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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Drusus und Tiberius die Rhätier unterjochten. Weiter draußen zeigt sich Gries, die Bozner Vorstadt, mit dem ehemaligen Chorherrenstift welches in römischen Zeiten eine feste Burg gewesen seyn soll, nunmehr aber den Benedictinern von Muri übergeben ist. Auch die alte gothische Kirche der Grieser ist zu beachten. Abwärts gegen Süden liegt die Eppaner Hochebene vor Augen mit ihren Burgen und Dörfern. Wer aber über St. Antoni, das eckig, zinnenreich und wehrhaft an dem Damme steht, weiter aufwärts geht, gelangt zum Schlosse Rendelstein und dann auf schattigem Wege, an rothen Felsen hin die das frischeste Grün übertäubt, nach Rungelstein zum alten Schlosse, das in unsrer Zeit wieder berühmt worden ist wegen seiner aus dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Malereien, über die wir übrigens, da sie schon von Andern oft besprochen worden sind, nur bemerken wollen, daß sie die Geschichte von Tristan und Isolde und Darstellungen aus dem Sagenkreise König Artus bieten. In ersteren hat eine prüde Hand erst seit drei Jahren die Liebesscenen schamhaft überschmiert.*) Die Burg steht auf schroffem Felsen über der

*) In die Anmerkung wenigstens wollen wir das schöne Lied aufnehmen, das der Münchner Dichter zu Rungelstein gedichtet hat.
Am Rungelstein, auf dem alten Schloß,
Wo die Talfer rauscht im Thale,
Hält König Artus Tafelrund
Und die Ritter sitzen beim Mahle.
Die Becher kreisen, es schäumt im Pokal,
Die Zecher wollen nicht altern;
Wie könnten sie auch bei Terlanermost,
Beim feurigen Wein von Kaltern!
Sie sprechen von Kampf und Feldturney,
Die wackern, durst'gen Gesellen;
Derweilen bauen sie drunten im Thal
Wegkreuze und Feldcapellen.
Im Erkergaden, im stillen Gemach
Sitzt Tristan mit Isolden;
Er flüstert ihr leise ein Mährchen zu
Von Frauenminne, der holden.
Derweilen klinget im tiefen Thal
Die Vesper und die Hora. - -
Ihr droben! - 's ist Zeit - nun entsaget der Welt -
Periculum est in mora!

Drusus und Tiberius die Rhätier unterjochten. Weiter draußen zeigt sich Gries, die Bozner Vorstadt, mit dem ehemaligen Chorherrenstift welches in römischen Zeiten eine feste Burg gewesen seyn soll, nunmehr aber den Benedictinern von Muri übergeben ist. Auch die alte gothische Kirche der Grieser ist zu beachten. Abwärts gegen Süden liegt die Eppaner Hochebene vor Augen mit ihren Burgen und Dörfern. Wer aber über St. Antoni, das eckig, zinnenreich und wehrhaft an dem Damme steht, weiter aufwärts geht, gelangt zum Schlosse Rendelstein und dann auf schattigem Wege, an rothen Felsen hin die das frischeste Grün übertäubt, nach Rungelstein zum alten Schlosse, das in unsrer Zeit wieder berühmt worden ist wegen seiner aus dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Malereien, über die wir übrigens, da sie schon von Andern oft besprochen worden sind, nur bemerken wollen, daß sie die Geschichte von Tristan und Isolde und Darstellungen aus dem Sagenkreise König Artus bieten. In ersteren hat eine prüde Hand erst seit drei Jahren die Liebesscenen schamhaft überschmiert.*) Die Burg steht auf schroffem Felsen über der

