Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

wulstiger Hülle. Diese Tracht der Duxerinnen war ehemals auch bei dem andern Geschlecht im Zillerthale üblich. Seit zehn Jahren ist aber die freilich viel kleidsamere Mode des Innthales, der hohe Spenser, der ragende Hut, bis Zell und Mayrhofen vorgedrungen und den alten Schnitt bewahren daselbst nur ältere Mütterchen und wenige Mädchen des ärmsten Volkes.

Sonst ist der Schlag durchaus germanischen Ansehens, der Wuchs durchschnittlich um ein Gutes niederer, als im Zillerthale, aber stark und stämmig. Die männliche Jugend, wie sie vor dem Wirthshause versammelt war, zeigte viele sehr individualisirte, schöne Köpfe, fast alle mit blonden Locken zierlich bekränzt. Etliche Knaben, gerade auf dem Uebergange ins Jünglingsalter, fielen mir besonders auf durch weiche, ideale Züge. Ein besonders schmucker Bursch ist Seppel, der Sohn des Wirthes. Die Duxer Mädchen gelten am Lande als reizend und schön, und nebenbei weiß man auch, daß sie der harten Arbeit willen sehr früh verblühen. Sie erfreuen sich einer sehr weißen Haut und hochrother Backen, sind aber meiner Beobachtung nach mit ausdruckslosen Zügen begabt und sehr klein gewachsen. So kann ich leider ihren guten Ruf nicht bestätigen, abgesehen von Jörgels Maidele, welche weitaus die schönste war.

Es war schon etlichemale in Predigt und Amt geläutet worden, und die Weibsen hatten sich bereits alle in die Kirche begeben. Auch die Männer zogen sich mehr und mehr gegen den Friedhof hin, doch blieb eine ziemliche Anzahl vor dem Wirthshause stehen und manche setzten sich sogar zusammen aufs Gras. Sie hielten sich wahrscheinlich entschuldigt, weil die kleine Dorfkirche doch nicht alle aufnehmen wollte, so daß viele außerhalb des Gotteshauses im Schatten der Kirchenwand sitzen mußten. Als endlich das feierliche Amt vorüber war, brach der graue Haufe mit vielem Gedränge heraus und strebte den beiden Wirthshäusern zu. Im unsrigen war bald die Zechstube gefüllt und noch ein großer Gaden und der Tanzsaal, den Jörgel in lustigern Zeiten, vielleicht auch für lustigere Zeiten, die wieder kommen sollen, hat erbauen lassen. Die dienenden Leute, der Wirth, die Wirthin, Seppel, Resele,

wulstiger Hülle. Diese Tracht der Duxerinnen war ehemals auch bei dem andern Geschlecht im Zillerthale üblich. Seit zehn Jahren ist aber die freilich viel kleidsamere Mode des Innthales, der hohe Spenser, der ragende Hut, bis Zell und Mayrhofen vorgedrungen und den alten Schnitt bewahren daselbst nur ältere Mütterchen und wenige Mädchen des ärmsten Volkes.

Sonst ist der Schlag durchaus germanischen Ansehens, der Wuchs durchschnittlich um ein Gutes niederer, als im Zillerthale, aber stark und stämmig. Die männliche Jugend, wie sie vor dem Wirthshause versammelt war, zeigte viele sehr individualisirte, schöne Köpfe, fast alle mit blonden Locken zierlich bekränzt. Etliche Knaben, gerade auf dem Uebergange ins Jünglingsalter, fielen mir besonders auf durch weiche, ideale Züge. Ein besonders schmucker Bursch ist Seppel, der Sohn des Wirthes. Die Duxer Mädchen gelten am Lande als reizend und schön, und nebenbei weiß man auch, daß sie der harten Arbeit willen sehr früh verblühen. Sie erfreuen sich einer sehr weißen Haut und hochrother Backen, sind aber meiner Beobachtung nach mit ausdruckslosen Zügen begabt und sehr klein gewachsen. So kann ich leider ihren guten Ruf nicht bestätigen, abgesehen von Jörgels Maidele, welche weitaus die schönste war.

