Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Der herrliche Clan der Passeyrer, wie ihn Hormayr nennt, hat auch zu allen Zeiten diesem Ansehen zu entsprechen gewußt. Wenn Unordnung im Lande war, wie 1762 im Burggrafenamt, hielten sich diese Thälerer an Gesetz und Ordnung; wenn aber zum heiligen Kriege aufgerufen, wie 1703 und 1809, waren sie kühn und heldenmüthig vor allen. Ihrer wird von Augenzeugen aus letzterem Jahre nach oft gedacht als biederer edler Kämpen, die das Waffenhandwerk nie mißbrauchten, sondern mitten in der Wuth des Bruderkrieges schonend blieben und menschlich. So erzählt auch der bayerische General Bauer von ihrer ruhigen Ergebenheit in den Tod, und es sey kein Beispiel, daß von mehreren, die nach dem Ausspruche des Kriegsgerichtes hingerichtet wurden, einer anders gestorben sey, als mit der größten Standhaftigkeit. Ihre Heldentugend hat sie auch den Frauen theuer gemacht, und die Tirolerinnen sprechen mit Vorliebe von den Söhnen dieses Thales. In Meran habe ich noch ein betagtes Fräulein getroffen, das, so oft von Anno Neun die Rede war, mit Begeisterung zu reden begann von dem edlen und herrlichen Benehmen der Passeyrer, wenn sie auf ihren Kriegsfahrten in die Stadt kamen. Jetzt in der Friedenszeit zeigen sie sich vor allem fromm, andachtslustig, ruhig und ergeben, eher ernst als heiter, dem alten Herkommen unverbrüchlich treu, ein mildes stilles Völklein, leicht zu lenken durch seine Priester und seine Beamten, wenn es ihnen Vertrauen schenkt. Ihr Vortrag ist singend und weich - ein Ton in dem auch der Sandwirth redete - was indessen mit einer derben, gebirglerischen Ausdrucksweise gar nicht unvereinbar ist. Man hat die Passeyrer lange im Verdacht gehabt, als lebe in ihnen noch eine geheime, sonst unter den Bauern ausgestorbene Erinnerung an die alten Landesfreiheiten, eine überlieferte Kenntniß hergebrachter und vor langen Zeiten verbriefter Gerechtsame, eine volksthümliche Wissenschaft vom alttirolischen Staatsrechte, aber das ist in jetziger Zeit wohl eine grundlose Einbildung. Doch hörte ich eines Tages eine witzige Dichtung lesen "den Jahrmarkt zu Imst," worin alle deutsch-tirolischen Thalschaften, jede mit ihrem Dialekte, auftreten. Dabei ist

Der herrliche Clan der Passeyrer, wie ihn Hormayr nennt, hat auch zu allen Zeiten diesem Ansehen zu entsprechen gewußt. Wenn Unordnung im Lande war, wie 1762 im Burggrafenamt, hielten sich diese Thälerer an Gesetz und Ordnung; wenn aber zum heiligen Kriege aufgerufen, wie 1703 und 1809, waren sie kühn und heldenmüthig vor allen. Ihrer wird von Augenzeugen aus letzterem Jahre nach oft gedacht als biederer edler Kämpen, die das Waffenhandwerk nie mißbrauchten, sondern mitten in der Wuth des Bruderkrieges schonend blieben und menschlich. So erzählt auch der bayerische General Bauer von ihrer ruhigen Ergebenheit in den Tod, und es sey kein Beispiel, daß von mehreren, die nach dem Ausspruche des Kriegsgerichtes hingerichtet wurden, einer anders gestorben sey, als mit der größten Standhaftigkeit. Ihre Heldentugend hat sie auch den Frauen theuer gemacht, und die Tirolerinnen sprechen mit Vorliebe von den Söhnen dieses Thales. In Meran habe ich noch ein betagtes Fräulein getroffen, das, so oft von Anno Neun die Rede war, mit Begeisterung zu reden begann von dem edlen und herrlichen Benehmen der Passeyrer, wenn sie auf ihren Kriegsfahrten in die Stadt kamen. Jetzt in der Friedenszeit zeigen sie sich vor allem fromm, andachtslustig, ruhig und ergeben, eher ernst als heiter, dem alten Herkommen unverbrüchlich treu, ein mildes stilles Völklein, leicht zu lenken durch seine Priester und seine Beamten, wenn es ihnen Vertrauen schenkt. Ihr Vortrag ist singend und weich – ein Ton in dem auch der Sandwirth redete – was indessen mit einer derben, gebirglerischen Ausdrucksweise gar nicht unvereinbar ist. Man hat die Passeyrer lange im Verdacht gehabt, als lebe in ihnen noch eine geheime, sonst unter den Bauern ausgestorbene Erinnerung an die alten Landesfreiheiten, eine überlieferte Kenntniß hergebrachter und vor langen Zeiten verbriefter Gerechtsame, eine volksthümliche Wissenschaft vom alttirolischen Staatsrechte, aber das ist in jetziger Zeit wohl eine grundlose Einbildung. Doch hörte ich eines Tages eine witzige Dichtung lesen „den Jahrmarkt zu Imst,“ worin alle deutsch-tirolischen Thalschaften, jede mit ihrem Dialekte, auftreten. Dabei ist

