Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.wenn er hört daß wir an diesem Abende sehr viel Wein und sehr wenig Wasser getrunken haben, und erst nach Mitternacht zu Bette gegangen sind. Am andern Tage bereitete uns Seppele's Schwester noch ein vortreffliches Frühstück und der Bruder machte uns dazu die Rechnung, welche nicht ganz einen Gulden betrug für die Person, daher auch eine der billigsten war, die wir im Gebirge bezahlt, obgleich nicht zu vergessen ist, daß hier das Seidel Wein nur mehr vier Kreuzer kostet, während es in Vend auf acht oder neun zu stehen kommt. "Wünsch' wohl auf zu leben," sagte uns Seppele zum Abgang, und dieser Abschiedsgruß bleibt von jetzt an der übliche bis man wieder auf den Brenner kommt. Unsere Liebe Frau von Schnals liegt also in einem grünen kesselartigen Hochthale und ist ein Dorf das zumeist aus zerstreuten Höfen besteht, welche in weitem Kreise die Kirche umlagern, die ehedem ein besuchter Wallfahrtsort war. Jedoch ist nur die Gegend um das Dorf so offen und mild, denn alsbald schließt sich das Thal wieder und nackte morsche Wände, an denen der Pfad nur mit Mühe sich hält, engen den Bach ein. Der Weg geht in der Höhe immer am Abgrunde hin, lange Zeit mit keiner andern Aussicht als auf öde, kahle Schrofen. Hoch an dem Tobel fortziehend gelangten wir zur Carthause von Schnals, auch Allerengelsberg genannt, welche König Heinrich von Böhmen im Jahre 1326 stiftete. Der Prior der Carthauser war Hofcaplan der Grafen von Tirol und hatte Sitz und Stimme auf der Prälatenbank der tirolischen Landtage. Er lebte mit seinen Brüdern in allerdings sehr ascetischer Gegend von schmackhaften Fischen und gutem Weine. Aus dem See zu Haid ob Mals, der dem Kloster angehörig, zappelten die edelsten Flossenträger im Küchenbrunnen zu Schnals. Kaiser Joseph hob die Carthause auf und seitdem ist die königlich böhmische Stiftung in bösen Abfall gerathen. Die Zellen der frommen Mönche sind jetzt armen Leuten zur Wohnung hingegeben. Auf den alten Mauern wachsen junge Gräser. wenn er hört daß wir an diesem Abende sehr viel Wein und sehr wenig Wasser getrunken haben, und erst nach Mitternacht zu Bette gegangen sind. Am andern Tage bereitete uns Seppele’s Schwester noch ein vortreffliches Frühstück und der Bruder machte uns dazu die Rechnung, welche nicht ganz einen Gulden betrug für die Person, daher auch eine der billigsten war, die wir im Gebirge bezahlt, obgleich nicht zu vergessen ist, daß hier das Seidel Wein nur mehr vier Kreuzer kostet, während es in Vend auf acht oder neun zu stehen kommt. „Wünsch’ wohl auf zu leben,“ sagte uns Seppele zum Abgang, und dieser Abschiedsgruß bleibt von jetzt an der übliche bis man wieder auf den Brenner kommt. Unsere Liebe Frau von Schnals liegt also in einem grünen kesselartigen Hochthale und ist ein Dorf das zumeist aus zerstreuten Höfen besteht, welche in weitem Kreise die Kirche umlagern, die ehedem ein besuchter Wallfahrtsort war. Jedoch ist nur die Gegend um das Dorf so offen und mild, denn alsbald schließt sich das Thal wieder und nackte morsche Wände, an denen der Pfad nur mit Mühe sich hält, engen den Bach ein. Der Weg geht in der Höhe immer am Abgrunde hin, lange Zeit mit keiner andern Aussicht als auf öde, kahle Schrofen. Hoch an dem Tobel fortziehend gelangten wir zur Carthause von Schnals, auch Allerengelsberg genannt, welche König Heinrich von Böhmen im Jahre 1326 stiftete. Der Prior der Carthauser war Hofcaplan der Grafen von Tirol und hatte Sitz und Stimme auf der Prälatenbank der tirolischen Landtage. Er lebte mit seinen Brüdern in allerdings sehr ascetischer Gegend von schmackhaften Fischen und gutem Weine. Aus dem See zu Haid ob Mals, der dem Kloster angehörig, zappelten die edelsten Flossenträger im Küchenbrunnen zu Schnals. Kaiser Joseph hob die Carthause auf und seitdem ist die königlich böhmische Stiftung in bösen Abfall gerathen. Die Zellen der frommen Mönche sind jetzt armen Leuten zur Wohnung hingegeben. Auf den alten Mauern wachsen junge Gräser. