Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.im Lande entgegenführen würde. Und so kam mir denn auch, was ich im Zillerthale nicht gefunden, eines Tages zu Meran vor Augen und zwar unter dem Titel: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tirolers von Ried im Zillerthale - oder das wunderbare Schicksal. Geschrieben in der Zeit der Aufklärung. München l789. Ich hatte mir eine Art spanischen Schelmenromans vorgestellt, die Abenteuer eines kecken, schlauen, überlegenen Schalks, der seine Talente unter alpenhafter Naivetät zu verbergen gewußt, aber aus der Selbstbiographie geht eher hervor, daß der Held gutmüthig und sehr furchtsam gewesen und dem hingebenden Gleichmuth mit dem er die lustigen Quälereien seiner vornehmen Gönner ertrug, bei weitem mehr zu danken hatte, als der Feinheit seines Verstandes. Er war im Jahre 1745 auf einem Söldenhäuschen zu Ried geboren, als das jüngste von eilf lebendigen Geschwistern. Im neunten Jahre verlor Peter seine Mutter - der Vater war schon lang vorher gestorben - und der älteste Bruder hatte ein böses Weib geheirathet, welches die jüngern Geschwister schnell alle aus dem Hause jagte. An einem schönen Nachmittage, erzählt die Lebensbeschreibung, um die Zeit der Weinlese, wenn die Blätter anfangen gelb zu werden und bei dem geringsten Lüftchen von den Bäumen fallen, wenn alle Getraidefelder leer sind und die Kühe in kleinen Heerden über die Berge und Felder hinweiden, kam der Knabe auf einem einsamen Fußsteige den Berg herab. Er war barfuß, aber seine schwarzbraunen Füße hatten sich ohne Verletzung über spitzige Steine hinzugehen gewöhnt. Seine Haut war durch Sonnenschein, Kälte, Regen und Winde so abgehärtet, daß ihn auch das Ritzen der Disteln und Dörner an den Wegen nicht schmerzte. Er war mit einem zerrissenen, kleinen Hemde und erbettelten alten Kleidern behangen. Den runden, vollwangigen, gelockten Kopf bedeckte ein zerfetzter, alter, grauer, großer Hut, durch dessen Spalten die hellbraunen Haare häufig herausguckten. An seiner Seite hing ein alter Brodsack und in der Hand trug er einen starken, haselnen Stock, um die Hunde damit abzuwehren. im Lande entgegenführen würde. Und so kam mir denn auch, was ich im Zillerthale nicht gefunden, eines Tages zu Meran vor Augen und zwar unter dem Titel: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tirolers von Ried im Zillerthale – oder das wunderbare Schicksal. Geschrieben in der Zeit der Aufklärung. München l789. Ich hatte mir eine Art spanischen Schelmenromans vorgestellt, die Abenteuer eines kecken, schlauen, überlegenen Schalks, der seine Talente unter alpenhafter Naivetät zu verbergen gewußt, aber aus der Selbstbiographie geht eher hervor, daß der Held gutmüthig und sehr furchtsam gewesen und dem hingebenden Gleichmuth mit dem er die lustigen Quälereien seiner vornehmen Gönner ertrug, bei weitem mehr zu danken hatte, als der Feinheit seines Verstandes. Er war im Jahre 1745 auf einem Söldenhäuschen zu Ried geboren, als das jüngste von eilf lebendigen Geschwistern. Im neunten Jahre verlor Peter seine Mutter – der Vater war schon lang vorher gestorben – und der älteste Bruder hatte ein böses Weib geheirathet, welches die jüngern Geschwister schnell alle aus dem Hause jagte. An einem schönen Nachmittage, erzählt die Lebensbeschreibung, um die Zeit der Weinlese, wenn die Blätter anfangen gelb zu werden und bei dem geringsten Lüftchen von den Bäumen fallen, wenn alle Getraidefelder leer sind und die Kühe in kleinen Heerden über die Berge und Felder hinweiden, kam der Knabe auf einem einsamen Fußsteige den Berg herab. Er war barfuß, aber seine schwarzbraunen Füße hatten sich ohne Verletzung über spitzige Steine hinzugehen gewöhnt. Seine Haut war durch Sonnenschein, Kälte, Regen und Winde so abgehärtet, daß ihn auch das Ritzen der Disteln und Dörner an den Wegen nicht schmerzte. Er war mit einem zerrissenen, kleinen Hemde und erbettelten alten Kleidern behangen. Den runden, vollwangigen, gelockten Kopf bedeckte ein zerfetzter, alter, grauer, großer Hut, durch dessen Spalten die hellbraunen Haare häufig herausguckten. An seiner Seite hing ein alter Brodsack und in der Hand trug er einen starken, haselnen Stock, um die Hunde damit abzuwehren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0551" n="547"/> im