractionen.

Wie also überhaupt die innere Sprachform nicht die An-
schauung, wie sie gegeben ist, aufnimmt, sondern nur so viel
und gerade das, was das subjective Selbstbewußtsein vorstellt:
eben so tritt auch durchaus nicht mehr und nur die Form in
die Sprache ein, welche das instinctive Selbstbewußtsein bildet,
indem es die Anschauung analysirt und in den Kreis der Vor-
stellung erhebt. — Ferner: ursprüngliche Formsprachen können
abstracte Stoffwörter zur Bezeichnung der Form verwenden und
erhalten dadurch eine oberflächliche Aehnlichkeit mit form-
losen Sprachen. Diese nämlich bezeichnen Formverhältnisse durch
wirkliche Stoffwörter, schauen also die Form als Stoff an.

β) Copula.
§. 130. Copula und Aussage überhaupt.

Man versteht jetzt unter Copula gewöhnlich die prädicative
Aussage überhaupt. Das scheint mir zu weit und zu eng. Man
sollte diese Benennung lediglich auf das Aussagewort sein, ist,
beschränken, welches richtig als Formwort aufgefaßt worden
ist und als völlig gleich mit den Endungen der Verba. Ande-
rerseits aber hat man den Begriff der Aussage zu eng gefaßt,
wenn man sie auf das Prädicat allein beschränkt. Aussage, Syn-
thesis, sehe ich überall, wo eine Form in der Sprache auftritt.
Ich nehme also auch eine attributive Aussage und eine objective
an, jene in der Flexion des Attributes, diese in der des Objects.
Man könnte auch recht wohl von einer attributiven Copula spre-
chen; diese ist nämlich das Pronomen relativum, welches in vie-
len Sprachen auch beim einfachen Adjectivum und beim Geni-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0405" n="367"/>
chen Entschluß) &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x1FC6;&#x03C3;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03D1;&#x03B5;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FD6;&#x03BD;, &#x03BC;&#x1F74; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;<lb/>
&#x03C3;&#x03CD;&#x03BC;&#x03B2;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; &#x03C0;&#x03BF;&#x03B9;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B5;&#x03F1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; (die Weise) &#x03C0;&#x1FF6;&#x03C2; &#x1F00;&#x03BA;&#x03BF;&#x03CD;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FB6;&#x03C2;<lb/>
&#x1F10;&#x03BC;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03B4;&#x03B5;&#x1FD6;, &#x03C3;&#x03C7;&#x03AD;&#x03C4;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B3;&#x1F70;&#x03F1; &#x1F04;&#x03BD; &#x03B5;&#x1F34;&#x03B7; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03CC; &#x03B3;&#x03B5; (ein solches Betragen),<lb/>
&#x1F00;&#x03BB;&#x03BB;&#x1F70; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03BD;&#x03CC;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; &#x1F45;&#x03F1;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;, &#x1F10;&#x03BD; &#x1FA7; &#x03C0;&#x03F1;&#x1F78;&#x03C2; &#x1F05;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C3;&#x03B9; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F04;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2;<lb/>
&#x03B4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03B1;&#x03AF;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; (gerechte Anordnungen) &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03BF; &#x03B3;&#x03AD;&#x03B3;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C0;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BA;. &#x03C4;. &#x03BB;.<lb/>
Dieses Beispiel zeigt wohl klar, was ich meine. Das Wort<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">Weise</hi>&#x201C;, wofür der Grieche im Obigen seinen einfachen Artikel<lb/>
setzt, ist ja auch schon in andern Fällen bei uns ganz zur Ad-<lb/>
verbialendung geworden: <hi rendition="#i">vorzugsweise, glücklicherweise, natür-<lb/>
licherweise</hi>, ganz wie das lateinische <hi rendition="#i">mente</hi> in den romanischen<lb/>
Sprachen Adverbia bildet. Unser ganzer Geist, verglichen mit<lb/>
dem griechischen, zeigt Mangel an Sinn für Form und Uebung<lb/>
in Abstractionen.</p><lb/>
                  <p>Wie also überhaupt die innere Sprachform nicht die An-<lb/>
schauung, wie sie gegeben ist, aufnimmt, sondern nur so viel<lb/>
