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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Jahre 1764 noch die Tracht der angesehensten Stadtfrauen. Die hohen Weiberhüte, wie sie jetzt im Unterinnthale getragen werden, bildeten nach ältern Votivtafeln, die in oberbayerischen Wallfahrtskirchen hängen, um den Anfang des vorigen Jahrhunderts die Zierde vornehmerer Damen. Die Pelzkappe, welche in unsern Tagen die vermöglichen Bäuerinnen in Oberbayern tragen, trug im Jahre 1669 die Frau Kammerräthin Mayr, deren Conterfei im Gange des Klosters Schäftlarn zu finden. Im Allgemeinen dürften wenige Trachten älter seyn als drei Jahrhunderte. Ihre Verschiedenheit aber scheint dadurch zu entstehen, daß sich in den verschiedenen Gegenden die chronische Empfänglichkeit zu verschiedenen Zeiten einstellt, wie sie denn auch bei den beiden Geschlechtern nicht immer gleichzeitig auftritt, und das eine oft eine Neuerung einführt, während das andere alles beim Alten läßt. Eine theilweise Aenderung hat in diesem Menschenalter der bayerische Bauer zwischen Isar und Lech vorgenommen und dabei, wie sich versteht, die Herrenmode mit den langen Röcken und den eingebogenen Hüten sich angeeignet, wie sie etwa vor fünfundzwanzig Jahren getragen wurden, beides freilich in etwas derberer Form. - Die Weiber dortiger Gegend aber blieben in allen Stücken beim alten Herkommen; dagegen sind die am Chiemsee und um den Tegernsee von den Keulenärmeln, die vor etwa fünfzehn Jahren das Neueste waren, hingerissen worden und haben sie mit Belassung des Uebrigen ihrem Anzug vereint. Gigotärmel und die langen Herrenröcke und eingebogenen Hüte werden in den angegebenen Gegenden wahrscheinlich unsre Enkel noch zu gewahren haben. Eine Hauptquelle für die Geschichte der Volkstrachten sind die Votivtafeln bei den Gnadenbildern. Schade, daß in den größern Wallfahrtsorten die ältern immer verworfen oder verbrannt werden, wenn wieder Platz für neue geschafft werden soll. Eine passende Auswahl aus den früheren würde manche anziehende Vergleichung gestatten.

Vom Wirthshause zog das Hochzeitspaar mit seinem Gefolge zur Kirche, in deren Wände neben jenen uralten steinernen Köpfen auch viele Grabmäler längst verstorbener Herren

Jahre 1764 noch die Tracht der angesehensten Stadtfrauen. Die hohen Weiberhüte, wie sie jetzt im Unterinnthale getragen werden, bildeten nach ältern Votivtafeln, die in oberbayerischen Wallfahrtskirchen hängen, um den Anfang des vorigen Jahrhunderts die Zierde vornehmerer Damen. Die Pelzkappe, welche in unsern Tagen die vermöglichen Bäuerinnen in Oberbayern tragen, trug im Jahre 1669 die Frau Kammerräthin Mayr, deren Conterfei im Gange des Klosters Schäftlarn zu finden. Im Allgemeinen dürften wenige Trachten älter seyn als drei Jahrhunderte. Ihre Verschiedenheit aber scheint dadurch zu entstehen, daß sich in den verschiedenen Gegenden die chronische Empfänglichkeit zu verschiedenen Zeiten einstellt, wie sie denn auch bei den beiden Geschlechtern nicht immer gleichzeitig auftritt, und das eine oft eine Neuerung einführt, während das andere alles beim Alten läßt. Eine theilweise Aenderung hat in diesem Menschenalter der bayerische Bauer zwischen Isar und Lech vorgenommen und dabei, wie sich versteht, die Herrenmode mit den langen Röcken und den eingebogenen Hüten sich angeeignet, wie sie etwa vor fünfundzwanzig Jahren getragen wurden, beides freilich in etwas derberer Form. – Die Weiber dortiger Gegend aber blieben in allen Stücken beim alten Herkommen; dagegen sind die am Chiemsee und um den Tegernsee von den Keulenärmeln, die vor etwa fünfzehn Jahren das Neueste waren, hingerissen worden und haben sie mit Belassung des Uebrigen ihrem Anzug vereint. Gigotärmel und die langen Herrenröcke und eingebogenen Hüte werden in den angegebenen Gegenden wahrscheinlich unsre Enkel noch zu gewahren haben. Eine Hauptquelle für die Geschichte der Volkstrachten sind die Votivtafeln bei den Gnadenbildern. Schade, daß in den größern Wallfahrtsorten die ältern immer verworfen oder verbrannt werden, wenn wieder Platz für neue geschafft werden soll. Eine passende Auswahl aus den früheren würde manche anziehende Vergleichung gestatten.