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0251" n="247"/> wenn er hört daß wir an diesem Abende sehr viel Wein und sehr wenig Wasser getrunken haben, und erst nach Mitternacht zu Bette gegangen sind.</p> <p>Am andern Tage bereitete uns Seppele’s Schwester noch ein vortreffliches Frühstück und der Bruder machte uns dazu die Rechnung, welche nicht ganz einen Gulden betrug für die Person, daher auch eine der billigsten war, die wir im Gebirge bezahlt, obgleich nicht zu vergessen ist, daß hier das Seidel Wein nur mehr vier Kreuzer kostet, während es in Vend auf acht oder neun zu stehen kommt. „Wünsch’ wohl auf zu leben,“ sagte uns Seppele zum Abgang, und dieser Abschiedsgruß bleibt von jetzt an der übliche bis man wieder auf den Brenner kommt.</p> <p>Unsere Liebe Frau von Schnals liegt also in einem grünen kesselartigen Hochthale und ist ein Dorf das zumeist aus zerstreuten Höfen besteht, welche in weitem Kreise die Kirche umlagern, die ehedem ein besuchter Wallfahrtsort war. Jedoch ist nur die Gegend um das Dorf so offen und mild, denn alsbald schließt sich das Thal wieder und nackte morsche Wände, an denen der Pfad nur mit Mühe sich hält, engen den Bach ein. Der Weg geht in der Höhe immer am Abgrunde hin, lange Zeit mit keiner andern Aussicht als auf öde, kahle Schrofen.</p> <p>Hoch an dem Tobel fortziehend gelangten wir zur Carthause von Schnals, auch Allerengelsberg genannt, welche König Heinrich von Böhmen im Jahre 1326 stiftete. Der Prior der Carthauser war Hofcaplan der Grafen von Tirol und hatte Sitz und Stimme auf der Prälatenbank der tirolischen Landtage. Er lebte mit seinen Brüdern in allerdings sehr ascetischer Gegend von schmackhaften Fischen und gutem Weine. Aus dem See zu Haid ob Mals, der dem Kloster angehörig, zappelten die edelsten Flossenträger im Küchenbrunnen zu Schnals. Kaiser Joseph hob die Carthause auf und seitdem ist die königlich böhmische Stiftung in bösen Abfall gerathen. Die Zellen der frommen Mönche sind jetzt armen Leuten zur Wohnung hingegeben. Auf den alten Mauern wachsen junge Gräser.</p> </div> </body> </text> </TEI> [247/0251]
wenn er hört daß wir an diesem Abende sehr viel Wein und sehr wenig Wasser getrunken haben, und erst nach Mitternacht zu Bette gegangen sind.
Am andern Tage bereitete uns Seppele’s Schwester noch ein vortreffliches Frühstück und der Bruder machte uns dazu die Rechnung, welche nicht ganz einen Gulden betrug für die Person, daher auch eine der billigsten war, die wir im Gebirge bezahlt, obgleich nicht zu vergessen ist, daß hier das Seidel Wein nur mehr vier Kreuzer kostet, während es in Vend auf acht oder neun zu stehen kommt. „Wünsch’ wohl auf zu leben,“ sagte uns Seppele zum Abgang, und dieser Abschiedsgruß bleibt von jetzt an der übliche bis man wieder auf den Brenner kommt.
Unsere Liebe Frau von Schnals liegt also in einem grünen kesselartigen Hochthale und ist ein Dorf das zumeist aus zerstreuten Höfen besteht, welche in weitem Kreise die Kirche umlagern, die ehedem ein besuchter Wallfahrtsort war. Jedoch ist nur die Gegend um das Dorf so offen und mild, denn alsbald schließt sich das Thal wieder und nackte morsche Wände, an denen der Pfad nur mit Mühe sich hält, engen den Bach ein. Der Weg geht in der Höhe immer am Abgrunde hin, lange Zeit mit keiner andern Aussicht als auf öde, kahle Schrofen.
Hoch an dem Tobel fortziehend gelangten wir zur Carthause von Schnals, auch Allerengelsberg genannt, welche König Heinrich von Böhmen im Jahre 1326 stiftete. Der Prior der Carthauser war Hofcaplan der Grafen von Tirol und hatte Sitz und Stimme auf der Prälatenbank der tirolischen Landtage. Er lebte mit seinen Brüdern in allerdings sehr ascetischer Gegend von schmackhaften Fischen und gutem Weine. Aus dem See zu Haid ob Mals, der dem Kloster angehörig, zappelten die edelsten Flossenträger im Küchenbrunnen zu Schnals. Kaiser Joseph hob die Carthause auf und seitdem ist die königlich böhmische Stiftung in bösen Abfall gerathen. Die Zellen der frommen Mönche sind jetzt armen Leuten zur Wohnung hingegeben. Auf den alten Mauern wachsen junge Gräser.
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