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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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einmal des Jahres in einer andern Jacke zu erscheinen, nicht versagen. Ein paarmal während dieser Zeit verschafft auch der gutgeübte und lobenswerthe Musikverein etliche Unterhaltung. Darnach wird's wieder sehr ruhig. Abendgesellschaften kennt man nicht, wohl aber Einladungen zur Marende. Man ißt hier gewöhnlich um eilf Uhr zu Mittag und nimmt um drei Uhr ein Vesperbrod, welches man die Marende nennt. Dazu laden denn hin und wieder die Frauen ihre Freundinnen und allenfalls die Ehemänner derselben. Die Marende, wenn sie als gastlicher Imbiß auftritt, besteht aus Kaffee mit "halbgeschlegelter" Butter, aus Wein und großen Trachten von kalten Speisen. Sonst ist die Besuchzeit Sonntag Vormittag, wo man sich nach der Messe in feiertäglichem Putze Aufwartung macht. Die Meraner Familien fühlen sich so viel man hört sehr behaglich in dieser stillen Art des Lebens, und es ist daher auch kaum räthlich ihnen mehr Vergnügen aufreden zu wollen. Am wenigsten Trieb dazu möchten die Fremden empfinden, da ihrer in neuerer Zeit immer eine solche Anzahl vorhanden ist, daß sie wohl unter einander selbst Gesellschaft und Zeitvertreib genug zu finden haben. Mancher gute Plan mißlang auch schon und gleich der Gedanke, in einem der letzten Winter nach dem Muster des Ferdinandeums in Innsbruck wissenschaftliche Vorlesungen zu geben, scheiterte an Hindernissen, die nicht in den Ringmauern der Stadt selbst zu suchen sind. Bei solchen Umständen ist es allerdings fast wunderlich, wenn Pater Albertus der Capuciner, in seinen Predigten immer wieder auf die sündlichen Weltfreuden und die vielfältigen und unausgesetzten Lustbarkeiten der Meraner strafend zurückkommt und so viel Redens davon macht, daß in dieser Zeit einmal ein hypochondrischer Curgast mit größtem Fleiß zu ihm lief, bittend er möchte ihm um Gotteswillen sagen, wo diese Unterhaltungen vorgingen, indem er nahe daran sey vor Langweile zu bersten. Jetzt hat's der fromme Dekan auch dahin gebracht, daß an den Sonntagen die Buschen (Weinschenken) und die beiden Stadtbillarde bis vier Uhr unzugänglich sind, und der schönste Traum, den er hat, ist die baldige Abschaffung des weltlichen Tanzens bei den Jahrtagen der Handwerker. - Die jüngeren

einmal des Jahres in einer andern Jacke zu erscheinen, nicht versagen. Ein paarmal während dieser Zeit verschafft auch der gutgeübte und lobenswerthe Musikverein etliche Unterhaltung. Darnach wird’s wieder sehr ruhig. Abendgesellschaften kennt man nicht, wohl aber Einladungen zur Marende. Man ißt hier gewöhnlich um eilf Uhr zu Mittag und nimmt um drei Uhr ein Vesperbrod, welches man die Marende nennt. Dazu laden denn hin und wieder die Frauen ihre Freundinnen und allenfalls die Ehemänner derselben. Die Marende, wenn sie als gastlicher Imbiß auftritt, besteht aus Kaffee mit „halbgeschlegelter“ Butter, aus Wein und großen Trachten von kalten Speisen. Sonst ist die Besuchzeit Sonntag Vormittag, wo man sich nach der Messe in feiertäglichem Putze Aufwartung macht. Die Meraner Familien fühlen sich so viel man hört sehr behaglich in dieser stillen Art des Lebens, und es ist daher auch kaum räthlich ihnen mehr Vergnügen aufreden zu wollen. Am wenigsten Trieb dazu möchten die Fremden empfinden, da ihrer in neuerer Zeit immer eine solche Anzahl vorhanden ist, daß sie wohl unter einander selbst Gesellschaft und Zeitvertreib genug zu finden haben. Mancher gute Plan mißlang auch schon und gleich der Gedanke, in einem der letzten Winter nach dem Muster des Ferdinandeums in Innsbruck wissenschaftliche Vorlesungen zu geben, scheiterte an Hindernissen, die nicht in den Ringmauern der Stadt selbst zu suchen sind. Bei solchen Umständen ist es allerdings fast wunderlich, wenn Pater Albertus der Capuciner, in seinen Predigten immer wieder auf die sündlichen Weltfreuden und die vielfältigen und unausgesetzten Lustbarkeiten der Meraner strafend zurückkommt und so viel Redens davon macht, daß in dieser Zeit einmal ein hypochondrischer Curgast mit größtem Fleiß zu ihm lief, bittend er möchte ihm um Gotteswillen sagen, wo diese Unterhaltungen vorgingen, indem er nahe daran sey vor Langweile zu bersten. Jetzt hat’s der fromme Dekan auch dahin gebracht, daß an den Sonntagen die Buschen (Weinschenken) und die beiden Stadtbillarde bis vier Uhr unzugänglich sind, und der schönste Traum, den er hat, ist die baldige Abschaffung des weltlichen Tanzens bei den Jahrtagen der Handwerker. – Die jüngeren