Lande entgegenführen würde. Und so kam mir denn auch, was ich im Zillerthale nicht gefunden, eines Tages zu Meran vor Augen und zwar unter dem Titel: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tirolers von Ried im Zillerthale – oder das wunderbare Schicksal. Geschrieben in der Zeit der Aufklärung. München l789. Ich hatte mir eine Art spanischen Schelmenromans vorgestellt, die Abenteuer eines kecken, schlauen, überlegenen Schalks, der seine Talente unter alpenhafter Naivetät zu verbergen gewußt, aber aus der Selbstbiographie geht eher hervor, daß der Held gutmüthig und sehr furchtsam gewesen und dem hingebenden Gleichmuth mit dem er die lustigen Quälereien seiner vornehmen Gönner ertrug, bei weitem mehr zu danken hatte, als der Feinheit seines Verstandes. Er war im Jahre 1745 auf einem Söldenhäuschen zu Ried geboren, als das jüngste von eilf lebendigen Geschwistern. Im neunten Jahre verlor Peter seine Mutter – der Vater war schon lang vorher gestorben – und der älteste Bruder hatte ein böses Weib geheirathet, welches die jüngern Geschwister schnell alle aus dem Hause jagte. An einem schönen Nachmittage, erzählt die Lebensbeschreibung, um die Zeit der Weinlese, wenn die Blätter anfangen gelb zu werden und bei dem geringsten Lüftchen von den Bäumen fallen, wenn alle Getraidefelder leer sind und die Kühe in kleinen Heerden über die Berge und Felder hinweiden, kam der Knabe auf einem einsamen Fußsteige den Berg herab. Er war barfuß, aber seine schwarzbraunen Füße hatten sich ohne Verletzung über spitzige Steine hinzugehen gewöhnt. Seine Haut war durch Sonnenschein, Kälte, Regen und Winde so abgehärtet, daß ihn auch das Ritzen der Disteln und Dörner an den Wegen nicht schmerzte. Er war mit einem zerrissenen, kleinen Hemde und erbettelten alten Kleidern behangen. Den runden, vollwangigen, gelockten Kopf bedeckte ein zerfetzter, alter, grauer, großer Hut, durch dessen Spalten die hellbraunen Haare häufig herausguckten. An seiner Seite hing ein alter Brodsack und in der Hand trug er einen starken, haselnen Stock, um die Hunde damit abzuwehren.</p> </div> </body> </text> </TEI> [547/0551]
im Lande entgegenführen würde. Und so kam mir denn auch, was ich im Zillerthale nicht gefunden, eines Tages zu Meran vor Augen und zwar unter dem Titel: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tirolers von Ried im Zillerthale – oder das wunderbare Schicksal. Geschrieben in der Zeit der Aufklärung. München l789. Ich hatte mir eine Art spanischen Schelmenromans vorgestellt, die Abenteuer eines kecken, schlauen, überlegenen Schalks, der seine Talente unter alpenhafter Naivetät zu verbergen gewußt, aber aus der Selbstbiographie geht eher hervor, daß der Held gutmüthig und sehr furchtsam gewesen und dem hingebenden Gleichmuth mit dem er die lustigen Quälereien seiner vornehmen Gönner ertrug, bei weitem mehr zu danken hatte, als der Feinheit seines Verstandes. Er war im Jahre 1745 auf einem Söldenhäuschen zu Ried geboren, als das jüngste von eilf lebendigen Geschwistern. Im neunten Jahre verlor Peter seine Mutter – der Vater war schon lang vorher gestorben – und der älteste Bruder hatte ein böses Weib geheirathet, welches die jüngern Geschwister schnell alle aus dem Hause jagte. An einem schönen Nachmittage, erzählt die Lebensbeschreibung, um die Zeit der Weinlese, wenn die Blätter anfangen gelb zu werden und bei dem geringsten Lüftchen von den Bäumen fallen, wenn alle Getraidefelder leer sind und die Kühe in kleinen Heerden über die Berge und Felder hinweiden, kam der Knabe auf einem einsamen Fußsteige den Berg herab. Er war barfuß, aber seine schwarzbraunen Füße hatten sich ohne Verletzung über spitzige Steine hinzugehen gewöhnt. Seine Haut war durch Sonnenschein, Kälte, Regen und Winde so abgehärtet, daß ihn auch das Ritzen der Disteln und Dörner an den Wegen nicht schmerzte. Er war mit einem zerrissenen, kleinen Hemde und erbettelten alten Kleidern behangen. Den runden, vollwangigen, gelockten Kopf bedeckte ein zerfetzter, alter, grauer, großer Hut, durch dessen Spalten die hellbraunen Haare häufig herausguckten. An seiner Seite hing ein alter Brodsack und in der Hand trug er einen starken, haselnen Stock, um die Hunde damit abzuwehren.
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