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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zu Fuß oder zu Pferde in drei bis vier Stunden zu erreichen. Man geht an der Zenoburg vorbei über Riffian nach Saltaus, einem Edelhofe, der jetzt dem Bürgermeister von Meran gehört. Er ist zum Wirthshaus eingerichtet und der letzte Ort, wo auf dieser Seite die Rebe gezogen wird. Nachher wird der Pfad sehr schmucklos. Die wilde Passer strömt im engen unbebauten Thale; rechts und links sind hohe Berge, auf welchen spärliche Ansiedlungen.

St. Martin, das erste Dorf, das erreicht wird, erfreut sich der Wallfahrt zum rosenfarben Blut, wohin Andreas Hofer laut seines letzten Briefes seinen Seelengottesdienst verordnete. Eine Viertelstunde weiter steht die Wirthschaft "am Sand," ein einfaches Haus nach der Landesart, mit einer Laube versehen, mit Scheiben geschmückt und einem Schild, der eine Krone weist und die Namen: Andre von Hofer und Anna von Hofer geb. Ladurner. Neben dran steht ein hölzerner Schopfen, weiter draußen eine Capelle. Die Passer rauscht dran vorbei - mächtige Steinwehren stellen sich ihrem Andrange entgegen. Ein Brunnen sprudelt vor dem Hause, etliche Bäume umsäuseln es.

Wir betreten die Schwelle, die Kellnerin kommt und bringt den Wein, fragt allenfalls auch gesprächsweise, ob wir "des Sandwirths Sachen" besehen wollen, und wir vertrauen uns ihrer Leitung.

Zuvörderst führt sie uns ins Gemach wo er schlief und seine Frau neben ihm. Die Bettstellen sind noch dieselben. An der Wand hängt das Bleistiftporträt seiner schönen Tochter, die ledigen Standes als Fräulein gestorben. Dort ist ferner der bekannte, auch von Lewald mitgetheilte Brief, den er vor seinem Tode von Mantua aus an den Hrn. v. Pichler schrieb. Ade mein schnede Welt, sagt der Sandwirth da - so leicht khomt mir das sterben vor das mir nit die Augen naß werden. Es ist eine gewöhnliche Bauernhandschrift ohne Zittern und ohne Correctur, ruhig und fest, wie er selbst war in der letzten Stunde seines Lebens.

Dann läßt man sich auch neben andern weniger erheblichen Merkwürdigkeiten Hofers Gewand zeigen, sein grünes

zu Fuß oder zu Pferde in drei bis vier Stunden zu erreichen. Man geht an der Zenoburg vorbei über Riffian nach Saltaus, einem Edelhofe, der jetzt dem Bürgermeister von Meran gehört. Er ist zum Wirthshaus eingerichtet und der letzte Ort, wo auf dieser Seite die Rebe gezogen wird. Nachher wird der Pfad sehr schmucklos. Die wilde Passer strömt im engen unbebauten Thale; rechts und links sind hohe Berge, auf welchen spärliche Ansiedlungen.

St. Martin, das erste Dorf, das erreicht wird, erfreut sich der Wallfahrt zum rosenfarben Blut, wohin Andreas Hofer laut seines letzten Briefes seinen Seelengottesdienst verordnete. Eine Viertelstunde weiter steht die Wirthschaft „am Sand,“ ein einfaches Haus nach der Landesart, mit einer Laube versehen, mit Scheiben geschmückt und einem Schild, der eine Krone weist und die Namen: Andre von Hofer und Anna von Hofer geb. Ladurner. Neben dran steht ein hölzerner Schopfen, weiter draußen eine Capelle. Die Passer rauscht dran vorbei – mächtige Steinwehren stellen sich ihrem Andrange entgegen. Ein Brunnen sprudelt vor dem Hause, etliche Bäume umsäuseln es.

