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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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stellen sich gerne ein, in Folge davon Miswachs und schlechte Ernten - alles kein Wunder, wenn man bedenkt, daß St. Vigil

Jahrhunderts als Aelina vor und aus diesem Namen stammt sein heutiger deutscher; die Enneberger haben daraus nach der schon oben erwähnten zwischen zwei Vocalen vorgehenden Umwandlung des l in r zuerst Erina und aus diesem Rina gemacht. In einem Seitenthale, dessen Bach oberhalb Zwischenwasser in die Gader fällt, liegt Antermeia, von den Deutschen Untermoi genannt. Ungefähr eine Stunde unterhalb Zwischenwasser ist die Sprachgränze. Dort steht ein einzelnes Wirthshaus, bei den Ennebergern Pera forada "am durchbrochenen Stein" geheißen, ein Name der bei den Deutschen Pelfrad lautet. In diesem einschichten Hause wirthschaften seit langen Zeiten ladinische Leute; eine halbe Stunde weiter aber liegt ein anderes Wirthshaus, Saalen, welches als der Anfang der deutschen Sprache gilt, da dort Pusterer seßhaft sind. Dieses Saalen heißt bei den Ennebergern Sares; in ältern Urkunden wird es Susulona genannt. Beide Orte liegen auf dem rechten Ufer des Gaderbaches; auf dem linken ist der letzte ladinische Ort das genannte Wälschellen, der erste deutsche das eine Stunde davon gelegene Ohnach, auf ladinisch Ognies.Westwärts ist der Bereich der Sprache sehr genau abgezeichnet durch die Dolomitmauer, welche sich vom Langkofel an den Thälern von Campill und Untermoi hinabzieht und auf deren linker Seite die Gebiete von Gröden und die jetzt deutschen Thäler von Villnöß, Affers und Lüsen liegen. Die östliche Gränze verliert sich im wilden Gebirge, das gegen die neue Straße von Ampezzo hin in verschiedene kleine Thäler sich einsenkt. Auf den dortigen Alpen stehen vielfältig sehr niedlich gebaute und mit heizbaren Zimmerchen versehene Sennhütten in dörflichen Haufen beisammen, unsichtbar für alle, die im Thale hinab wandern, freundliche Ueberraschung für den, der an den kahlen Wänden hinaufgestiegen und da von altherkömmlicher Gastfreundschaft Obdach und Erquickung findet. Sie sind nur den Sommer über von den Ennebergern bewohnt und werden im Herbst verlassen. - Der Dialekt von Ampezzo hat wieder manche Eigenthümlichkeiten und wird daher von vielen als in einer Linie mit dem Grödnerischen, Ennebergischen und Fassanischen stehend, nicht zum ächten Italienisch gerechnet. Zu diesen innerthalischen Namen wollen wir noch einige ladinische für die nächstgelegenen Orte im Pusterthale stellen. So heißt also Brunecken Burnec, Michaelsburg tschiastel de mür,

stellen sich gerne ein, in Folge davon Miswachs und schlechte Ernten – alles kein Wunder, wenn man bedenkt, daß St. Vigil