und gerade das, was das subjective Selbstbewußtsein vorstellt:<lb/>
eben so tritt auch durchaus nicht mehr und nur <hi rendition="#g">die</hi> Form in<lb/>
die Sprache ein, welche das instinctive Selbstbewußtsein bildet,<lb/>
indem es die Anschauung analysirt und in den Kreis der Vor-<lb/>
stellung erhebt. &#x2014; Ferner: ursprüngliche Formsprachen können<lb/>
abstracte Stoffwörter zur Bezeichnung der Form verwenden und<lb/>
erhalten dadurch eine <hi rendition="#g">oberflächliche</hi> Aehnlichkeit mit form-<lb/>
losen Sprachen. Diese nämlich bezeichnen Formverhältnisse durch<lb/>
wirkliche Stoffwörter, schauen also die Form als Stoff an.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>&#x03B2;) Copula.</head><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 130. Copula und Aussage überhaupt.</head><lb/>
                  <p>Man versteht jetzt unter Copula gewöhnlich die prädicative<lb/>
Aussage überhaupt. Das scheint mir zu weit und zu eng. Man<lb/>
sollte diese Benennung lediglich auf das Aussagewort <hi rendition="#g">sein, ist,</hi><lb/>
beschränken, welches richtig als Formwort aufgefaßt worden<lb/>
ist und als völlig gleich mit den Endungen der Verba. Ande-<lb/>
rerseits aber hat man den Begriff der Aussage zu eng gefaßt,<lb/>
wenn man sie auf das Prädicat allein beschränkt. Aussage, Syn-<lb/>
thesis, sehe ich überall, wo eine Form in der Sprache auftritt.<lb/>
Ich nehme also auch eine attributive Aussage und eine objective<lb/>
an, jene in der Flexion des Attributes, diese in der des Objects.<lb/>
Man könnte auch recht wohl von einer attributiven Copula spre-<lb/>
chen; diese ist nämlich das Pronomen relativum, welches in vie-<lb/>
len Sprachen auch beim einfachen Adjectivum und beim Geni-<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0405] chen Entschluß) παϱαστῆσαι τοὺς ϑεοὺς ὑμῖν, μὴ τὸν ἀντίδικον σύμβουλον ποιήσασϑαι πεϱὶ τοῦ (die Weise) πῶς ἀκούειν ὑμᾶς ἐμοῦ δεῖ, σχέτλιον γὰϱ ἄν εἴη τοῦτό γε (ein solches Betragen), ἀλλὰ τοὺς νόμους καὶ τὸν ὅϱκον, ἐν ᾧ πϱὸς ἅπασι τοῖς ἄλλοις δικαίοις (gerechte Anordnungen) καὶ τοῦτο γέγϱαπται κ. τ. λ. Dieses Beispiel zeigt wohl klar, was ich meine. Das Wort „Weise“, wofür der Grieche im Obigen seinen einfachen Artikel setzt, ist ja auch schon in andern Fällen bei uns ganz zur Ad- verbialendung geworden: vorzugsweise, glücklicherweise, natür- licherweise, ganz wie das lateinische mente in den romanischen Sprachen Adverbia bildet. Unser ganzer Geist, verglichen mit dem griechischen, zeigt Mangel an Sinn für Form und Uebung in Abstractionen. Wie also überhaupt die innere Sprachform nicht die An- schauung, wie sie gegeben ist, aufnimmt, sondern nur so viel und gerade das, was das subjective Selbstbewußtsein vorstellt: eben so tritt auch durchaus nicht mehr und nur die Form in die Sprache ein, welche das instinctive Selbstbewußtsein bildet, indem es die Anschauung analysirt und in den Kreis der Vor- stellung erhebt. — Ferner: ursprüngliche Formsprachen können abstracte Stoffwörter zur Bezeichnung der Form verwenden und erhalten dadurch eine oberflächliche Aehnlichkeit mit form- losen Sprachen. Diese nämlich bezeichnen Formverhältnisse durch wirkliche Stoffwörter, schauen also die Form als Stoff an. β) Copula. §. 130. Copula und Aussage überhaupt. Man versteht jetzt unter Copula gewöhnlich die prädicative Aussage überhaupt. Das scheint mir zu weit und zu eng. Man sollte diese Benennung lediglich auf das Aussagewort sein, ist, beschränken, welches richtig als Formwort aufgefaßt worden ist und als völlig gleich mit den Endungen der Verba. Ande- rerseits aber hat man den Begriff der Aussage zu eng gefaßt, wenn man sie auf das Prädicat allein beschränkt. Aussage, Syn- thesis, sehe ich überall, wo eine Form in der Sprache auftritt. Ich nehme also auch eine attributive Aussage und eine objective an, jene in der Flexion des Attributes, diese in der des Objects. Man könnte auch recht wohl von einer attributiven Copula spre- chen; diese ist nämlich das Pronomen relativum, welches in vie- len Sprachen auch beim einfachen Adjectivum und beim Geni-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/405
Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/405>, abgerufen am 18.12.2024.