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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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seit dem Alterthume die Logik erstarrt, und auch in der Logik
war die Zusammensetzung der doch nur scheinbar für sich be-
stehenden Elemente an die Stelle der Entwickelung getreten.
In neuerer Zeit machte namentlich E. Reinhold auf den Zusam-
menhang des Logischen und Grammatischen aufmerksam und
nahm in die Logik grammatische Betrachtungen auf. Die Lo-
gik hat Umgestaltungen gerade in einer Zeit versucht, in der
sich die wissenschaftliche Grammatik von verschiedenen Seiten
neue Bahnen bricht. Dieses Zusammentreffen ist nicht ohne
Bedeutung ... Wenn sich nun meistens Logik und Grammatik
in einer genauen Verwandtschaft entwickeln" u. s. w.

Mit welchem Rechte beruft sich denn also Becker auf Tren-
delenburg? Dieser behauptet nichts weiter als einen Parallelismus,
"eine genaue Verwandtschaft" der Entwickelung, ein gegen-
seitiges Stützen und Handreichen; aber hier ist nichts von jenen
bestimmten Versicherungen Beckers zu finden, in der Sprache
herrschten die logischen Gesetze, selbst dann nicht, wenn auch
Trendelenburg, wie natürlich, die Verwandtschaft der Entwicke-
lung auf die des Gegenstandes gegründet glaubt. Ja Trende-
lenburg glaubt gewiß auch Punkte zu erkennen, wo die Logik
und Grammatik geradezu identisch werden; dazu berechtigt ihn
die vorliegende Thatsache der heutigen Grammatik und Logik,
die in wesentlichen Punkten wirklich zusammenfallen. Nichts
natürlicher also, als daß er fragt (S. 321): "Was hilft es denn,
ohne Grund die grammatische und logische Betrachtung zu
entzweien?" Das würde nicht nur nichts helfen, sondern scha-
den, weil es falsch wäre. Trendelenburg hat aber auch in das
Wesen der Sprache einen tiefen Blick gethan, der freilich nur
dunkle Ahnung geblieben ist, weil ihm das Entgegenkommen
von Seiten der Sprachwissenschaft fehlte, durch welches er volle
Klarheit hätte erlangen können. Wir kommen hierauf zurück
und heben an dieser Stelle nur noch folgende Worte Trendelen-
burgs hervor, welche sich Becker hätte aneignen sollen (S. 318):
"es wäre von vorn herein ein wesentlicher Unterschied der
grammatischen und logischen Kategorien wahrscheinlich." Diese
Wahrscheinlichkeit zur festen Gewißheit zu erheben, diesen we-
sentlichen Unterschied der Grammatik von der Logik aus dem
Wesen der Sprache abzuleiten und darzustellen, ist Absicht der
vorliegenden Arbeit.

Trendelenburg beruft sich allerdings sonst vielfach auf Becker,

seit dem Alterthume die Logik erstarrt, und auch in der Logik
war die Zusammensetzung der doch nur scheinbar für sich be-
stehenden Elemente an die Stelle der Entwickelung getreten.
In neuerer Zeit machte namentlich E. Reinhold auf den Zusam-
menhang des Logischen und Grammatischen aufmerksam und
nahm in die Logik grammatische Betrachtungen auf. Die Lo-
gik hat Umgestaltungen gerade in einer Zeit versucht, in der
sich die wissenschaftliche Grammatik von verschiedenen Seiten
neue Bahnen bricht. Dieses Zusammentreffen ist nicht ohne
Bedeutung … Wenn sich nun meistens Logik und Grammatik
in einer genauen Verwandtschaft entwickeln“ u. s. w.

