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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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anderswo vorhandenen anzuschließen. Dieß begehrten aber die wenigsten, die meisten zogen in die Fremde.

Das war das letzte öffentliche Auftreten des Protestantismus, der bei seinem Beginne in Tirol viel Anhänger gezählt und viele Aufregung verursacht hat. Der Ursitz war jeweils zu Schwaz, wo die reichen Silberwerke etliche Tausend Knappen beisammen hielten, während von nah' und ferne, zumal aus den Erzgebirge, wandernde Bergleute ab- und zugingen. Auf diese Art kam die neue Lehre ins Land und von Schwaz aus verbreitete sie sich über Brixen ins Pusterthal, zumal nach Taufers und Ahren, nach Brunecken und selbst in die wälschen Gebirge von Buchenstein und Fassa. Sie wurde mit den damals gebräuchlichen Mitteln wohl bald glücklich unterdrückt, flackerte aber doch von Zeit zu Zeit wieder bedenklich auf. Ein abgedankter Soldat, Balthasar Dosser, aus dem Thale Lüsen, spann im Jahre 1558 eine wiedertäuferische Verschwörung an, wurde jedoch nach etlichen Jahren zu Brixen hingerichtet, ebenso wie seine Anhänger zu Meran und an andern Orten. -- In neuerer Zeit thaten sich im Brixenthale des Unterinnthales die Mannhardtisten auf, welche den öffentlichen Gottesdienst nicht mehr besuchen wollten, weil sie die Weihe ihrer Priester nicht anerkannten. Etliche Abgesandte, die sich nach Rom begaben, wurden aber dort über ihren Irrthum belehrt und belehrten dann nach ihrer Rückkunft auch ihre übrigen Meinungsgenossen. - Ins Zillerthal kam übrigens der Protestantismus aus dem salzburgischen Pinzgau, aus demselben, das in dem letzten Jahrhunderte seinem Erzbischofe schon einmal Veranlassung zur Austreibung seiner Unterthanen gegeben. Dann begünstigten auch die Wanderungen der Handschuhhändler die Einfuhr von Bibeln und protestantischen Erbauungsbüchern. So kam es denn, daß auf die kaiserliche Verordnung vom 12 Jänner 1837 sich 126 Familienväter aus den Gemeinden Zell, Mayrhofen, Brandberg, Finkenberg und Hippach zur Auswanderung bereit erklärten. Im September desselben Jahres sind sie dann mit 288 Angehörigen (darunter 131 unmündige Kinder) nach Preußen ausgezogen, nach Nothdurft unterstützt von Seite der österreichischen

anderswo vorhandenen anzuschließen. Dieß begehrten aber die wenigsten, die meisten zogen in die Fremde.

