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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Nöthen. Mehr Herzensstärkung hätten wir vielleicht davon gehabt, wenn uns eingefallen wäre, wie einst Herzog Rudolph von Oesterreich, jünger als wir alle, kaum von einer Krankheit genesen, mitten im Winter über den Krimlertauern gestiegen, immer in rüstiger Eile, damit nicht die Vettern aus Bayern ihm zuvorkämen. Mit Händen und Füßen kletternd soll er auf dem Joch des Berges angekommen seyn. Wohl mag es ihn auch mitten im Winter erfreut haben, den Blick in die Grafschaft hinunter zu werfen, die ein halbes Jahrtausend bei seinem Hause geblieben ist. An Sanct Polycarpen Tag, am 26 Jänner 1363, war er in Bozen, wo Margaretha "mit fürsichtigem Rathe" der Landesherren die Grafschaften Tirol und Görz den Herzogen von Oesterreich feierlich verschrieb.

Also in den Fußstapfen des ritterlichen Habsburgers stiegen wir von der Höhe hinab, so schnell als der rauhe Weg es erlaubte. Daß wir nun über den Tauern gekommen, ohne seiner recht ansichtig zu werden, daß wir noch immer in den Wolken dahin steigen mußten, kränkte uns weniger, als daß der Nebel alle Aussicht gegenüber benahm und daß wir die prächtige Fernerwelt um die ungeheure Dreiherrnspitze, die dort liegen mußte, nur ahnen konnten, aber nicht erschauen. Zuweilen ging allerdings ein Riß durch die nächsten Nebelschichten und man sah dann auf entferntere, durch welche ein weißes Gleißen, ein silbernes Leuchten der Gletscher schimmerte - aber das war auch alles. Selbst an dem Herzogsbrunnen, der zwischen der Taucrnhöhe und der ersten Alpenhütte liegt, kamen wir vorbei, ohne ihn zu gewahren, also auch ohne sein köstliches Wasser zu versuchen. Er hat den Namen noch von jenem Winter her, wo Herzog Rudolph seinen Durst allhier gelöscht.

Lange Zeit sprangen wir nun durch eitel Wildniß, über wüste Berghänge, über graue, nasse Felsblöcke, zuweilen auch an einem Wegweiser vorbei, welche indeß auf dieser Seite weniger nothwendig, da der Pfad zumeist eingefriedigt und gebahnt ist. Endlich sahen wir ein paar Sennhütten im Gewölke dämmern, hofften uns bald rings um den Käsekessel

Nöthen. Mehr Herzensstärkung hätten wir vielleicht davon gehabt, wenn uns eingefallen wäre, wie einst Herzog Rudolph von Oesterreich, jünger als wir alle, kaum von einer Krankheit genesen, mitten im Winter über den Krimlertauern gestiegen, immer in rüstiger Eile, damit nicht die Vettern aus Bayern ihm zuvorkämen. Mit Händen und Füßen kletternd soll er auf dem Joch des Berges angekommen seyn. Wohl mag es ihn auch mitten im Winter erfreut haben, den Blick in die Grafschaft hinunter zu werfen, die ein halbes Jahrtausend bei seinem Hause geblieben ist. An Sanct Polycarpen Tag, am 26 Jänner 1363, war er in Bozen, wo Margaretha „mit fürsichtigem Rathe“ der Landesherren die Grafschaften Tirol und Görz den Herzogen von Oesterreich feierlich verschrieb.

Also in den Fußstapfen des ritterlichen Habsburgers stiegen wir von der Höhe hinab, so schnell als der rauhe Weg es erlaubte. Daß wir nun über den Tauern gekommen, ohne seiner recht ansichtig zu werden, daß wir noch immer in den Wolken dahin steigen mußten, kränkte uns weniger, als daß der Nebel alle Aussicht gegenüber benahm und daß wir die prächtige Fernerwelt um die ungeheure Dreiherrnspitze, die dort liegen mußte, nur ahnen konnten, aber nicht erschauen. Zuweilen ging allerdings ein Riß durch die nächsten Nebelschichten und man sah dann auf entferntere, durch welche ein weißes Gleißen, ein silbernes Leuchten der Gletscher schimmerte – aber das war auch alles. Selbst an dem Herzogsbrunnen, der zwischen der Taucrnhöhe und der ersten Alpenhütte liegt, kamen wir vorbei, ohne ihn zu gewahren, also auch ohne sein köstliches Wasser zu versuchen. Er hat den Namen noch von jenem Winter her, wo Herzog Rudolph seinen Durst allhier gelöscht.