Vom Wirthshause zog das Hochzeitspaar mit seinem Gefolge zur Kirche, in deren Wände neben jenen uralten steinernen Köpfen auch viele Grabmäler längst verstorbener Herren

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Jahre 1764 noch die Tracht der angesehensten Stadtfrauen. Die hohen Weiberhüte, wie sie jetzt im Unterinnthale getragen werden, bildeten nach ältern Votivtafeln, die in oberbayerischen Wallfahrtskirchen hängen, um den Anfang des vorigen Jahrhunderts die Zierde vornehmerer Damen. Die Pelzkappe, welche in unsern Tagen die vermöglichen Bäuerinnen in Oberbayern tragen, trug im Jahre 1669 die Frau Kammerräthin Mayr, deren Conterfei im Gange des Klosters Schäftlarn zu finden. Im Allgemeinen dürften wenige Trachten älter seyn als drei Jahrhunderte. Ihre Verschiedenheit aber scheint dadurch zu entstehen, daß sich in den verschiedenen Gegenden die chronische Empfänglichkeit zu verschiedenen Zeiten einstellt, wie sie denn auch bei den beiden Geschlechtern nicht immer gleichzeitig auftritt, und das eine oft eine Neuerung einführt, während das andere alles beim Alten läßt. Eine theilweise Aenderung hat in diesem Menschenalter der bayerische Bauer zwischen Isar und Lech vorgenommen und dabei, wie sich versteht, die Herrenmode mit den langen Röcken und den eingebogenen Hüten sich angeeignet, wie sie etwa vor fünfundzwanzig Jahren getragen wurden, beides freilich in etwas derberer Form. &#x2013; Die Weiber dortiger Gegend aber blieben in allen Stücken beim alten Herkommen; dagegen sind die am Chiemsee und um den Tegernsee von den Keulenärmeln, die vor etwa fünfzehn Jahren das Neueste waren, hingerissen worden und haben sie mit Belassung des Uebrigen ihrem Anzug vereint. Gigotärmel und die langen Herrenröcke und eingebogenen Hüte werden in den angegebenen Gegenden wahrscheinlich unsre Enkel noch zu gewahren haben. Eine Hauptquelle für die Geschichte der Volkstrachten sind die Votivtafeln bei den Gnadenbildern. Schade, daß in den größern Wallfahrtsorten die ältern immer verworfen oder verbrannt werden, wenn wieder Platz für neue geschafft werden soll. Eine passende Auswahl aus den früheren würde manche anziehende Vergleichung gestatten.</p>
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[335/0339] Jahre 1764 noch die Tracht der angesehensten Stadtfrauen. Die hohen Weiberhüte, wie sie jetzt im Unterinnthale getragen werden, bildeten nach ältern Votivtafeln, die in oberbayerischen Wallfahrtskirchen hängen, um den Anfang des vorigen Jahrhunderts die Zierde vornehmerer Damen. Die Pelzkappe, welche in unsern Tagen die vermöglichen Bäuerinnen in Oberbayern tragen, trug im Jahre 1669 die Frau Kammerräthin Mayr, deren Conterfei im Gange des Klosters Schäftlarn zu finden. Im Allgemeinen dürften wenige Trachten älter seyn als drei Jahrhunderte. Ihre Verschiedenheit aber scheint dadurch zu entstehen, daß sich in den verschiedenen Gegenden die chronische Empfänglichkeit zu verschiedenen Zeiten einstellt, wie sie denn auch bei den beiden Geschlechtern nicht immer gleichzeitig auftritt, und das eine oft eine Neuerung einführt, während das andere alles beim Alten läßt. Eine theilweise Aenderung hat in diesem Menschenalter der bayerische Bauer zwischen Isar und Lech vorgenommen und dabei, wie sich versteht, die Herrenmode mit den langen Röcken und den eingebogenen Hüten sich angeeignet, wie sie etwa vor fünfundzwanzig Jahren getragen wurden, beides freilich in etwas derberer Form. – Die Weiber dortiger Gegend aber blieben in allen Stücken beim alten Herkommen; dagegen sind die am Chiemsee und um den Tegernsee von den Keulenärmeln, die vor etwa fünfzehn Jahren das Neueste waren, hingerissen worden und haben sie mit Belassung des Uebrigen ihrem Anzug vereint. Gigotärmel und die langen Herrenröcke und eingebogenen Hüte werden in den angegebenen Gegenden wahrscheinlich unsre Enkel noch zu gewahren haben. Eine Hauptquelle für die Geschichte der Volkstrachten sind die Votivtafeln bei den Gnadenbildern. Schade, daß in den größern Wallfahrtsorten die ältern immer verworfen oder verbrannt werden, wenn wieder Platz für neue geschafft werden soll. Eine passende Auswahl aus den früheren würde manche anziehende Vergleichung gestatten. Vom Wirthshause zog das Hochzeitspaar mit seinem Gefolge zur Kirche, in deren Wände neben jenen uralten steinernen Köpfen auch viele Grabmäler längst verstorbener Herren

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/339>, abgerufen am 23.11.2024.