Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Dieser würde morgen früh erscheinen um, als am Sonntag, in die Kirche zu gehen, und der würde uns führen wohin wir wollten. Unter großen Hoffnungen schlüpften wir zuletzt in die kleinen Betten und verfielen in sanften Schlaf. Am andern Morgen, es war der des 6 August 1842, erschien Nicodemus von Rofen und erklärte sich, wie voraus gesagt war, ohne Umschweife bereit uns übers Niederjoch nach Schnals zu führen, vorher aber gedenke er noch zur Sonntagsandacht ins Amt zu gehen, welches sammt Predigt bis zehn Uhr dauern sollte. Zu gleicher Zeit lud uns auch der Wirth ein mit ihm in die Kirche zu wallen, da das Haus geschlossen werde. So gingen wir bescheiden und mit niedergeschlagenen Augen auf die Kirche zu. An der Pforte bemerkte uns sofort der Gastfreund, hier sollten wir stehen bleiben, denn die Plätze im Innern seyen alle ausgetheilt und für uns keine Unterkunft. Blieben also einige Zeit an der Thüre stehen, bis die männliche Alpenjugend immer dichter herandrängte und mit breiten Ellenbogen auch den Raum auf der Schwelle besetzte. Unter dieser Bedrängniß mußten wir wider Willen ins Freie treten. Mittlerweile fing es zu tröpfeln an und wir verehrten unsern Gott in leisem Regen, waren etwas trübselig und mischten in unser Gebet hie und da ironische Betrachtungen über die sieben Seligkeiten der Bergreisen. Dieß dauerte eine gute Weile. Endlich kam der Wirth mit den Schlüsseln und wir trachteten fröhlich der Herberge zu und versprachen uns, da vorderhand keine Hoffnung zum Aufbruch war, viele Belehrung von den Gesprächen die wir mit den Betern führen wollten, wenn sie nach dem Gottesdienste durstig ins Wirthshaus kommen würden, nahmen auch zu diesem Zwecke schon vorhinein einen guten Platz. Alsbald wälzten sich die Vender und ihre Nachbarn in dickem Haufen zur Stubenthüre herein, besetzten alle Bänke und Stühle die noch frei waren, und etliche welche nicht mehr unterkommen konnten, blickten von der Schwelle begehrlich ins Gemach. Um diese Zeit nahte der Wirth, fragte ob es uns hier nicht zu lärmend sey, und als wir mit einem vernehmlichen Nein geantwortet, drehte er seine Rede und bat uns freundlich, ja sehr freundlich, zu bedenken, daß Dieser würde morgen früh erscheinen um, als am Sonntag, in die Kirche zu gehen, und der würde uns führen wohin wir wollten. Unter großen Hoffnungen schlüpften wir zuletzt in die kleinen Betten und verfielen in sanften Schlaf. Am andern Morgen, es war der des 6 August 1842, erschien Nicodemus von Rofen und erklärte sich, wie voraus gesagt war, ohne Umschweife bereit uns übers Niederjoch nach Schnals zu führen, vorher aber gedenke er noch zur Sonntagsandacht ins Amt zu gehen, welches sammt Predigt bis zehn Uhr dauern sollte. Zu gleicher Zeit lud uns auch der Wirth ein mit ihm in die Kirche zu wallen, da das Haus geschlossen werde. So gingen wir bescheiden und mit niedergeschlagenen Augen auf die Kirche zu. An der Pforte bemerkte uns sofort der Gastfreund, hier sollten wir stehen bleiben, denn die Plätze im Innern seyen alle ausgetheilt und für uns keine Unterkunft. Blieben also einige Zeit an der Thüre stehen, bis die männliche Alpenjugend immer dichter herandrängte und mit breiten Ellenbogen auch den Raum auf der Schwelle besetzte. Unter dieser Bedrängniß mußten wir wider Willen ins Freie treten. Mittlerweile fing es zu tröpfeln an und wir verehrten unsern Gott in leisem Regen, waren etwas trübselig und mischten in unser Gebet hie und da ironische Betrachtungen über die sieben Seligkeiten der Bergreisen. Dieß dauerte eine gute Weile. Endlich kam der Wirth mit den Schlüsseln und wir trachteten fröhlich der Herberge zu und versprachen uns, da vorderhand keine Hoffnung zum Aufbruch war, viele Belehrung von den Gesprächen die wir mit den Betern führen wollten, wenn sie nach dem Gottesdienste durstig ins Wirthshaus kommen würden, nahmen auch zu diesem Zwecke schon vorhinein einen guten Platz. Alsbald wälzten sich die Vender und ihre Nachbarn in dickem Haufen zur Stubenthüre herein, besetzten alle Bänke und Stühle die noch frei waren, und etliche welche nicht mehr unterkommen konnten, blickten von der Schwelle begehrlich ins Gemach. Um diese Zeit nahte der Wirth, fragte ob es uns hier nicht zu lärmend sey, und als wir mit einem vernehmlichen Nein geantwortet, drehte er seine Rede und bat uns freundlich, ja sehr freundlich, zu bedenken, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0234" n="230"/> Dieser würde morgen früh erscheinen um, als am Sonntag, in die Kirche zu gehen, und der würde uns führen wohin wir wollten. Unter großen Hoffnungen schlüpften wir zuletzt in die kleinen Betten und verfielen in sanften Schlaf.