Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Rheumatismus. Die Nähe in der solche Bäder (Badeln heißen sie verkleinernd die Tiroler) auf einander folgen, weist ihnen ihre Kundschaft zumeist nur in der Nachbarschaft an; deßwegen sind die Gäste auch alle schon vorher mit einander bekannt und leben mit den Wirthsleuten wie zu Hause, still, ländlich und ohne große Kosten. Jetzt waren nur ein halb Duzend Frauenspersonen in der Cur, die sich am Wirthstisch leise murmelnd unterhielten. Die Zeit des Badelebens ist indessen auch im Hinterwald die Zeit der Hoffart wie bei den reichen Leuten in den Bädern am Rhein. Obgleich es Werktag war, saßen die Frauen doch alle in sonntäglichem Putze an ihrem Plaudertisch - so will's der Badebrauch. Für die Männer ist eine Kegelbahn vor dem Hause, und auch spazieren können sie gehen den Bach abwärts oder aufwärts, allenfalls auch in die Höhe, wo es aber etwas steil wird. Lectüre bringt sich der Badegast selbst mit, denn nach Hopfereben kommt nicht einmal eine Zeitung. Bis Schopernau hält sich die Gegend in ihrer rauhen Hochlandsart. Waldige Schluchten, steilabgerissene Felskegel, eingebrochene Halden, rauschende Wasserfälle wechseln ab oder wirken zusammen. Nun aber führt der Weg aus dem Tobel in die Wiesen hinaus. Die Berge fallen mählig ab von ihrer Höhe und tragen Waldungen bis auf den runden Rücken; die rothen Felskämme schauen in das freundliche Thal nur von ferne herein. Den Fluß, der jetzt ruhig geworden, verbirgt das Erlengebüsch, und das Dörfchen liegt in ebenen Matten um seine Kirche herum. - Hier beginnt die niedliche Bauart des Bregenzer Waldes, die gezimmerten Häuser mit den sanft anlaufenden Dächern, die auf beiden Seiten weit herausgreifen und von Säulen getragen herüben und drüben einen Porticus bilden, den man den Schopf heißt. Die eine von diesen Lauben dient zu wirthschaftlichen Zwecken als Wagendach und Holzlege, in der andern aber sind Tisch und Bänke aufgestellt. Sie ist in der schönen Jahreszeit der Sprechsaal, wo sich in freien Stunden und zum Abendtrunk die Nachbarn und Nachbarinnen zusammenfinden und gemüthlicher Unterhaltung pflegen. Diese Lauben sind ein sehr ansprechendes Stück ländlicher Rheumatismus. Die Nähe in der solche Bäder (Badeln heißen sie verkleinernd die Tiroler) auf einander folgen, weist ihnen ihre Kundschaft zumeist nur in der Nachbarschaft an; deßwegen sind die Gäste auch alle schon vorher mit einander bekannt und leben mit den Wirthsleuten wie zu Hause, still, ländlich und ohne große Kosten. Jetzt waren nur ein halb Duzend Frauenspersonen in der Cur, die sich am Wirthstisch leise murmelnd unterhielten. Die Zeit des Badelebens ist indessen auch im Hinterwald die Zeit der Hoffart wie bei den reichen Leuten in den Bädern am Rhein. Obgleich es Werktag war, saßen die Frauen doch alle in sonntäglichem Putze an ihrem Plaudertisch – so will’s der Badebrauch. Für die Männer ist eine Kegelbahn vor dem Hause, und auch spazieren können sie gehen den Bach abwärts oder aufwärts, allenfalls auch in die Höhe, wo es aber etwas steil wird. Lectüre bringt sich der Badegast selbst mit, denn nach Hopfereben kommt nicht einmal eine Zeitung. Bis Schopernau hält sich die Gegend in ihrer rauhen Hochlandsart. Waldige Schluchten, steilabgerissene Felskegel, eingebrochene Halden, rauschende Wasserfälle wechseln ab oder wirken zusammen. Nun aber führt der Weg aus dem Tobel in die Wiesen hinaus. Die Berge fallen mählig ab von ihrer Höhe und tragen Waldungen bis auf den runden Rücken; die rothen Felskämme schauen in das freundliche Thal nur von ferne herein. Den Fluß, der jetzt ruhig geworden, verbirgt das Erlengebüsch, und das Dörfchen liegt in ebenen Matten um seine Kirche herum. – Hier beginnt die niedliche Bauart des Bregenzer Waldes, die gezimmerten Häuser mit den sanft anlaufenden Dächern, die auf beiden Seiten weit herausgreifen und von Säulen getragen herüben und drüben einen Porticus bilden, den man den Schopf heißt. Die eine von diesen Lauben dient zu wirthschaftlichen Zwecken als Wagendach und Holzlege, in der andern aber sind Tisch und Bänke aufgestellt. Sie ist in der schönen Jahreszeit der Sprechsaal, wo sich in freien Stunden und zum Abendtrunk die Nachbarn und Nachbarinnen zusammenfinden und gemüthlicher Unterhaltung pflegen. Diese Lauben sind ein sehr ansprechendes Stück ländlicher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="38"/> Rheumatismus. Die