Mit welchem Rechte beruft sich denn also Becker auf Tren-
delenburg? Dieser behauptet nichts weiter als einen Parallelismus,
„eine genaue Verwandtschaft“ der Entwickelung, ein gegen-
seitiges Stützen und Handreichen; aber hier ist nichts von jenen
bestimmten Versicherungen Beckers zu finden, in der Sprache
herrschten die logischen Gesetze, selbst dann nicht, wenn auch
Trendelenburg, wie natürlich, die Verwandtschaft der Entwicke-
lung auf die des Gegenstandes gegründet glaubt. Ja Trende-
lenburg glaubt gewiß auch Punkte zu erkennen, wo die Logik
und Grammatik geradezu identisch werden; dazu berechtigt ihn
die vorliegende Thatsache der heutigen Grammatik und Logik,
die in wesentlichen Punkten wirklich zusammenfallen. Nichts
natürlicher also, als daß er fragt (S. 321): „Was hilft es denn,
ohne Grund die grammatische und logische Betrachtung zu
entzweien?“ Das würde nicht nur nichts helfen, sondern scha-
den, weil es falsch wäre. Trendelenburg hat aber auch in das
Wesen der Sprache einen tiefen Blick gethan, der freilich nur
dunkle Ahnung geblieben ist, weil ihm das Entgegenkommen
von Seiten der Sprachwissenschaft fehlte, durch welches er volle
Klarheit hätte erlangen können. Wir kommen hierauf zurück
und heben an dieser Stelle nur noch folgende Worte Trendelen-
burgs hervor, welche sich Becker hätte aneignen sollen (S. 318):
„es wäre von vorn herein ein wesentlicher Unterschied der
grammatischen und logischen Kategorien wahrscheinlich.“ Diese
Wahrscheinlichkeit zur festen Gewißheit zu erheben, diesen we-
sentlichen Unterschied der Grammatik von der Logik aus dem
Wesen der Sprache abzuleiten und darzustellen, ist Absicht der
vorliegenden Arbeit.

Trendelenburg beruft sich allerdings sonst vielfach auf Becker,

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[53/0091] seit dem Alterthume die Logik erstarrt, und auch in der Logik war die Zusammensetzung der doch nur scheinbar für sich be- stehenden Elemente an die Stelle der Entwickelung getreten. In neuerer Zeit machte namentlich E. Reinhold auf den Zusam- menhang des Logischen und Grammatischen aufmerksam und nahm in die Logik grammatische Betrachtungen auf. Die Lo- gik hat Umgestaltungen gerade in einer Zeit versucht, in der sich die wissenschaftliche Grammatik von verschiedenen Seiten neue Bahnen bricht. Dieses Zusammentreffen ist nicht ohne Bedeutung … Wenn sich nun meistens Logik und Grammatik in einer genauen Verwandtschaft entwickeln“ u. s. w. Mit welchem Rechte beruft sich denn also Becker auf Tren- delenburg? Dieser behauptet nichts weiter als einen Parallelismus, „eine genaue Verwandtschaft“ der Entwickelung, ein gegen- seitiges Stützen und Handreichen; aber hier ist nichts von jenen bestimmten Versicherungen Beckers zu finden, in der Sprache herrschten die logischen Gesetze, selbst dann nicht, wenn auch Trendelenburg, wie natürlich, die Verwandtschaft der Entwicke- lung auf die des Gegenstandes gegründet glaubt. Ja Trende- lenburg glaubt gewiß auch Punkte zu erkennen, wo die Logik und Grammatik geradezu identisch werden; dazu berechtigt ihn die vorliegende Thatsache der heutigen Grammatik und Logik, die in wesentlichen Punkten wirklich zusammenfallen. Nichts natürlicher also, als daß er fragt (S. 321): „Was hilft es denn, ohne Grund die grammatische und logische Betrachtung zu entzweien?“ Das würde nicht nur nichts helfen, sondern scha- den, weil es falsch wäre. Trendelenburg hat aber auch in das Wesen der Sprache einen tiefen Blick gethan, der freilich nur dunkle Ahnung geblieben ist, weil ihm das Entgegenkommen von Seiten der Sprachwissenschaft fehlte, durch welches er volle Klarheit hätte erlangen können. Wir kommen hierauf zurück und heben an dieser Stelle nur noch folgende Worte Trendelen- burgs hervor, welche sich Becker hätte aneignen sollen (S. 318): „es wäre von vorn herein ein wesentlicher Unterschied der grammatischen und logischen Kategorien wahrscheinlich.“ Diese Wahrscheinlichkeit zur festen Gewißheit zu erheben, diesen we- sentlichen Unterschied der Grammatik von der Logik aus dem Wesen der Sprache abzuleiten und darzustellen, ist Absicht der vorliegenden Arbeit. Trendelenburg beruft sich allerdings sonst vielfach auf Becker,

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/91>, abgerufen am 21.11.2024.