</p> <p>Am andern Morgen, es war der des 6 August 1842, erschien Nicodemus von Rofen und erklärte sich, wie voraus gesagt war, ohne Umschweife bereit uns übers Niederjoch nach Schnals zu führen, vorher aber gedenke er noch zur Sonntagsandacht ins Amt zu gehen, welches sammt Predigt bis zehn Uhr dauern sollte. Zu gleicher Zeit lud uns auch der Wirth ein mit ihm in die Kirche zu wallen, da das Haus geschlossen werde. So gingen wir bescheiden und mit niedergeschlagenen Augen auf die Kirche zu. An der Pforte bemerkte uns sofort der Gastfreund, hier sollten wir stehen bleiben, denn die Plätze im Innern seyen alle ausgetheilt und für uns keine Unterkunft. Blieben also einige Zeit an der Thüre stehen, bis die männliche Alpenjugend immer dichter herandrängte und mit breiten Ellenbogen auch den Raum auf der Schwelle besetzte. Unter dieser Bedrängniß mußten wir wider Willen ins Freie treten. Mittlerweile fing es zu tröpfeln an und wir verehrten unsern Gott in leisem Regen, waren etwas trübselig und mischten in unser Gebet hie und da ironische Betrachtungen über die sieben Seligkeiten der Bergreisen. Dieß dauerte eine gute Weile. Endlich kam der Wirth mit den Schlüsseln und wir trachteten fröhlich der Herberge zu und versprachen uns, da vorderhand keine Hoffnung zum Aufbruch war, viele Belehrung von den Gesprächen die wir mit den Betern führen wollten, wenn sie nach dem Gottesdienste durstig ins Wirthshaus kommen würden, nahmen auch zu diesem Zwecke schon vorhinein einen guten Platz. Alsbald wälzten sich die Vender und ihre Nachbarn in dickem Haufen zur Stubenthüre herein, besetzten alle Bänke und Stühle die noch frei waren, und etliche welche nicht mehr unterkommen konnten, blickten von der Schwelle begehrlich ins Gemach. Um diese Zeit nahte der Wirth, fragte ob es uns hier nicht zu lärmend sey, und als wir mit einem vernehmlichen Nein geantwortet, drehte er seine Rede und bat uns freundlich, ja sehr freundlich, zu bedenken, daß </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0234]
Dieser würde morgen früh erscheinen um, als am Sonntag, in die Kirche zu gehen, und der würde uns führen wohin wir wollten. Unter großen Hoffnungen schlüpften wir zuletzt in die kleinen Betten und verfielen in sanften Schlaf.
Am andern Morgen, es war der des 6 August 1842, erschien Nicodemus von Rofen und erklärte sich, wie voraus gesagt war, ohne Umschweife bereit uns übers Niederjoch nach Schnals zu führen, vorher aber gedenke er noch zur Sonntagsandacht ins Amt zu gehen, welches sammt Predigt bis zehn Uhr dauern sollte. Zu gleicher Zeit lud uns auch der Wirth ein mit ihm in die Kirche zu wallen, da das Haus geschlossen werde. So gingen wir bescheiden und mit niedergeschlagenen Augen auf die Kirche zu. An der Pforte bemerkte uns sofort der Gastfreund, hier sollten wir stehen bleiben, denn die Plätze im Innern seyen alle ausgetheilt und für uns keine Unterkunft. Blieben also einige Zeit an der Thüre stehen, bis die männliche Alpenjugend immer dichter herandrängte und mit breiten Ellenbogen auch den Raum auf der Schwelle besetzte. Unter dieser Bedrängniß mußten wir wider Willen ins Freie treten. Mittlerweile fing es zu tröpfeln an und wir verehrten unsern Gott in leisem Regen, waren etwas trübselig und mischten in unser Gebet hie und da ironische Betrachtungen über die sieben Seligkeiten der Bergreisen. Dieß dauerte eine gute Weile. Endlich kam der Wirth mit den Schlüsseln und wir trachteten fröhlich der Herberge zu und versprachen uns, da vorderhand keine Hoffnung zum Aufbruch war, viele Belehrung von den Gesprächen die wir mit den Betern führen wollten, wenn sie nach dem Gottesdienste durstig ins Wirthshaus kommen würden, nahmen auch zu diesem Zwecke schon vorhinein einen guten Platz. Alsbald wälzten sich die Vender und ihre Nachbarn in dickem Haufen zur Stubenthüre herein, besetzten alle Bänke und Stühle die noch frei waren, und etliche welche nicht mehr unterkommen konnten, blickten von der Schwelle begehrlich ins Gemach. Um diese Zeit nahte der Wirth, fragte ob es uns hier nicht zu lärmend sey, und als wir mit einem vernehmlichen Nein geantwortet, drehte er seine Rede und bat uns freundlich, ja sehr freundlich, zu bedenken, daß
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