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p xml:id="p-0358" next="p-0360"><pb facs="#f0359" n="355"/>
Der herrliche Clan der Passeyrer, wie ihn Hormayr nennt, hat auch zu allen Zeiten diesem Ansehen zu entsprechen gewußt. Wenn Unordnung im Lande war, wie 1762 im Burggrafenamt, hielten sich diese Thälerer an Gesetz und Ordnung; wenn aber zum heiligen Kriege aufgerufen, wie 1703 und 1809, waren sie kühn und heldenmüthig vor allen. Ihrer wird von Augenzeugen aus letzterem Jahre nach oft gedacht als biederer edler Kämpen, die das Waffenhandwerk nie mißbrauchten, sondern mitten in der Wuth des Bruderkrieges schonend blieben und menschlich. So erzählt auch der bayerische General Bauer von ihrer ruhigen Ergebenheit in den Tod, und es sey kein Beispiel, daß von mehreren, die nach dem Ausspruche des Kriegsgerichtes hingerichtet wurden, einer anders gestorben sey, als mit der größten Standhaftigkeit. Ihre Heldentugend hat sie auch den Frauen theuer gemacht, und die Tirolerinnen sprechen mit Vorliebe von den Söhnen dieses Thales. In Meran habe ich noch ein betagtes Fräulein getroffen, das, so oft von Anno Neun die Rede war, mit Begeisterung zu reden begann von dem edlen und herrlichen Benehmen der Passeyrer, wenn sie auf ihren Kriegsfahrten in die Stadt kamen. Jetzt in der Friedenszeit zeigen sie sich vor allem fromm, andachtslustig, ruhig und ergeben, eher ernst als heiter, dem alten Herkommen unverbrüchlich treu, ein mildes stilles Völklein, leicht zu lenken durch seine Priester und seine Beamten, wenn es ihnen Vertrauen schenkt. Ihr Vortrag ist singend und weich &#x2013; ein Ton in dem auch der Sandwirth redete &#x2013; was indessen mit einer derben, gebirglerischen Ausdrucksweise gar nicht unvereinbar ist. Man hat die Passeyrer lange im Verdacht gehabt, als lebe in ihnen noch eine geheime, sonst unter den Bauern ausgestorbene Erinnerung an die alten Landesfreiheiten, eine überlieferte Kenntniß hergebrachter und vor langen Zeiten verbriefter Gerechtsame, eine volksthümliche Wissenschaft vom alttirolischen Staatsrechte, aber das ist in jetziger Zeit wohl eine grundlose Einbildung. Doch hörte ich eines Tages eine witzige Dichtung lesen &#x201E;den Jahrmarkt zu Imst,&#x201C; worin alle deutsch-tirolischen Thalschaften, jede mit ihrem Dialekte, auftreten. Dabei ist
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0359] Der herrliche Clan der Passeyrer, wie ihn Hormayr nennt, hat auch zu allen Zeiten diesem Ansehen zu entsprechen gewußt. Wenn Unordnung im Lande war, wie 1762 im Burggrafenamt, hielten sich diese Thälerer an Gesetz und Ordnung; wenn aber zum heiligen Kriege aufgerufen, wie 1703 und 1809, waren sie kühn und heldenmüthig vor allen. Ihrer wird von Augenzeugen aus letzterem Jahre nach oft gedacht als biederer edler Kämpen, die das Waffenhandwerk nie mißbrauchten, sondern mitten in der Wuth des Bruderkrieges schonend blieben und menschlich. So erzählt auch der bayerische General Bauer von ihrer ruhigen Ergebenheit in den Tod, und es sey kein Beispiel, daß von mehreren, die nach dem Ausspruche des Kriegsgerichtes hingerichtet wurden, einer anders gestorben sey, als mit der größten Standhaftigkeit. Ihre Heldentugend hat sie auch den Frauen theuer gemacht, und die Tirolerinnen sprechen mit Vorliebe von den Söhnen dieses Thales. In Meran habe ich noch ein betagtes Fräulein getroffen, das, so oft von Anno Neun die Rede war, mit Begeisterung zu reden begann von dem edlen und herrlichen Benehmen der Passeyrer, wenn sie auf ihren Kriegsfahrten in die Stadt kamen. Jetzt in der Friedenszeit zeigen sie sich vor allem fromm, andachtslustig, ruhig und ergeben, eher ernst als heiter, dem alten Herkommen unverbrüchlich treu, ein mildes stilles Völklein, leicht zu lenken durch seine Priester und seine Beamten, wenn es ihnen Vertrauen schenkt. Ihr Vortrag ist singend und weich – ein Ton in dem auch der Sandwirth redete – was indessen mit einer derben, gebirglerischen Ausdrucksweise gar nicht unvereinbar ist. Man hat die Passeyrer lange im Verdacht gehabt, als lebe in ihnen noch eine geheime, sonst unter den Bauern ausgestorbene Erinnerung an die alten Landesfreiheiten, eine überlieferte Kenntniß hergebrachter und vor langen Zeiten verbriefter Gerechtsame, eine volksthümliche Wissenschaft vom alttirolischen Staatsrechte, aber das ist in jetziger Zeit wohl eine grundlose Einbildung. Doch hörte ich eines Tages eine witzige Dichtung lesen „den Jahrmarkt zu Imst,“ worin alle deutsch-tirolischen Thalschaften, jede mit ihrem Dialekte, auftreten. Dabei ist

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/359
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/359>, abgerufen am 23.11.2024.