Lange Zeit sprangen wir nun durch eitel Wildniß, über wüste Berghänge, über graue, nasse Felsblöcke, zuweilen auch an einem Wegweiser vorbei, welche indeß auf dieser Seite weniger nothwendig, da der Pfad zumeist eingefriedigt und gebahnt ist. Endlich sahen wir ein paar Sennhütten im Gewölke dämmern, hofften uns bald rings um den Käsekessel

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Nöthen. Mehr Herzensstärkung hätten wir vielleicht davon gehabt, wenn uns eingefallen wäre, wie einst Herzog Rudolph von Oesterreich, jünger als wir alle, kaum von einer Krankheit genesen, mitten im Winter über den Krimlertauern gestiegen, immer in rüstiger Eile, damit nicht die Vettern aus Bayern ihm zuvorkämen. Mit Händen und Füßen kletternd soll er auf dem Joch des Berges angekommen seyn. Wohl mag es ihn auch mitten im Winter erfreut haben, den Blick in die Grafschaft hinunter zu werfen, die ein halbes Jahrtausend bei seinem Hause geblieben ist. An Sanct Polycarpen Tag, am 26 Jänner 1363, war er in Bozen, wo Margaretha &#x201E;mit fürsichtigem Rathe&#x201C; der Landesherren die Grafschaften Tirol und Görz den Herzogen von Oesterreich feierlich verschrieb.</p>
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[594/0598] Nöthen. Mehr Herzensstärkung hätten wir vielleicht davon gehabt, wenn uns eingefallen wäre, wie einst Herzog Rudolph von Oesterreich, jünger als wir alle, kaum von einer Krankheit genesen, mitten im Winter über den Krimlertauern gestiegen, immer in rüstiger Eile, damit nicht die Vettern aus Bayern ihm zuvorkämen. Mit Händen und Füßen kletternd soll er auf dem Joch des Berges angekommen seyn. Wohl mag es ihn auch mitten im Winter erfreut haben, den Blick in die Grafschaft hinunter zu werfen, die ein halbes Jahrtausend bei seinem Hause geblieben ist. An Sanct Polycarpen Tag, am 26 Jänner 1363, war er in Bozen, wo Margaretha „mit fürsichtigem Rathe“ der Landesherren die Grafschaften Tirol und Görz den Herzogen von Oesterreich feierlich verschrieb. Also in den Fußstapfen des ritterlichen Habsburgers stiegen wir von der Höhe hinab, so schnell als der rauhe Weg es erlaubte. Daß wir nun über den Tauern gekommen, ohne seiner recht ansichtig zu werden, daß wir noch immer in den Wolken dahin steigen mußten, kränkte uns weniger, als daß der Nebel alle Aussicht gegenüber benahm und daß wir die prächtige Fernerwelt um die ungeheure Dreiherrnspitze, die dort liegen mußte, nur ahnen konnten, aber nicht erschauen. Zuweilen ging allerdings ein Riß durch die nächsten Nebelschichten und man sah dann auf entferntere, durch welche ein weißes Gleißen, ein silbernes Leuchten der Gletscher schimmerte – aber das war auch alles. Selbst an dem Herzogsbrunnen, der zwischen der Taucrnhöhe und der ersten Alpenhütte liegt, kamen wir vorbei, ohne ihn zu gewahren, also auch ohne sein köstliches Wasser zu versuchen. Er hat den Namen noch von jenem Winter her, wo Herzog Rudolph seinen Durst allhier gelöscht. Lange Zeit sprangen wir nun durch eitel Wildniß, über wüste Berghänge, über graue, nasse Felsblöcke, zuweilen auch an einem Wegweiser vorbei, welche indeß auf dieser Seite weniger nothwendig, da der Pfad zumeist eingefriedigt und gebahnt ist. Endlich sahen wir ein paar Sennhütten im Gewölke dämmern, hofften uns bald rings um den Käsekessel

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/598>, abgerufen am 23.11.2024.