Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Flecken, Tschagguns ein zerstreutes Dorf, aus dessen Mitte sich eine große Kirche erhebt.

Diese liebliche Thalfläche habe ich zu zwei verschiedenenmalen betreten - das einemal zog ich aber von Tschagguns das Thal entlang, um ins Paznaun zu gehen, das andremal stieg ich von Schruns auf den Christberg, um von dort ins Klosterthal hinab und auf den Arlberg zu gelangen. Dieser Weg führt von dem Flecken gleich in die Höhe auf steilem Fußpfade, der viel Schönes zu bewundern gibt. Es zeigt sich da, daß der Flecken Schruns in einer feinen Berglandschaft liegt, deren Höhen weit hinauf mit Gebüsch und Laubwald, mit Häusern, mit Kornfeldern, Weidenschaften und Obstbäumen mit rieselnden Bächen, Brombeerhecken, Gartenmauern und Feldzäunen geziert sind, während unten an der Niederung, die reich bevölkert und fleißig bebaut ist, wie die Halden, der Fluß des Thales in geräumiger Weite silbern daherzieht. Ueber dem Flecken selbst ragt ein treffliches Horn von schönster Bergform empor. Rückwärts drohen die beschneiten Zacken des Rhätico, vor dem Wanderer steht die einsame Höhe des Christberges, der aus dem schwarzwaldigen Silberthale, so benannt von ehemaligen Bergwerken, jäh aufsteigt und ein Kirchlein trägt, das weiß und klein aus der Ferne winkt. Der ganze Zug des Hochlandes, das links ober Schruns liegt, heißt der Bartholomäusberg. Derselbe erfreut sich zweier Kirchen, von denen die eine oberhalb Schruns, die andere eine gute Stunde weiter drinnen steht, etwa auf dem halben Wege nach der Höhe des Christberges.

Spät war es ohnedem schon gewesen, als ich von Schruns emporstieg, die Landschaft hatte ich auch etwas zu lange betrachtet, und so wurd' es eine schwierige Frage, wo das Nachtquartier zu nehmen, denn nach der Post zu Talaas, welches im Klosterthale unten am andern Fuße der Höhe liegt, schien's zu weit, und auf dem Berge ist kein Wirthshaus. Die Leute, die in den Wiesen mähten, begrüßten mich in meiner Verspätung mit theilnehmenden Bedenklichkeiten und meinten es wäre am besten, im innern Bartholomäusberg beim Curaten zuzusprechen, der ein gastfreundlicher Herr sey und schon manchmal

Flecken, Tschagguns ein zerstreutes Dorf, aus dessen Mitte sich eine große Kirche erhebt.

Diese liebliche Thalfläche habe ich zu zwei verschiedenenmalen betreten – das einemal zog ich aber von Tschagguns das Thal entlang, um ins Paznaun zu gehen, das andremal stieg ich von Schruns auf den Christberg, um von dort ins Klosterthal hinab und auf den Arlberg zu gelangen. Dieser Weg führt von dem Flecken gleich in die Höhe auf steilem Fußpfade, der viel Schönes zu bewundern gibt. Es zeigt sich da, daß der Flecken Schruns in einer feinen Berglandschaft liegt, deren Höhen weit hinauf mit Gebüsch und Laubwald, mit Häusern, mit Kornfeldern, Weidenschaften und Obstbäumen mit rieselnden Bächen, Brombeerhecken, Gartenmauern und Feldzäunen geziert sind, während unten an der Niederung, die reich bevölkert und fleißig bebaut ist, wie die Halden, der Fluß des Thales in geräumiger Weite silbern daherzieht. Ueber dem Flecken selbst ragt ein treffliches Horn von schönster Bergform empor. Rückwärts drohen die beschneiten Zacken des Rhätico, vor dem Wanderer steht die einsame Höhe des Christberges, der aus dem schwarzwaldigen Silberthale, so benannt von ehemaligen Bergwerken, jäh aufsteigt und ein Kirchlein trägt, das weiß und klein aus der Ferne winkt. Der ganze Zug des Hochlandes, das links ober Schruns liegt, heißt der Bartholomäusberg. Derselbe erfreut sich zweier Kirchen, von denen die eine oberhalb Schruns, die andere eine gute Stunde weiter drinnen steht, etwa auf dem halben Wege nach der Höhe des Christberges.