Jahrhunderts als Aelina vor und aus diesem Namen stammt sein heutiger deutscher; die Enneberger haben daraus nach der schon oben erwähnten zwischen zwei Vocalen vorgehenden Umwandlung des l in r zuerst Erina und aus diesem Rina gemacht. In einem Seitenthale, dessen Bach oberhalb Zwischenwasser in die Gader fällt, liegt Antermeia, von den Deutschen Untermoi genannt. Ungefähr eine Stunde unterhalb Zwischenwasser ist die Sprachgränze. Dort steht ein einzelnes Wirthshaus, bei den Ennebergern Pera forada „am durchbrochenen Stein“ geheißen, ein Name der bei den Deutschen Pelfrad lautet. In diesem einschichten Hause wirthschaften seit langen Zeiten ladinische Leute; eine halbe Stunde weiter aber liegt ein anderes Wirthshaus, Saalen, welches als der Anfang der deutschen Sprache gilt, da dort Pusterer seßhaft sind. Dieses Saalen heißt bei den Ennebergern Sares; in ältern Urkunden wird es Susulona genannt. Beide Orte liegen auf dem rechten Ufer des Gaderbaches; auf dem linken ist der letzte ladinische Ort das genannte Wälschellen, der erste deutsche das eine Stunde davon gelegene Ohnach, auf ladinisch Ognies.Westwärts ist der Bereich der Sprache sehr genau abgezeichnet durch die Dolomitmauer, welche sich vom Langkofel an den Thälern von Campill und Untermoi hinabzieht und auf deren linker Seite die Gebiete von Gröden und die jetzt deutschen Thäler von Villnöß, Affers und Lüsen liegen. Die östliche Gränze verliert sich im wilden Gebirge, das gegen die neue Straße von Ampezzo hin in verschiedene kleine Thäler sich einsenkt. Auf den dortigen Alpen stehen vielfältig sehr niedlich gebaute und mit heizbaren Zimmerchen versehene Sennhütten in dörflichen Haufen beisammen, unsichtbar für alle, die im Thale hinab wandern, freundliche Ueberraschung für den, der an den kahlen Wänden hinaufgestiegen und da von altherkömmlicher Gastfreundschaft Obdach und Erquickung findet. Sie sind nur den Sommer über von den Ennebergern bewohnt und werden im Herbst verlassen. – Der Dialekt von Ampezzo hat wieder manche Eigenthümlichkeiten und wird daher von vielen als in einer Linie mit dem Grödnerischen, Ennebergischen und Fassanischen stehend, nicht zum ächten Italienisch gerechnet. Zu diesen innerthalischen Namen wollen wir noch einige ladinische für die nächstgelegenen Orte im Pusterthale stellen. So heißt also Brunecken Burnec, Michaelsburg tschiastel de mür,
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[459/0463] stellen sich gerne ein, in Folge davon Miswachs und schlechte Ernten – alles kein Wunder, wenn man bedenkt, daß St. Vigil *) *) Jahrhunderts als Aelina vor und aus diesem Namen stammt sein heutiger deutscher; die Enneberger haben daraus nach der schon oben erwähnten zwischen zwei Vocalen vorgehenden Umwandlung des l in r zuerst Erina und aus diesem Rina gemacht. In einem Seitenthale, dessen Bach oberhalb Zwischenwasser in die Gader fällt, liegt Antermeia, von den Deutschen Untermoi genannt. Ungefähr eine Stunde unterhalb Zwischenwasser ist die Sprachgränze. Dort steht ein einzelnes Wirthshaus, bei den Ennebergern Pera forada „am durchbrochenen Stein“ geheißen, ein Name der bei den Deutschen Pelfrad lautet. In diesem einschichten Hause wirthschaften seit langen Zeiten ladinische Leute; eine halbe Stunde weiter aber liegt ein anderes Wirthshaus, Saalen, welches als der Anfang der deutschen Sprache gilt, da dort Pusterer seßhaft sind. Dieses Saalen heißt bei den Ennebergern Sares; in ältern Urkunden wird es Susulona genannt. Beide Orte liegen auf dem rechten Ufer des Gaderbaches; auf dem linken ist der letzte ladinische Ort das genannte Wälschellen, der erste deutsche das eine Stunde davon gelegene Ohnach, auf ladinisch Ognies. Westwärts ist der Bereich der Sprache sehr genau abgezeichnet durch die Dolomitmauer, welche sich vom Langkofel an den Thälern von Campill und Untermoi hinabzieht und auf deren linker Seite die Gebiete von Gröden und die jetzt deutschen Thäler von Villnöß, Affers und Lüsen liegen. Die östliche Gränze verliert sich im wilden Gebirge, das gegen die neue Straße von Ampezzo hin in verschiedene kleine Thäler sich einsenkt. Auf den dortigen Alpen stehen vielfältig sehr niedlich gebaute und mit heizbaren Zimmerchen versehene Sennhütten in dörflichen Haufen beisammen, unsichtbar für alle, die im Thale hinab wandern, freundliche Ueberraschung für den, der an den kahlen Wänden hinaufgestiegen und da von altherkömmlicher Gastfreundschaft Obdach und Erquickung findet. Sie sind nur den Sommer über von den Ennebergern bewohnt und werden im Herbst verlassen. – Der Dialekt von Ampezzo hat wieder manche Eigenthümlichkeiten und wird daher von vielen als in einer Linie mit dem Grödnerischen, Ennebergischen und Fassanischen stehend, nicht zum ächten Italienisch gerechnet. Zu diesen innerthalischen Namen wollen wir noch einige ladinische für die nächstgelegenen Orte im Pusterthale stellen. So heißt also Brunecken Burnec, Michaelsburg tschiastel de mür,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/463>, abgerufen am 14.06.2024.