Nähe in der solche Bäder (Badeln heißen sie verkleinernd die Tiroler) auf einander folgen, weist ihnen ihre Kundschaft zumeist nur in der Nachbarschaft an; deßwegen sind die Gäste auch alle schon vorher mit einander bekannt und leben mit den Wirthsleuten wie zu Hause, still, ländlich und ohne große Kosten. Jetzt waren nur ein halb Duzend Frauenspersonen in der Cur, die sich am Wirthstisch leise murmelnd unterhielten. Die Zeit des Badelebens ist indessen auch im Hinterwald die Zeit der Hoffart wie bei den reichen Leuten in den Bädern am Rhein. Obgleich es Werktag war, saßen die Frauen doch alle in sonntäglichem Putze an ihrem Plaudertisch – so will’s der Badebrauch. Für die Männer ist eine Kegelbahn vor dem Hause, und auch spazieren können sie gehen den Bach abwärts oder aufwärts, allenfalls auch in die Höhe, wo es aber etwas steil wird. Lectüre bringt sich der Badegast selbst mit, denn nach Hopfereben kommt nicht einmal eine Zeitung.</p> <p>Bis Schopernau hält sich die Gegend in ihrer rauhen Hochlandsart. Waldige Schluchten, steilabgerissene Felskegel, eingebrochene Halden, rauschende Wasserfälle wechseln ab oder wirken zusammen. Nun aber führt der Weg aus dem Tobel in die Wiesen hinaus. Die Berge fallen mählig ab von ihrer Höhe und tragen Waldungen bis auf den runden Rücken; die rothen Felskämme schauen in das freundliche Thal nur von ferne herein. Den Fluß, der jetzt ruhig geworden, verbirgt das Erlengebüsch, und das Dörfchen liegt in ebenen Matten um seine Kirche herum. – Hier beginnt die niedliche Bauart des Bregenzer Waldes, die gezimmerten Häuser mit den sanft anlaufenden Dächern, die auf beiden Seiten weit herausgreifen und von Säulen getragen herüben und drüben einen Porticus bilden, den man den Schopf heißt. Die eine von diesen Lauben dient zu wirthschaftlichen Zwecken als Wagendach und Holzlege, in der andern aber sind Tisch und Bänke aufgestellt. Sie ist in der schönen Jahreszeit der Sprechsaal, wo sich in freien Stunden und zum Abendtrunk die Nachbarn und Nachbarinnen zusammenfinden und gemüthlicher Unterhaltung pflegen. Diese Lauben sind ein sehr ansprechendes Stück ländlicher </p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0043]
Rheumatismus. Die Nähe in der solche Bäder (Badeln heißen sie verkleinernd die Tiroler) auf einander folgen, weist ihnen ihre Kundschaft zumeist nur in der Nachbarschaft an; deßwegen sind die Gäste auch alle schon vorher mit einander bekannt und leben mit den Wirthsleuten wie zu Hause, still, ländlich und ohne große Kosten. Jetzt waren nur ein halb Duzend Frauenspersonen in der Cur, die sich am Wirthstisch leise murmelnd unterhielten. Die Zeit des Badelebens ist indessen auch im Hinterwald die Zeit der Hoffart wie bei den reichen Leuten in den Bädern am Rhein. Obgleich es Werktag war, saßen die Frauen doch alle in sonntäglichem Putze an ihrem Plaudertisch – so will’s der Badebrauch. Für die Männer ist eine Kegelbahn vor dem Hause, und auch spazieren können sie gehen den Bach abwärts oder aufwärts, allenfalls auch in die Höhe, wo es aber etwas steil wird. Lectüre bringt sich der Badegast selbst mit, denn nach Hopfereben kommt nicht einmal eine Zeitung.
Bis Schopernau hält sich die Gegend in ihrer rauhen Hochlandsart. Waldige Schluchten, steilabgerissene Felskegel, eingebrochene Halden, rauschende Wasserfälle wechseln ab oder wirken zusammen. Nun aber führt der Weg aus dem Tobel in die Wiesen hinaus. Die Berge fallen mählig ab von ihrer Höhe und tragen Waldungen bis auf den runden Rücken; die rothen Felskämme schauen in das freundliche Thal nur von ferne herein. Den Fluß, der jetzt ruhig geworden, verbirgt das Erlengebüsch, und das Dörfchen liegt in ebenen Matten um seine Kirche herum. – Hier beginnt die niedliche Bauart des Bregenzer Waldes, die gezimmerten Häuser mit den sanft anlaufenden Dächern, die auf beiden Seiten weit herausgreifen und von Säulen getragen herüben und drüben einen Porticus bilden, den man den Schopf heißt. Die eine von diesen Lauben dient zu wirthschaftlichen Zwecken als Wagendach und Holzlege, in der andern aber sind Tisch und Bänke aufgestellt. Sie ist in der schönen Jahreszeit der Sprechsaal, wo sich in freien Stunden und zum Abendtrunk die Nachbarn und Nachbarinnen zusammenfinden und gemüthlicher Unterhaltung pflegen. Diese Lauben sind ein sehr ansprechendes Stück ländlicher
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