Das war das letzte öffentliche Auftreten des Protestantismus, der bei seinem Beginne in Tirol viel Anhänger gezählt und viele Aufregung verursacht hat. Der Ursitz war jeweils zu Schwaz, wo die reichen Silberwerke etliche Tausend Knappen beisammen hielten, während von nah’ und ferne, zumal aus den Erzgebirge, wandernde Bergleute ab- und zugingen. Auf diese Art kam die neue Lehre ins Land und von Schwaz aus verbreitete sie sich über Brixen ins Pusterthal, zumal nach Taufers und Ahren, nach Brunecken und selbst in die wälschen Gebirge von Buchenstein und Fassa. Sie wurde mit den damals gebräuchlichen Mitteln wohl bald glücklich unterdrückt, flackerte aber doch von Zeit zu Zeit wieder bedenklich auf. Ein abgedankter Soldat, Balthasar Dosser, aus dem Thale Lüsen, spann im Jahre 1558 eine wiedertäuferische Verschwörung an, wurde jedoch nach etlichen Jahren zu Brixen hingerichtet, ebenso wie seine Anhänger zu Meran und an andern Orten. — In neuerer Zeit thaten sich im Brixenthale des Unterinnthales die Mannhardtisten auf, welche den öffentlichen Gottesdienst nicht mehr besuchen wollten, weil sie die Weihe ihrer Priester nicht anerkannten. Etliche Abgesandte, die sich nach Rom begaben, wurden aber dort über ihren Irrthum belehrt und belehrten dann nach ihrer Rückkunft auch ihre übrigen Meinungsgenossen. – Ins Zillerthal kam übrigens der Protestantismus aus dem salzburgischen Pinzgau, aus demselben, das in dem letzten Jahrhunderte seinem Erzbischofe schon einmal Veranlassung zur Austreibung seiner Unterthanen gegeben. Dann begünstigten auch die Wanderungen der Handschuhhändler die Einfuhr von Bibeln und protestantischen Erbauungsbüchern. So kam es denn, daß auf die kaiserliche Verordnung vom 12 Jänner 1837 sich 126 Familienväter aus den Gemeinden Zell, Mayrhofen, Brandberg, Finkenberg und Hippach zur Auswanderung bereit erklärten. Im September desselben Jahres sind sie dann mit 288 Angehörigen (darunter 131 unmündige Kinder) nach Preußen ausgezogen, nach Nothdurft unterstützt von Seite der österreichischen

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[535/0539] anderswo vorhandenen anzuschließen. Dieß begehrten aber die wenigsten, die meisten zogen in die Fremde. Das war das letzte öffentliche Auftreten des Protestantismus, der bei seinem Beginne in Tirol viel Anhänger gezählt und viele Aufregung verursacht hat. Der Ursitz war jeweils zu Schwaz, wo die reichen Silberwerke etliche Tausend Knappen beisammen hielten, während von nah’ und ferne, zumal aus den Erzgebirge, wandernde Bergleute ab- und zugingen. Auf diese Art kam die neue Lehre ins Land und von Schwaz aus verbreitete sie sich über Brixen ins Pusterthal, zumal nach Taufers und Ahren, nach Brunecken und selbst in die wälschen Gebirge von Buchenstein und Fassa. Sie wurde mit den damals gebräuchlichen Mitteln wohl bald glücklich unterdrückt, flackerte aber doch von Zeit zu Zeit wieder bedenklich auf. Ein abgedankter Soldat, Balthasar Dosser, aus dem Thale Lüsen, spann im Jahre 1558 eine wiedertäuferische Verschwörung an, wurde jedoch nach etlichen Jahren zu Brixen hingerichtet, ebenso wie seine Anhänger zu Meran und an andern Orten. — In neuerer Zeit thaten sich im Brixenthale des Unterinnthales die Mannhardtisten auf, welche den öffentlichen Gottesdienst nicht mehr besuchen wollten, weil sie die Weihe ihrer Priester nicht anerkannten. Etliche Abgesandte, die sich nach Rom begaben, wurden aber dort über ihren Irrthum belehrt und belehrten dann nach ihrer Rückkunft auch ihre übrigen Meinungsgenossen. – Ins Zillerthal kam übrigens der Protestantismus aus dem salzburgischen Pinzgau, aus demselben, das in dem letzten Jahrhunderte seinem Erzbischofe schon einmal Veranlassung zur Austreibung seiner Unterthanen gegeben. Dann begünstigten auch die Wanderungen der Handschuhhändler die Einfuhr von Bibeln und protestantischen Erbauungsbüchern. So kam es denn, daß auf die kaiserliche Verordnung vom 12 Jänner 1837 sich 126 Familienväter aus den Gemeinden Zell, Mayrhofen, Brandberg, Finkenberg und Hippach zur Auswanderung bereit erklärten. Im September desselben Jahres sind sie dann mit 288 Angehörigen (darunter 131 unmündige Kinder) nach Preußen ausgezogen, nach Nothdurft unterstützt von Seite der österreichischen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/539>, abgerufen am 23.11.2024.