Wir betreten die Schwelle, die Kellnerin kommt und bringt den Wein, fragt allenfalls auch gesprächsweise, ob wir „des Sandwirths Sachen“ besehen wollen, und wir vertrauen uns ihrer Leitung.

Zuvörderst führt sie uns ins Gemach wo er schlief und seine Frau neben ihm. Die Bettstellen sind noch dieselben. An der Wand hängt das Bleistiftporträt seiner schönen Tochter, die ledigen Standes als Fräulein gestorben. Dort ist ferner der bekannte, auch von Lewald mitgetheilte Brief, den er vor seinem Tode von Mantua aus an den Hrn. v. Pichler schrieb. Ade mein schnede Welt, sagt der Sandwirth da – so leicht khomt mir das sterben vor das mir nit die Augen naß werden. Es ist eine gewöhnliche Bauernhandschrift ohne Zittern und ohne Correctur, ruhig und fest, wie er selbst war in der letzten Stunde seines Lebens.

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zu Fuß oder zu Pferde in drei bis vier Stunden zu erreichen. Man geht an der Zenoburg vorbei über Riffian nach Saltaus, einem Edelhofe, der jetzt dem Bürgermeister von Meran gehört. Er ist zum Wirthshaus eingerichtet und der letzte Ort, wo auf dieser Seite die Rebe gezogen wird. Nachher wird der Pfad sehr schmucklos. Die wilde Passer strömt im engen unbebauten Thale; rechts und links sind hohe Berge, auf welchen spärliche Ansiedlungen.</p>
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[347/0351] zu Fuß oder zu Pferde in drei bis vier Stunden zu erreichen. Man geht an der Zenoburg vorbei über Riffian nach Saltaus, einem Edelhofe, der jetzt dem Bürgermeister von Meran gehört. Er ist zum Wirthshaus eingerichtet und der letzte Ort, wo auf dieser Seite die Rebe gezogen wird. Nachher wird der Pfad sehr schmucklos. Die wilde Passer strömt im engen unbebauten Thale; rechts und links sind hohe Berge, auf welchen spärliche Ansiedlungen. St. Martin, das erste Dorf, das erreicht wird, erfreut sich der Wallfahrt zum rosenfarben Blut, wohin Andreas Hofer laut seines letzten Briefes seinen Seelengottesdienst verordnete. Eine Viertelstunde weiter steht die Wirthschaft „am Sand,“ ein einfaches Haus nach der Landesart, mit einer Laube versehen, mit Scheiben geschmückt und einem Schild, der eine Krone weist und die Namen: Andre von Hofer und Anna von Hofer geb. Ladurner. Neben dran steht ein hölzerner Schopfen, weiter draußen eine Capelle. Die Passer rauscht dran vorbei – mächtige Steinwehren stellen sich ihrem Andrange entgegen. Ein Brunnen sprudelt vor dem Hause, etliche Bäume umsäuseln es. Wir betreten die Schwelle, die Kellnerin kommt und bringt den Wein, fragt allenfalls auch gesprächsweise, ob wir „des Sandwirths Sachen“ besehen wollen, und wir vertrauen uns ihrer Leitung. Zuvörderst führt sie uns ins Gemach wo er schlief und seine Frau neben ihm. Die Bettstellen sind noch dieselben. An der Wand hängt das Bleistiftporträt seiner schönen Tochter, die ledigen Standes als Fräulein gestorben. Dort ist ferner der bekannte, auch von Lewald mitgetheilte Brief, den er vor seinem Tode von Mantua aus an den Hrn. v. Pichler schrieb. Ade mein schnede Welt, sagt der Sandwirth da – so leicht khomt mir das sterben vor das mir nit die Augen naß werden. Es ist eine gewöhnliche Bauernhandschrift ohne Zittern und ohne Correctur, ruhig und fest, wie er selbst war in der letzten Stunde seines Lebens. Dann läßt man sich auch neben andern weniger erheblichen Merkwürdigkeiten Hofers Gewand zeigen, sein grünes

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/351>, abgerufen am 23.11.2024.