Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Die gefürstete Grafschaft Tirol war in alten Zeiten ein Theil des Berglandes, das die Römer Rhätia nannten. Dessen erste Bewohner sollen nach längst verklungenen Sagen tuscischen Stammes und vorher in den Ebenen am Padus seßhaft gewesen, von dort aber beim Einbruch der Gallier unter ihrem Führer Rhätus in die Alpen gezogen seyn. Neuere Forscher haben diese uralte Verwandtschaft der Rhätier mit den Etruskern beglaubigt gefunden, aber der Ueberlieferung entgegen angenommen, es seyen in vorgeschichtlichen Zeiten die Etrusker aus den Alpen an die Tiber hinabgezogen, sohin die Rhätier nicht die Enkel, sondern die Ahnherren des mächtigen Volkes, das später fast alle Länder Oberitaliens beherrschte. Was sich als Zeugniß für diesen alten Zusammenhang auf rhätischem Boden noch heutzutage sammeln läßt, soll, wenn Zeit und Raum vorhanden, am Ende dieses Buchs besprochen werden. Vierzehn Jahre vor Christi Geburt sandte Kaiser Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit Heeresmacht gegen dieses Alpenland und die freien Rhätier erlagen den Römern. Damals sang Horaz jene oft angeführten Verse: Drusus Genaunos, implacidum genus,
Breunosque veloces et arces Alpibus impositas tremendis Dejecit acer plus vice simplici. Major Neronum mox grave proelium Commisit, immanesque Raetos Auspiciis pepulit secundis. Die gefürstete Grafschaft Tirol war in alten Zeiten ein Theil des Berglandes, das die Römer Rhätia nannten. Dessen erste Bewohner sollen nach längst verklungenen Sagen tuscischen Stammes und vorher in den Ebenen am Padus seßhaft gewesen, von dort aber beim Einbruch der Gallier unter ihrem Führer Rhätus in die Alpen gezogen seyn. Neuere Forscher haben diese uralte Verwandtschaft der Rhätier mit den Etruskern beglaubigt gefunden, aber der Ueberlieferung entgegen angenommen, es seyen in vorgeschichtlichen Zeiten die Etrusker aus den Alpen an die Tiber hinabgezogen, sohin die Rhätier nicht die Enkel, sondern die Ahnherren des mächtigen Volkes, das später fast alle Länder Oberitaliens beherrschte. Was sich als Zeugniß für diesen alten Zusammenhang auf rhätischem Boden noch heutzutage sammeln läßt, soll, wenn Zeit und Raum vorhanden, am Ende dieses Buchs besprochen werden. Vierzehn Jahre vor Christi Geburt sandte Kaiser Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit Heeresmacht gegen dieses Alpenland und die freien Rhätier erlagen den Römern. Damals sang Horaz jene oft angeführten Verse: Drusus Genaunos, implacidum genus,
Breunosque veloces et arces Alpibus impositas tremendis Dejecit acer plus vice simplici. Major Neronum mox grave proelium Commisit, immanesque Raetos Auspiciis pepulit secundis. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0195" n="191"/> <p>Die gefürstete Grafschaft Tirol war in alten Zeiten ein Theil des Berglandes, das die Römer Rhätia nannten. Dessen erste Bewohner sollen nach längst verklungenen Sagen tuscischen Stammes und vorher in den Ebenen am Padus seßhaft gewesen, von dort aber beim Einbruch der Gallier unter ihrem Führer Rhätus in die Alpen gezogen seyn. Neuere Forscher haben diese uralte Verwandtschaft der Rhätier mit den Etruskern beglaubigt gefunden, aber der Ueberlieferung entgegen angenommen, es seyen in vorgeschichtlichen Zeiten die Etrusker aus den Alpen an die Tiber hinabgezogen, sohin die Rhätier nicht die Enkel, sondern die Ahnherren des mächtigen Volkes, das später fast alle Länder Oberitaliens beherrschte. Was sich als Zeugniß für diesen alten Zusammenhang auf rhätischem Boden noch heutzutage sammeln läßt, soll, wenn Zeit und Raum vorhanden, am Ende dieses Buchs besprochen werden.</p> <p>Vierzehn Jahre vor Christi Geburt sandte Kaiser Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit Heeresmacht gegen dieses Alpenland und die freien Rhätier erlagen den Römern. Damals sang Horaz jene oft angeführten Verse:</p> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Drusus Genaunos, implacidum genus,</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Breunosque veloces et arces</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Alpibus impositas tremendis</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Dejecit acer plus vice simplici.</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Major Neronum mox grave proelium</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Commisit, immanesque Raetos</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Auspiciis pepulit secundis.</hi></l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [191/0195]
Die gefürstete Grafschaft Tirol war in alten Zeiten ein Theil des Berglandes, das die Römer Rhätia nannten. Dessen erste Bewohner sollen nach längst verklungenen Sagen tuscischen Stammes und vorher in den Ebenen am Padus seßhaft gewesen, von dort aber beim Einbruch der Gallier unter ihrem Führer Rhätus in die Alpen gezogen seyn. Neuere Forscher haben diese uralte Verwandtschaft der Rhätier mit den Etruskern beglaubigt gefunden, aber der Ueberlieferung entgegen angenommen, es seyen in vorgeschichtlichen Zeiten die Etrusker aus den Alpen an die Tiber hinabgezogen, sohin die Rhätier nicht die Enkel, sondern die Ahnherren des mächtigen Volkes, das später fast alle Länder Oberitaliens beherrschte. Was sich als Zeugniß für diesen alten Zusammenhang auf rhätischem Boden noch heutzutage sammeln läßt, soll, wenn Zeit und Raum vorhanden, am Ende dieses Buchs besprochen werden.
Vierzehn Jahre vor Christi Geburt sandte Kaiser Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius mit Heeresmacht gegen dieses Alpenland und die freien Rhätier erlagen den Römern. Damals sang Horaz jene oft angeführten Verse:
Drusus Genaunos, implacidum genus,
Breunosque veloces et arces
Alpibus impositas tremendis
Dejecit acer plus vice simplici.
Major Neronum mox grave proelium
Commisit, immanesque Raetos
Auspiciis pepulit secundis.
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