*) In die Anmerkung wenigstens wollen wir das schöne Lied aufnehmen, das der Münchner Dichter zu Rungelstein gedichtet hat.
Am Rungelstein, auf dem alten Schloß,
Wo die Talfer rauscht im Thale,
Hält König Artus Tafelrund
Und die Ritter sitzen beim Mahle.
Die Becher kreisen, es schäumt im Pokal,
Die Zecher wollen nicht altern;
Wie könnten sie auch bei Terlanermost,
Beim feurigen Wein von Kaltern!
Sie sprechen von Kampf und Feldturney,
Die wackern, durst’gen Gesellen;
Derweilen bauen sie drunten im Thal
Wegkreuze und Feldcapellen.
Im Erkergaden, im stillen Gemach
Sitzt Tristan mit Isolden;
Er flüstert ihr leise ein Mährchen zu
Von Frauenminne, der holden.
Derweilen klinget im tiefen Thal
Die Vesper und die Hora. – –
Ihr droben! – ’s ist Zeit – nun entsaget der Welt –
Periculum est in mora!
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Drusus und Tiberius die Rhätier unterjochten. Weiter draußen zeigt sich Gries, die Bozner Vorstadt, mit dem ehemaligen Chorherrenstift welches in römischen Zeiten eine feste Burg gewesen seyn soll, nunmehr aber den Benedictinern von Muri übergeben ist. Auch die alte gothische Kirche der Grieser ist zu beachten. Abwärts gegen Süden liegt die Eppaner Hochebene vor Augen mit ihren Burgen und Dörfern. Wer aber über St. Antoni, das eckig, zinnenreich und wehrhaft an dem Damme steht, weiter aufwärts geht, gelangt zum Schlosse Rendelstein und dann auf schattigem Wege, an rothen Felsen hin die das frischeste Grün übertäubt, nach Rungelstein zum alten Schlosse, das in unsrer Zeit wieder berühmt worden ist wegen seiner aus dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Malereien, über die wir übrigens, da sie schon von Andern oft besprochen worden sind, nur bemerken wollen, daß sie die Geschichte von Tristan und Isolde und Darstellungen aus dem Sagenkreise König Artus bieten. In ersteren hat eine prüde Hand erst seit drei Jahren die Liebesscenen schamhaft überschmiert.<note place="foot" n="*)">In die Anmerkung wenigstens wollen wir das schöne Lied aufnehmen, das der Münchner Dichter zu Rungelstein gedichtet hat.<lb/><lg type="poem"><lg n="1"><l>Am Rungelstein, auf dem alten Schloß,</l><lb/><l>Wo die Talfer rauscht im Thale,</l><lb/><l>Hält König Artus Tafelrund</l><lb/><l>Und die Ritter sitzen beim Mahle.</l><lb/></lg><lg n="2"><l>Die Becher kreisen, es schäumt im Pokal,</l><lb/><l>Die Zecher wollen nicht altern;</l><lb/><l>Wie könnten sie auch bei Terlanermost,</l><lb/><l>Beim feurigen Wein von Kaltern!</l><lb/></lg><lg n="3"><l>Sie sprechen von Kampf und Feldturney,</l><lb/><l>Die wackern, durst&#x2019;gen Gesellen;</l><lb/><l>Derweilen bauen sie drunten im Thal</l><lb/><l>Wegkreuze und Feldcapellen.</l><lb/></lg><lg n="4"><l>Im Erkergaden, im stillen Gemach</l><lb/><l>Sitzt Tristan mit Isolden;</l><lb/><l>Er flüstert ihr leise ein Mährchen zu</l><lb/><l>Von Frauenminne, der holden.</l><lb/></lg><lg n="5"><l>Derweilen klinget im tiefen Thal</l><lb/><l>Die Vesper und die Hora. &#x2013; &#x2013;</l><lb/><l>Ihr droben! &#x2013; &#x2019;s ist Zeit &#x2013; nun entsaget der Welt &#x2013;</l><lb/><l><hi rendition="#aq">Periculum est in mora!</hi></l><lb/></lg></lg></note> Die Burg steht auf schroffem Felsen über der
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[383/0387] Drusus und Tiberius die Rhätier unterjochten. Weiter draußen zeigt sich Gries, die Bozner Vorstadt, mit dem ehemaligen Chorherrenstift welches in römischen Zeiten eine feste Burg gewesen seyn soll, nunmehr aber den Benedictinern von Muri übergeben ist. Auch die alte gothische Kirche der Grieser ist zu beachten. Abwärts gegen Süden liegt die Eppaner Hochebene vor Augen mit ihren Burgen und Dörfern. Wer aber über St. Antoni, das eckig, zinnenreich und wehrhaft an dem Damme steht, weiter aufwärts geht, gelangt zum Schlosse Rendelstein und dann auf schattigem Wege, an rothen Felsen hin die das frischeste Grün übertäubt, nach Rungelstein zum alten Schlosse, das in unsrer Zeit wieder berühmt worden ist wegen seiner aus dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Malereien, über die wir übrigens, da sie schon von Andern oft besprochen worden sind, nur bemerken wollen, daß sie die Geschichte von Tristan und Isolde und Darstellungen aus dem Sagenkreise König Artus bieten. In ersteren hat eine prüde Hand erst seit drei Jahren die Liebesscenen schamhaft überschmiert. *) Die Burg steht auf schroffem Felsen über der *) In die Anmerkung wenigstens wollen wir das schöne Lied aufnehmen, das der Münchner Dichter zu Rungelstein gedichtet hat. Am Rungelstein, auf dem alten Schloß, Wo die Talfer rauscht im Thale, Hält König Artus Tafelrund Und die Ritter sitzen beim Mahle. Die Becher kreisen, es schäumt im Pokal, Die Zecher wollen nicht altern; Wie könnten sie auch bei Terlanermost, Beim feurigen Wein von Kaltern! Sie sprechen von Kampf und Feldturney, Die wackern, durst’gen Gesellen; Derweilen bauen sie drunten im Thal Wegkreuze und Feldcapellen. Im Erkergaden, im stillen Gemach Sitzt Tristan mit Isolden; Er flüstert ihr leise ein Mährchen zu Von Frauenminne, der holden. Derweilen klinget im tiefen Thal Die Vesper und die Hora. – – Ihr droben! – ’s ist Zeit – nun entsaget der Welt – Periculum est in mora!

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/387>, abgerufen am 02.06.2024.