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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Zirbelbaumes bei Zeiten vorzukehren, aber seine Warnungen sind unbeachtet geblieben. Auch meint er, es würde zumal dem Oberinnthaler bei der beschränkten Ertragsfähigkeit seines Bodens sehr zu Gutem kommen, wenn er, dessen Wälder so reich an Zirbelbäumen, als Nebenverdienst gleichfalls die Schnitzerei zu Handen nehmen möchte - eine Ansicht, die man nur billigen kann, wenn man betrachtet, wie gerade den Oberinnthaler vor allen Tirolern eine Anlage zu plastischen Künsten auszeichnet. Den jährlichen Ertrag berechnet Steiner in folgender Art: Wöchentlich werden fünf Kisten Schnitzwaaren versendet und der Werth jeder Kiste kann zu 150 fl. angenommen werden; es beträgt also diese jährliche Versendung 39,000 fl. Außerdem wird noch ein Werth von 5000 fl. durch Hausirer abgesetzt und das ganze jährliche Erzeugniß mag daher auf 44,000 fl. geschätzt werden. Da sich nun aber seit 1807 der Handelsbetrieb bedeutend umgestaltet hat, so dürften auch jene Zahlen nur noch annähernde Geltung haben.

Dieses Schnitzeln also beschäftigt in Gröden Mann und Weib. Außerdem hat sich das schwächere Geschlecht noch einen eigenen Verdienst erkundschaftet, nämlich das Spitzenklöppeln, welches von jungen Mädchen, von erwachsenen Frauen und von abgelebten Weibern gleichmäßig betrieben wird. Die Waare ist etwas rauher Art und schickt sich eigentlich nur für das Tiroler Landvolk. Der jährliche Reingewinn, der aus dieser Industrie fließt, wird von Steiner auf 25,000 fl. angeschlagen; möchte aber seit jener Zeit auch wohl eher ab- als zugenommen haben.

Mit den geklöppelten Spitzen nun und mit sonstigem kleinen Zeug, was sie sich unterwegs noch beilegen, insbesondere mit übergebliebenen Resten der Bozner Lager, die ihnen gerne zu mindern Preisen überlassen werden, gehen nun die frommen Grödner Mädchen mutterseelenallein über Berg und Thal im Lande Tirol herum und treiben Handelschaft. Schön wie sie sind haben sie die Männer für sich, und ihr keuscher, ehrenhafter Lebenswandel gewinnt ihnen auch das Zutrauen und die Neigung der Frauen. Dabei haben sie gerade so viele erlaubte Schlauheit, so viel liebliche Geschwätzigkeit und so viele

Zirbelbaumes bei Zeiten vorzukehren, aber seine Warnungen sind unbeachtet geblieben. Auch meint er, es würde zumal dem Oberinnthaler bei der beschränkten Ertragsfähigkeit seines Bodens sehr zu Gutem kommen, wenn er, dessen Wälder so reich an Zirbelbäumen, als Nebenverdienst gleichfalls die Schnitzerei zu Handen nehmen möchte – eine Ansicht, die man nur billigen kann, wenn man betrachtet, wie gerade den Oberinnthaler vor allen Tirolern eine Anlage zu plastischen Künsten auszeichnet. Den jährlichen Ertrag berechnet Steiner in folgender Art: Wöchentlich werden fünf Kisten Schnitzwaaren versendet und der Werth jeder Kiste kann zu 150 fl. angenommen werden; es beträgt also diese jährliche Versendung 39,000 fl. Außerdem wird noch ein Werth von 5000 fl. durch Hausirer abgesetzt und das ganze jährliche Erzeugniß mag daher auf 44,000 fl. geschätzt werden. Da sich nun aber seit 1807 der Handelsbetrieb bedeutend umgestaltet hat, so dürften auch jene Zahlen nur noch annähernde Geltung haben.

Dieses Schnitzeln also beschäftigt in Gröden Mann und Weib. Außerdem hat sich das schwächere Geschlecht noch einen eigenen Verdienst erkundschaftet, nämlich das Spitzenklöppeln, welches von jungen Mädchen, von erwachsenen Frauen und von abgelebten Weibern gleichmäßig betrieben wird. Die Waare ist etwas rauher Art und schickt sich eigentlich nur für das Tiroler Landvolk. Der jährliche Reingewinn, der aus dieser Industrie fließt, wird von Steiner auf 25,000 fl. angeschlagen; möchte aber seit jener Zeit auch wohl eher ab- als zugenommen haben.