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[297/0301] einmal des Jahres in einer andern Jacke zu erscheinen, nicht versagen. Ein paarmal während dieser Zeit verschafft auch der gutgeübte und lobenswerthe Musikverein etliche Unterhaltung. Darnach wird’s wieder sehr ruhig. Abendgesellschaften kennt man nicht, wohl aber Einladungen zur Marende. Man ißt hier gewöhnlich um eilf Uhr zu Mittag und nimmt um drei Uhr ein Vesperbrod, welches man die Marende nennt. Dazu laden denn hin und wieder die Frauen ihre Freundinnen und allenfalls die Ehemänner derselben. Die Marende, wenn sie als gastlicher Imbiß auftritt, besteht aus Kaffee mit „halbgeschlegelter“ Butter, aus Wein und großen Trachten von kalten Speisen. Sonst ist die Besuchzeit Sonntag Vormittag, wo man sich nach der Messe in feiertäglichem Putze Aufwartung macht. Die Meraner Familien fühlen sich so viel man hört sehr behaglich in dieser stillen Art des Lebens, und es ist daher auch kaum räthlich ihnen mehr Vergnügen aufreden zu wollen. Am wenigsten Trieb dazu möchten die Fremden empfinden, da ihrer in neuerer Zeit immer eine solche Anzahl vorhanden ist, daß sie wohl unter einander selbst Gesellschaft und Zeitvertreib genug zu finden haben. Mancher gute Plan mißlang auch schon und gleich der Gedanke, in einem der letzten Winter nach dem Muster des Ferdinandeums in Innsbruck wissenschaftliche Vorlesungen zu geben, scheiterte an Hindernissen, die nicht in den Ringmauern der Stadt selbst zu suchen sind. Bei solchen Umständen ist es allerdings fast wunderlich, wenn Pater Albertus der Capuciner, in seinen Predigten immer wieder auf die sündlichen Weltfreuden und die vielfältigen und unausgesetzten Lustbarkeiten der Meraner strafend zurückkommt und so viel Redens davon macht, daß in dieser Zeit einmal ein hypochondrischer Curgast mit größtem Fleiß zu ihm lief, bittend er möchte ihm um Gotteswillen sagen, wo diese Unterhaltungen vorgingen, indem er nahe daran sey vor Langweile zu bersten. Jetzt hat’s der fromme Dekan auch dahin gebracht, daß an den Sonntagen die Buschen (Weinschenken) und die beiden Stadtbillarde bis vier Uhr unzugänglich sind, und der schönste Traum, den er hat, ist die baldige Abschaffung des weltlichen Tanzens bei den Jahrtagen der Handwerker. – Die jüngeren

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/301>, abgerufen am 23.11.2024.