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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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den 9000 Einwohnern des Thales gehen alle Jahre durchschnittlich 2500 in die Fremde.

Und so ging es denn in der kühlen Morgensonne das Montavon entlang von St. Gallenkirchen nach Gurtibohl, von Gurtibohl nach Gaschura, von Gaschura nach Partenna, immer durch Getreidefelder, durch fette Wiesen, durch Haine von Obstbäumen, welche sich süßen Most und Kirschenbranntwein abgewinnen lassen. Das Thal bleibt allenthalben freundlich, fruchtbar, voll Abwechslung in kleinen Bildern. Rauschende Bergwässer hallen durch die stille Gegend, die von vielen Menschen bewohnt scheint. Die hölzernen Häuser stehen in kleinen Zwischenräumen an einander am Wege, auf den Wiesen zerstreut, an den Halden hinauf. Darunter möchte zwar bei näherem Einsehen manche unbewohnte Scheune zu finden seyn - allein auch so tragen sie bei dem ganzen Gelände das Ansehen eines fortlaufenden Dorfes zu geben. Von Zeit zu Zeit taucht ein Kirchthurm über den Kirschbäumen auf; die Berge sind unten mit Laubholz besäumt und steigen nicht sehr weit in Höhe, kaum bis zum Aufhören des Baumwuchses. Schrofen sind auch wenige zu sehen und die Schauer der Bergwelt treten nirgends nahe heran. Mit einem Worte, das Montavon ist ein schönes, mildes Alpenthal, wohl das mildeste und wärmste im Vorarlberg; Hanf, Gerste und Erdäpfel ist der meiste Feldwachs.

Sonstiger Merkwürdigkeiten schien uns der Weg von Tschagguns bis Partenna ganz baar und ledig zu seyn und wir finden auch in andern Büchern nichts darüber aufgezeichnet. In dieser Noth und Armuth ist vielleicht der Leser, gleich dem Pilger, den auf dürrer Haide auch ein Gänseblümchen erquickt, eher geneigt die unerhebliche Nachricht zu genehmigen, daß wir in Gaschura in die Kirche traten und dort unter der Kanzel, gewißermaßen als Träger derselben, den Wallfisch, das silberschuppige weit rachige Meerungeheuer, erblickten, das so eben den Propheten Jonas zu Tage fördert. Der Prophet scheint ein lebensfrohes Gesicht zu machen, was nicht überraschen kann, hält aber in der Hand hoch empor einen rothgesiegelten Brief, und gerade dieser Brief kam mir sehr

den 9000 Einwohnern des Thales gehen alle Jahre durchschnittlich 2500 in die Fremde.

Und so ging es denn in der kühlen Morgensonne das Montavon entlang von St. Gallenkirchen nach Gurtibohl, von Gurtibohl nach Gaschura, von Gaschura nach Partenna, immer durch Getreidefelder, durch fette Wiesen, durch Haine von Obstbäumen, welche sich süßen Most und Kirschenbranntwein abgewinnen lassen. Das Thal bleibt allenthalben freundlich, fruchtbar, voll Abwechslung in kleinen Bildern. Rauschende Bergwässer hallen durch die stille Gegend, die von vielen Menschen bewohnt scheint. Die hölzernen Häuser stehen in kleinen Zwischenräumen an einander am Wege, auf den Wiesen zerstreut, an den Halden hinauf. Darunter möchte zwar bei näherem Einsehen manche unbewohnte Scheune zu finden seyn – allein auch so tragen sie bei dem ganzen Gelände das Ansehen eines fortlaufenden Dorfes zu geben. Von Zeit zu Zeit taucht ein Kirchthurm über den Kirschbäumen auf; die Berge sind unten mit Laubholz besäumt und steigen nicht sehr weit in Höhe, kaum bis zum Aufhören des Baumwuchses. Schrofen sind auch wenige zu sehen und die Schauer der Bergwelt treten nirgends nahe heran. Mit einem Worte, das Montavon ist ein schönes, mildes Alpenthal, wohl das mildeste und wärmste im Vorarlberg; Hanf, Gerste und Erdäpfel ist der meiste Feldwachs.

Sonstiger Merkwürdigkeiten schien uns der Weg von Tschagguns bis Partenna ganz baar und ledig zu seyn und wir finden auch in andern Büchern nichts darüber aufgezeichnet. In dieser Noth und Armuth ist vielleicht der Leser, gleich dem Pilger, den auf dürrer Haide auch ein Gänseblümchen erquickt, eher geneigt die unerhebliche Nachricht zu genehmigen, daß wir in Gaschura in die Kirche traten und dort unter der Kanzel, gewißermaßen als Träger derselben, den Wallfisch, das silberschuppige weit rachige Meerungeheuer, erblickten, das so eben den Propheten Jonas zu Tage fördert. Der Prophet scheint ein lebensfrohes Gesicht zu machen, was nicht überraschen kann, hält aber in der Hand hoch empor einen rothgesiegelten Brief, und gerade dieser Brief kam mir sehr

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[120/0125] den 9000 Einwohnern des Thales gehen alle Jahre durchschnittlich 2500 in die Fremde. Und so ging es denn in der kühlen Morgensonne das Montavon entlang von St. Gallenkirchen nach Gurtibohl, von Gurtibohl nach Gaschura, von Gaschura nach Partenna, immer durch Getreidefelder, durch fette Wiesen, durch Haine von Obstbäumen, welche sich süßen Most und Kirschenbranntwein abgewinnen lassen. Das Thal bleibt allenthalben freundlich, fruchtbar, voll Abwechslung in kleinen Bildern. Rauschende Bergwässer hallen durch die stille Gegend, die von vielen Menschen bewohnt scheint. Die hölzernen Häuser stehen in kleinen Zwischenräumen an einander am Wege, auf den Wiesen zerstreut, an den Halden hinauf. Darunter möchte zwar bei näherem Einsehen manche unbewohnte Scheune zu finden seyn – allein auch so tragen sie bei dem ganzen Gelände das Ansehen eines fortlaufenden Dorfes zu geben. Von Zeit zu Zeit taucht ein Kirchthurm über den Kirschbäumen auf; die Berge sind unten mit Laubholz besäumt und steigen nicht sehr weit in Höhe, kaum bis zum Aufhören des Baumwuchses. Schrofen sind auch wenige zu sehen und die Schauer der Bergwelt treten nirgends nahe heran. Mit einem Worte, das Montavon ist ein schönes, mildes Alpenthal, wohl das mildeste und wärmste im Vorarlberg; Hanf, Gerste und Erdäpfel ist der meiste Feldwachs. Sonstiger Merkwürdigkeiten schien uns der Weg von Tschagguns bis Partenna ganz baar und ledig zu seyn und wir finden auch in andern Büchern nichts darüber aufgezeichnet. In dieser Noth und Armuth ist vielleicht der Leser, gleich dem Pilger, den auf dürrer Haide auch ein Gänseblümchen erquickt, eher geneigt die unerhebliche Nachricht zu genehmigen, daß wir in Gaschura in die Kirche traten und dort unter der Kanzel, gewißermaßen als Träger derselben, den Wallfisch, das silberschuppige weit rachige Meerungeheuer, erblickten, das so eben den Propheten Jonas zu Tage fördert. Der Prophet scheint ein lebensfrohes Gesicht zu machen, was nicht überraschen kann, hält aber in der Hand hoch empor einen rothgesiegelten Brief, und gerade dieser Brief kam mir sehr

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/125>, abgerufen am 23.11.2024.