Mit den geklöppelten Spitzen nun und mit sonstigem kleinen Zeug, was sie sich unterwegs noch beilegen, insbesondere mit übergebliebenen Resten der Bozner Lager, die ihnen gerne zu mindern Preisen überlassen werden, gehen nun die frommen Grödner Mädchen mutterseelenallein über Berg und Thal im Lande Tirol herum und treiben Handelschaft. Schön wie sie sind haben sie die Männer für sich, und ihr keuscher, ehrenhafter Lebenswandel gewinnt ihnen auch das Zutrauen und die Neigung der Frauen. Dabei haben sie gerade so viele erlaubte Schlauheit, so viel liebliche Geschwätzigkeit und so viele

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Zirbelbaumes bei Zeiten vorzukehren, aber seine Warnungen sind unbeachtet geblieben. Auch meint er, es würde zumal dem Oberinnthaler bei der beschränkten Ertragsfähigkeit seines Bodens sehr zu Gutem kommen, wenn er, dessen Wälder so reich an Zirbelbäumen, als Nebenverdienst gleichfalls die Schnitzerei zu Handen nehmen möchte &#x2013; eine Ansicht, die man nur billigen kann, wenn man betrachtet, wie gerade den Oberinnthaler vor allen Tirolern eine Anlage zu plastischen Künsten auszeichnet. Den jährlichen Ertrag berechnet Steiner in folgender Art: Wöchentlich werden fünf Kisten Schnitzwaaren versendet und der Werth jeder Kiste kann zu 150 fl. angenommen werden; es beträgt also diese jährliche Versendung 39,000 fl. Außerdem wird noch ein Werth von 5000 fl. durch Hausirer abgesetzt und das ganze jährliche Erzeugniß mag daher auf 44,000 fl. geschätzt werden. Da sich nun aber seit 1807 der Handelsbetrieb bedeutend umgestaltet hat, so dürften auch jene Zahlen nur noch annähernde Geltung haben.</p>
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[427/0431] Zirbelbaumes bei Zeiten vorzukehren, aber seine Warnungen sind unbeachtet geblieben. Auch meint er, es würde zumal dem Oberinnthaler bei der beschränkten Ertragsfähigkeit seines Bodens sehr zu Gutem kommen, wenn er, dessen Wälder so reich an Zirbelbäumen, als Nebenverdienst gleichfalls die Schnitzerei zu Handen nehmen möchte – eine Ansicht, die man nur billigen kann, wenn man betrachtet, wie gerade den Oberinnthaler vor allen Tirolern eine Anlage zu plastischen Künsten auszeichnet. Den jährlichen Ertrag berechnet Steiner in folgender Art: Wöchentlich werden fünf Kisten Schnitzwaaren versendet und der Werth jeder Kiste kann zu 150 fl. angenommen werden; es beträgt also diese jährliche Versendung 39,000 fl. Außerdem wird noch ein Werth von 5000 fl. durch Hausirer abgesetzt und das ganze jährliche Erzeugniß mag daher auf 44,000 fl. geschätzt werden. Da sich nun aber seit 1807 der Handelsbetrieb bedeutend umgestaltet hat, so dürften auch jene Zahlen nur noch annähernde Geltung haben. Dieses Schnitzeln also beschäftigt in Gröden Mann und Weib. Außerdem hat sich das schwächere Geschlecht noch einen eigenen Verdienst erkundschaftet, nämlich das Spitzenklöppeln, welches von jungen Mädchen, von erwachsenen Frauen und von abgelebten Weibern gleichmäßig betrieben wird. Die Waare ist etwas rauher Art und schickt sich eigentlich nur für das Tiroler Landvolk. Der jährliche Reingewinn, der aus dieser Industrie fließt, wird von Steiner auf 25,000 fl. angeschlagen; möchte aber seit jener Zeit auch wohl eher ab- als zugenommen haben. Mit den geklöppelten Spitzen nun und mit sonstigem kleinen Zeug, was sie sich unterwegs noch beilegen, insbesondere mit übergebliebenen Resten der Bozner Lager, die ihnen gerne zu mindern Preisen überlassen werden, gehen nun die frommen Grödner Mädchen mutterseelenallein über Berg und Thal im Lande Tirol herum und treiben Handelschaft. Schön wie sie sind haben sie die Männer für sich, und ihr keuscher, ehrenhafter Lebenswandel gewinnt ihnen auch das Zutrauen und die Neigung der Frauen. Dabei haben sie gerade so viele erlaubte Schlauheit, so viel liebliche Geschwätzigkeit und so viele

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/431>, abgerufen am 17.06.2024.