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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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war, und daß jetzt, da wir eine Sirene schon glücklich umschifft, Widerstandskraft und Selbstvertrauen gewachsen waren. So gewappnet standen wir unter dem bescheidenen Dache der Herberge. Unser Benehmen war voll sinnigen Ernstes - die feurigen Augen, der verwegene Blick, die leichten, scherzenden Reden, die volle Brust und die schwellenden Hüften - sie bethörten uns nicht. - Wir wollten nur fragen, ob es leicht sey, irre zu gehen, und ob es nothwendig, einen Führer mitzunehmen, und als wir gehört, daß ersteres nicht leicht und letzteres nicht nöthig sey, lösten wir uns wieder selbdritt nach einem Bhü' Gott voll Entsagung aus dem Bann dieser tauriscischen Augen.

Das innere Tauernhaus ist eines der letzten Gebäude in dem schmalen Langthale, das man von der Höhe des Achenfalles bis in die Wildniß kahlen Hochgebirges hinein in drei Stunden durchziehen kann. In seinen hintersten Gründen geht es noch einmal gabelförmig aus einander; die eine Zinke läßt sich auf ebenen Pfaden verfolgen bis auf den nahe liegenden Ferner, rechter Hand dagegen steht eine waldige Halde auf, über welche ein Wasserfall herunter stürzt. Diesem zur Seite klimmt man mühselig empor und nachdem man um ein paar Kirchthürme höher hinaufgekommen, öffnet sich ein unbedeutendes Zuthälchen, von einem lauten Bächlein durchströmt, mit abgefallenen Blöcken reichlich durchsäet. Zu beiden Seiten ziehen kahle Höhen hin - hinten thürmt sich der Tauern auf, aber über diesem lagen die Nebel. So lieb es uns war, dem Bereiche jener Augen entrückt zu seyn, so fanden wir's doch hier oben sehr öde, sehr trübe und eben deßwegen fast unheimlich, zumal da sich jetzt in kurzer Zeit die Nebel weit herabgelassen hatten, den Eingang des Thales schlossen und uns selbst mitunter fast auf die Hüte drückten. Einen Schweinetreiber, der über dem Bache seine Heerde vom Tauern herabführte und den wir um sein Befinden fragen wollten, konnten wir nicht erschreien, weil das Wasser zu laut dazwischen sprach und durch das wilde Wirrsal von Felsblöcken so leicht nicht hinüber zu klettern war. Was wir auch thaten, wir konnten uns nicht bemerklich machen.

war, und daß jetzt, da wir eine Sirene schon glücklich umschifft, Widerstandskraft und Selbstvertrauen gewachsen waren. So gewappnet standen wir unter dem bescheidenen Dache der Herberge. Unser Benehmen war voll sinnigen Ernstes – die feurigen Augen, der verwegene Blick, die leichten, scherzenden Reden, die volle Brust und die schwellenden Hüften – sie bethörten uns nicht. – Wir wollten nur fragen, ob es leicht sey, irre zu gehen, und ob es nothwendig, einen Führer mitzunehmen, und als wir gehört, daß ersteres nicht leicht und letzteres nicht nöthig sey, lösten wir uns wieder selbdritt nach einem Bhü’ Gott voll Entsagung aus dem Bann dieser tauriscischen Augen.

Das innere Tauernhaus ist eines der letzten Gebäude in dem schmalen Langthale, das man von der Höhe des Achenfalles bis in die Wildniß kahlen Hochgebirges hinein in drei Stunden durchziehen kann. In seinen hintersten Gründen geht es noch einmal gabelförmig aus einander; die eine Zinke läßt sich auf ebenen Pfaden verfolgen bis auf den nahe liegenden Ferner, rechter Hand dagegen steht eine waldige Halde auf, über welche ein Wasserfall herunter stürzt. Diesem zur Seite klimmt man mühselig empor und nachdem man um ein paar Kirchthürme höher hinaufgekommen, öffnet sich ein unbedeutendes Zuthälchen, von einem lauten Bächlein durchströmt, mit abgefallenen Blöcken reichlich durchsäet. Zu beiden Seiten ziehen kahle Höhen hin – hinten thürmt sich der Tauern auf, aber über diesem lagen die Nebel. So lieb es uns war, dem Bereiche jener Augen entrückt zu seyn, so fanden wir’s doch hier oben sehr öde, sehr trübe und eben deßwegen fast unheimlich, zumal da sich jetzt in kurzer Zeit die Nebel weit herabgelassen hatten, den Eingang des Thales schlossen und uns selbst mitunter fast auf die Hüte drückten. Einen Schweinetreiber, der über dem Bache seine Heerde vom Tauern herabführte und den wir um sein Befinden fragen wollten, konnten wir nicht erschreien, weil das Wasser zu laut dazwischen sprach und durch das wilde Wirrsal von Felsblöcken so leicht nicht hinüber zu klettern war. Was wir auch thaten, wir konnten uns nicht bemerklich machen.

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[588/0592] war, und daß jetzt, da wir eine Sirene schon glücklich umschifft, Widerstandskraft und Selbstvertrauen gewachsen waren. So gewappnet standen wir unter dem bescheidenen Dache der Herberge. Unser Benehmen war voll sinnigen Ernstes – die feurigen Augen, der verwegene Blick, die leichten, scherzenden Reden, die volle Brust und die schwellenden Hüften – sie bethörten uns nicht. – Wir wollten nur fragen, ob es leicht sey, irre zu gehen, und ob es nothwendig, einen Führer mitzunehmen, und als wir gehört, daß ersteres nicht leicht und letzteres nicht nöthig sey, lösten wir uns wieder selbdritt nach einem Bhü’ Gott voll Entsagung aus dem Bann dieser tauriscischen Augen. Das innere Tauernhaus ist eines der letzten Gebäude in dem schmalen Langthale, das man von der Höhe des Achenfalles bis in die Wildniß kahlen Hochgebirges hinein in drei Stunden durchziehen kann. In seinen hintersten Gründen geht es noch einmal gabelförmig aus einander; die eine Zinke läßt sich auf ebenen Pfaden verfolgen bis auf den nahe liegenden Ferner, rechter Hand dagegen steht eine waldige Halde auf, über welche ein Wasserfall herunter stürzt. Diesem zur Seite klimmt man mühselig empor und nachdem man um ein paar Kirchthürme höher hinaufgekommen, öffnet sich ein unbedeutendes Zuthälchen, von einem lauten Bächlein durchströmt, mit abgefallenen Blöcken reichlich durchsäet. Zu beiden Seiten ziehen kahle Höhen hin – hinten thürmt sich der Tauern auf, aber über diesem lagen die Nebel. So lieb es uns war, dem Bereiche jener Augen entrückt zu seyn, so fanden wir’s doch hier oben sehr öde, sehr trübe und eben deßwegen fast unheimlich, zumal da sich jetzt in kurzer Zeit die Nebel weit herabgelassen hatten, den Eingang des Thales schlossen und uns selbst mitunter fast auf die Hüte drückten. Einen Schweinetreiber, der über dem Bache seine Heerde vom Tauern herabführte und den wir um sein Befinden fragen wollten, konnten wir nicht erschreien, weil das Wasser zu laut dazwischen sprach und durch das wilde Wirrsal von Felsblöcken so leicht nicht hinüber zu klettern war. Was wir auch thaten, wir konnten uns nicht bemerklich machen.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/592>, abgerufen am 23.11.2024.