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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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so unabhängig, daß nicht auch der Bürger Feldbau zu treiben Veranlassung gefunden hätte.

Die Kunst erfreute sich in dem geldarmen Lande allerdings keiner Pflege und manche schöne Anlage erstickte in dem Ringen um die nöthigsten Lebensbedürfnisse. Erst in neuern Zeiten werden etliche Künstler genannt, wie der Porträtmaler Moosbrugger in Constanz, aus der Au im Bregenzerwalde, wo vor Zeiten die geschickten Baumeister geboren wurden, und Rhomberg aus Dorenbüren zu München; ferner Gebhard Flatz, der im Jahre 1800 zu Wolffurt, Landgerichts Bregenz, geboren, sich in Rom gebildet und manche Kirche seines Vaterlandes mit manchem hübschen Altarblatte ausgeschmückt hat. Wenn aber auch der mäßige Reichthum des Landes weder Kunstgenüsse zuließ, noch große Handelsunternehmungen förderte, so wußte man doch auch in den Städten hin und wieder sich ein heiteres Fest und eine erlaubte Lustbarkeit zu verschaffen. Die Rathsherren und angesehenen Bürger hielten ihre jeweiligen Pikenike auf dem Rathhause, wobei die Musikanten nur dann fehlten, wenn die Tänze von kundigen Liebhabern aufgespielt wurden. Die geistlichen Herren waren auch dabei; man würde ihre Weigerung für beleidigend, für eine Andeutung genommen haben, daß man nicht in Ehren lustig seyn dürfe.

So blieb es bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nun aber begannen in der benachbarten Schweiz die Baumwollenmanufacturen zu blühen und um das Jahr 1780 standen im Lande selbst Unternehmer auf. Bald übte diese neue Industrie einen durchgreifenden Einfluß und brachte eine solche Veränderung im Volkscharakter hervor, daß von dem alten Bilde kaum mehr ein Schatten blieb.

Kinder, die vorher in der freien Luft erstarkten, wurden jetzt an das Spinnrad, erwachsene Mädchen zum Stickrahmen und größere Knaben in den Webkeller gebannt. Sofort, da der Hände weniger waren, schlechtere Bestellung des Feldes, dessen Anbau allein den Eltern zufiel, weil die Jugend bessern Verdienst in den Fabriken fand. Die bisherige Hausmannskost sagte der sitzenden Lebensart nicht mehr zu und der aufreizende Kaffee bildete bald im Verein mit den Kartoffeln die vorzüglichste

so unabhängig, daß nicht auch der Bürger Feldbau zu treiben Veranlassung gefunden hätte.

Die Kunst erfreute sich in dem geldarmen Lande allerdings keiner Pflege und manche schöne Anlage erstickte in dem Ringen um die nöthigsten Lebensbedürfnisse. Erst in neuern Zeiten werden etliche Künstler genannt, wie der Porträtmaler Moosbrugger in Constanz, aus der Au im Bregenzerwalde, wo vor Zeiten die geschickten Baumeister geboren wurden, und Rhomberg aus Dorenbüren zu München; ferner Gebhard Flatz, der im Jahre 1800 zu Wolffurt, Landgerichts Bregenz, geboren, sich in Rom gebildet und manche Kirche seines Vaterlandes mit manchem hübschen Altarblatte ausgeschmückt hat. Wenn aber auch der mäßige Reichthum des Landes weder Kunstgenüsse zuließ, noch große Handelsunternehmungen förderte, so wußte man doch auch in den Städten hin und wieder sich ein heiteres Fest und eine erlaubte Lustbarkeit zu verschaffen. Die Rathsherren und angesehenen Bürger hielten ihre jeweiligen Pikenike auf dem Rathhause, wobei die Musikanten nur dann fehlten, wenn die Tänze von kundigen Liebhabern aufgespielt wurden. Die geistlichen Herren waren auch dabei; man würde ihre Weigerung für beleidigend, für eine Andeutung genommen haben, daß man nicht in Ehren lustig seyn dürfe.

So blieb es bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nun aber begannen in der benachbarten Schweiz die Baumwollenmanufacturen zu blühen und um das Jahr 1780 standen im Lande selbst Unternehmer auf. Bald übte diese neue Industrie einen durchgreifenden Einfluß und brachte eine solche Veränderung im Volkscharakter hervor, daß von dem alten Bilde kaum mehr ein Schatten blieb.

Kinder, die vorher in der freien Luft erstarkten, wurden jetzt an das Spinnrad, erwachsene Mädchen zum Stickrahmen und größere Knaben in den Webkeller gebannt. Sofort, da der Hände weniger waren, schlechtere Bestellung des Feldes, dessen Anbau allein den Eltern zufiel, weil die Jugend bessern Verdienst in den Fabriken fand. Die bisherige Hausmannskost sagte der sitzenden Lebensart nicht mehr zu und der aufreizende Kaffee bildete bald im Verein mit den Kartoffeln die vorzüglichste

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[180/0185] so unabhängig, daß nicht auch der Bürger Feldbau zu treiben Veranlassung gefunden hätte. Die Kunst erfreute sich in dem geldarmen Lande allerdings keiner Pflege und manche schöne Anlage erstickte in dem Ringen um die nöthigsten Lebensbedürfnisse. Erst in neuern Zeiten werden etliche Künstler genannt, wie der Porträtmaler Moosbrugger in Constanz, aus der Au im Bregenzerwalde, wo vor Zeiten die geschickten Baumeister geboren wurden, und Rhomberg aus Dorenbüren zu München; ferner Gebhard Flatz, der im Jahre 1800 zu Wolffurt, Landgerichts Bregenz, geboren, sich in Rom gebildet und manche Kirche seines Vaterlandes mit manchem hübschen Altarblatte ausgeschmückt hat. Wenn aber auch der mäßige Reichthum des Landes weder Kunstgenüsse zuließ, noch große Handelsunternehmungen förderte, so wußte man doch auch in den Städten hin und wieder sich ein heiteres Fest und eine erlaubte Lustbarkeit zu verschaffen. Die Rathsherren und angesehenen Bürger hielten ihre jeweiligen Pikenike auf dem Rathhause, wobei die Musikanten nur dann fehlten, wenn die Tänze von kundigen Liebhabern aufgespielt wurden. Die geistlichen Herren waren auch dabei; man würde ihre Weigerung für beleidigend, für eine Andeutung genommen haben, daß man nicht in Ehren lustig seyn dürfe. So blieb es bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nun aber begannen in der benachbarten Schweiz die Baumwollenmanufacturen zu blühen und um das Jahr 1780 standen im Lande selbst Unternehmer auf. Bald übte diese neue Industrie einen durchgreifenden Einfluß und brachte eine solche Veränderung im Volkscharakter hervor, daß von dem alten Bilde kaum mehr ein Schatten blieb. Kinder, die vorher in der freien Luft erstarkten, wurden jetzt an das Spinnrad, erwachsene Mädchen zum Stickrahmen und größere Knaben in den Webkeller gebannt. Sofort, da der Hände weniger waren, schlechtere Bestellung des Feldes, dessen Anbau allein den Eltern zufiel, weil die Jugend bessern Verdienst in den Fabriken fand. Die bisherige Hausmannskost sagte der sitzenden Lebensart nicht mehr zu und der aufreizende Kaffee bildete bald im Verein mit den Kartoffeln die vorzüglichste

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/185>, abgerufen am 23.11.2024.