Spät war es ohnedem schon gewesen, als ich von Schruns emporstieg, die Landschaft hatte ich auch etwas zu lange betrachtet, und so wurd’ es eine schwierige Frage, wo das Nachtquartier zu nehmen, denn nach der Post zu Talaas, welches im Klosterthale unten am andern Fuße der Höhe liegt, schien’s zu weit, und auf dem Berge ist kein Wirthshaus. Die Leute, die in den Wiesen mähten, begrüßten mich in meiner Verspätung mit theilnehmenden Bedenklichkeiten und meinten es wäre am besten, im innern Bartholomäusberg beim Curaten zuzusprechen, der ein gastfreundlicher Herr sey und schon manchmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="110"/>
Flecken, Tschagguns ein zerstreutes Dorf, aus dessen Mitte sich eine große Kirche erhebt.</p>
        <p>Diese liebliche Thalfläche habe ich zu zwei verschiedenenmalen betreten &#x2013; das einemal zog ich aber von Tschagguns das Thal entlang, um ins Paznaun zu gehen, das andremal stieg ich von Schruns auf den Christberg, um von dort ins Klosterthal hinab und auf den Arlberg zu gelangen. Dieser Weg führt von dem Flecken gleich in die Höhe auf steilem Fußpfade, der viel Schönes zu bewundern gibt. Es zeigt sich da, daß der Flecken Schruns in einer feinen Berglandschaft liegt, deren Höhen weit hinauf mit Gebüsch und Laubwald, mit Häusern, mit Kornfeldern, Weidenschaften und Obstbäumen mit rieselnden Bächen, Brombeerhecken, Gartenmauern und Feldzäunen geziert sind, während unten an der Niederung, die reich bevölkert und fleißig bebaut ist, wie die Halden, der Fluß des Thales in geräumiger Weite silbern daherzieht. Ueber dem Flecken selbst ragt ein treffliches Horn von schönster Bergform empor. Rückwärts drohen die beschneiten Zacken des Rhätico, vor dem Wanderer steht die einsame Höhe des Christberges, der aus dem schwarzwaldigen Silberthale, so benannt von ehemaligen Bergwerken, jäh aufsteigt und ein Kirchlein trägt, das weiß und klein aus der Ferne winkt. Der ganze Zug des Hochlandes, das links ober Schruns liegt, heißt der Bartholomäusberg. Derselbe erfreut sich zweier Kirchen, von denen die eine oberhalb Schruns, die andere eine gute Stunde weiter drinnen steht, etwa auf dem halben Wege nach der Höhe des Christberges.</p>
        <p>Spät war es ohnedem schon gewesen, als ich von Schruns emporstieg, die Landschaft hatte ich auch etwas zu lange betrachtet, und so wurd&#x2019; es eine schwierige Frage, wo das Nachtquartier zu nehmen, denn nach der Post zu Talaas, welches im Klosterthale unten am andern Fuße der Höhe liegt, schien&#x2019;s zu weit, und auf dem Berge ist kein Wirthshaus. Die Leute, die in den Wiesen mähten, begrüßten mich in meiner Verspätung mit theilnehmenden Bedenklichkeiten und meinten es wäre am besten, im innern Bartholomäusberg beim Curaten zuzusprechen, der ein gastfreundlicher Herr sey und schon manchmal
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0115] Flecken, Tschagguns ein zerstreutes Dorf, aus dessen Mitte sich eine große Kirche erhebt. Diese liebliche Thalfläche habe ich zu zwei verschiedenenmalen betreten – das einemal zog ich aber von Tschagguns das Thal entlang, um ins Paznaun zu gehen, das andremal stieg ich von Schruns auf den Christberg, um von dort ins Klosterthal hinab und auf den Arlberg zu gelangen. Dieser Weg führt von dem Flecken gleich in die Höhe auf steilem Fußpfade, der viel Schönes zu bewundern gibt. Es zeigt sich da, daß der Flecken Schruns in einer feinen Berglandschaft liegt, deren Höhen weit hinauf mit Gebüsch und Laubwald, mit Häusern, mit Kornfeldern, Weidenschaften und Obstbäumen mit rieselnden Bächen, Brombeerhecken, Gartenmauern und Feldzäunen geziert sind, während unten an der Niederung, die reich bevölkert und fleißig bebaut ist, wie die Halden, der Fluß des Thales in geräumiger Weite silbern daherzieht. Ueber dem Flecken selbst ragt ein treffliches Horn von schönster Bergform empor. Rückwärts drohen die beschneiten Zacken des Rhätico, vor dem Wanderer steht die einsame Höhe des Christberges, der aus dem schwarzwaldigen Silberthale, so benannt von ehemaligen Bergwerken, jäh aufsteigt und ein Kirchlein trägt, das weiß und klein aus der Ferne winkt. Der ganze Zug des Hochlandes, das links ober Schruns liegt, heißt der Bartholomäusberg. Derselbe erfreut sich zweier Kirchen, von denen die eine oberhalb Schruns, die andere eine gute Stunde weiter drinnen steht, etwa auf dem halben Wege nach der Höhe des Christberges. Spät war es ohnedem schon gewesen, als ich von Schruns emporstieg, die Landschaft hatte ich auch etwas zu lange betrachtet, und so wurd’ es eine schwierige Frage, wo das Nachtquartier zu nehmen, denn nach der Post zu Talaas, welches im Klosterthale unten am andern Fuße der Höhe liegt, schien’s zu weit, und auf dem Berge ist kein Wirthshaus. Die Leute, die in den Wiesen mähten, begrüßten mich in meiner Verspätung mit theilnehmenden Bedenklichkeiten und meinten es wäre am besten, im innern Bartholomäusberg beim Curaten zuzusprechen, der ein gastfreundlicher Herr sey und schon manchmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/115
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/115>, abgerufen am 17.05.2024.