Es war schon etlichemale in Predigt und Amt geläutet worden, und die Weibsen hatten sich bereits alle in die Kirche begeben. Auch die Männer zogen sich mehr und mehr gegen den Friedhof hin, doch blieb eine ziemliche Anzahl vor dem Wirthshause stehen und manche setzten sich sogar zusammen aufs Gras. Sie hielten sich wahrscheinlich entschuldigt, weil die kleine Dorfkirche doch nicht alle aufnehmen wollte, so daß viele außerhalb des Gotteshauses im Schatten der Kirchenwand sitzen mußten. Als endlich das feierliche Amt vorüber war, brach der graue Haufe mit vielem Gedränge heraus und strebte den beiden Wirthshäusern zu. Im unsrigen war bald die Zechstube gefüllt und noch ein großer Gaden und der Tanzsaal, den Jörgel in lustigern Zeiten, vielleicht auch für lustigere Zeiten, die wieder kommen sollen, hat erbauen lassen. Die dienenden Leute, der Wirth, die Wirthin, Seppel, Resele,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0529" n="525"/>
wulstiger Hülle. Diese Tracht der Duxerinnen war ehemals auch bei dem andern Geschlecht im Zillerthale üblich. Seit zehn Jahren ist aber die freilich viel kleidsamere Mode des Innthales, der hohe Spenser, der ragende Hut, bis Zell und Mayrhofen vorgedrungen und den alten Schnitt bewahren daselbst nur ältere Mütterchen und wenige Mädchen des ärmsten Volkes.</p>
        <p>Sonst ist der Schlag durchaus germanischen Ansehens, der Wuchs durchschnittlich um ein Gutes niederer, als im Zillerthale, aber stark und stämmig. Die männliche Jugend, wie sie vor dem Wirthshause versammelt war, zeigte viele sehr individualisirte, schöne Köpfe, fast alle mit blonden Locken zierlich bekränzt. Etliche Knaben, gerade auf dem Uebergange ins Jünglingsalter, fielen mir besonders auf durch weiche, ideale Züge. Ein besonders schmucker Bursch ist Seppel, der Sohn des Wirthes. Die Duxer Mädchen gelten am Lande als reizend und schön, und nebenbei weiß man auch, daß sie der harten Arbeit willen sehr früh verblühen. Sie erfreuen sich einer sehr weißen Haut und hochrother Backen, sind aber meiner Beobachtung nach mit ausdruckslosen Zügen begabt und sehr klein gewachsen. So kann ich leider ihren guten Ruf nicht bestätigen, abgesehen von Jörgels Maidele, welche weitaus die schönste war.</p>
        <p>Es war schon etlichemale in Predigt und Amt geläutet worden, und die Weibsen hatten sich bereits alle in die Kirche begeben. Auch die Männer zogen sich mehr und mehr gegen den Friedhof hin, doch blieb eine ziemliche Anzahl vor dem Wirthshause stehen und manche setzten sich sogar zusammen aufs Gras. Sie hielten sich wahrscheinlich entschuldigt, weil die kleine Dorfkirche doch nicht alle aufnehmen wollte, so daß viele außerhalb des Gotteshauses im Schatten der Kirchenwand sitzen mußten. Als endlich das feierliche Amt vorüber war, brach der graue Haufe mit vielem Gedränge heraus und strebte den beiden Wirthshäusern zu. Im unsrigen war bald die Zechstube gefüllt und noch ein großer Gaden und der Tanzsaal, den Jörgel in lustigern Zeiten, vielleicht auch für lustigere Zeiten, die wieder kommen sollen, hat erbauen lassen. Die dienenden Leute, der Wirth, die Wirthin, Seppel, Resele,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[525/0529] wulstiger Hülle. Diese Tracht der Duxerinnen war ehemals auch bei dem andern Geschlecht im Zillerthale üblich. Seit zehn Jahren ist aber die freilich viel kleidsamere Mode des Innthales, der hohe Spenser, der ragende Hut, bis Zell und Mayrhofen vorgedrungen und den alten Schnitt bewahren daselbst nur ältere Mütterchen und wenige Mädchen des ärmsten Volkes. Sonst ist der Schlag durchaus germanischen Ansehens, der Wuchs durchschnittlich um ein Gutes niederer, als im Zillerthale, aber stark und stämmig. Die männliche Jugend, wie sie vor dem Wirthshause versammelt war, zeigte viele sehr individualisirte, schöne Köpfe, fast alle mit blonden Locken zierlich bekränzt. Etliche Knaben, gerade auf dem Uebergange ins Jünglingsalter, fielen mir besonders auf durch weiche, ideale Züge. Ein besonders schmucker Bursch ist Seppel, der Sohn des Wirthes. Die Duxer Mädchen gelten am Lande als reizend und schön, und nebenbei weiß man auch, daß sie der harten Arbeit willen sehr früh verblühen. Sie erfreuen sich einer sehr weißen Haut und hochrother Backen, sind aber meiner Beobachtung nach mit ausdruckslosen Zügen begabt und sehr klein gewachsen. So kann ich leider ihren guten Ruf nicht bestätigen, abgesehen von Jörgels Maidele, welche weitaus die schönste war. Es war schon etlichemale in Predigt und Amt geläutet worden, und die Weibsen hatten sich bereits alle in die Kirche begeben. Auch die Männer zogen sich mehr und mehr gegen den Friedhof hin, doch blieb eine ziemliche Anzahl vor dem Wirthshause stehen und manche setzten sich sogar zusammen aufs Gras. Sie hielten sich wahrscheinlich entschuldigt, weil die kleine Dorfkirche doch nicht alle aufnehmen wollte, so daß viele außerhalb des Gotteshauses im Schatten der Kirchenwand sitzen mußten. Als endlich das feierliche Amt vorüber war, brach der graue Haufe mit vielem Gedränge heraus und strebte den beiden Wirthshäusern zu. Im unsrigen war bald die Zechstube gefüllt und noch ein großer Gaden und der Tanzsaal, den Jörgel in lustigern Zeiten, vielleicht auch für lustigere Zeiten, die wieder kommen sollen, hat erbauen lassen. Die dienenden Leute, der Wirth, die Wirthin, Seppel, Resele,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/529
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/529>, abgerufen am 15.06.2024.