Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.des Schiffes ist getäfelt und bemalt; da und dort sind noch andere Schnitzereien angebracht, allenthalben erblickt man die rothe Fahne der Montforte, und so ist das Ganze sehr geeignet den Wanderer zu überraschen, der wohl in solcher Schneehöhe, wo die Werke der Menschen so vergänglich sind, nicht darauf gefaßt war derlei anziehende Denkmale vergangener Tage aufzufinden. An der äußern Mauer der Vorkirche, etliche Schuhe über dem Thore ist die Jahrzahl 1776 zu lesen, ein Andenken, daß damals der Schnee bis zu jener Höhe gereicht. Nachmittag, als an einem Feiertage, versammelten sich die Väter der Gemeinde im Wirthshause, sämmtlich bejahrte Männer von hohem hagerem Wuchs mit blauen Augen und hellen Haaren. Das waren also keine Wälder mehr wie in der Au, sondern Walser, Stammverwandte der freundlichen Leute von Riezlern, Hirscheck und Mittelberg. Jener Name muß ehemals einen besonders guten Klang gehabt haben, denn sie wiederholen ihn jetzt noch gern, und der Leser wird sich erinnern, wie ja auch Seraphine, die rothbackige Sennerin auf Hohen Krumbach, mir gleich anfangs mit Selbstgefühl eröffnete, sie sey eine Walserin. Wer sonst von den Walsern sprach - und es geschah nicht gar zu oft - der hielt sie ihrem Namen nach für die Abkömmlinge fremdsprechender, hier also rhäto-romanischer Vorbewohner, und dachte dieser Name sprosse aus derselben Wurzel, aus der die Deutschen für alle nichtgermanischen Völker in der langen Linie vom englischen Herzogthum Wales bis in die daco-romanische Walachei die Benennung gebildet haben. Solcher Meinung waren z. B. Ildephons von Arx, der Geschichtschreiber des Kantons St. Gallen, und Weizenegger, der vorarlbergische Sammler, wogegen die bündnerischen Historiker allerdings schon seit langem die wallisische Abkunft annahmen. Es konnte diese Ansicht nur bestärken, daß es mit andern naheliegenden Namen wie Walenstad und Wallensee im Kanton St. Gallen, Churwallen in Graubünden, dem Wallgau an der Ill, Wallgau und Walchensee im bayerischen Gebirg die nämliche Bewandtniß hat. Wer sich indessen näher um du Geschichte der Walser erkundigt, des Schiffes ist getäfelt und bemalt; da und dort sind noch andere Schnitzereien angebracht, allenthalben erblickt man die rothe Fahne der Montforte, und so ist das Ganze sehr geeignet den Wanderer zu überraschen, der wohl in solcher Schneehöhe, wo die Werke der Menschen so vergänglich sind, nicht darauf gefaßt war derlei anziehende Denkmale vergangener Tage aufzufinden. An der äußern Mauer der Vorkirche, etliche Schuhe über dem Thore ist die Jahrzahl 1776 zu lesen, ein Andenken, daß damals der Schnee bis zu jener Höhe gereicht. Nachmittag, als an einem Feiertage, versammelten sich die Väter der Gemeinde im Wirthshause, sämmtlich bejahrte Männer von hohem hagerem Wuchs mit blauen Augen und hellen Haaren. Das waren also keine Wälder mehr wie in der Au, sondern Walser, Stammverwandte der freundlichen Leute von Riezlern, Hirscheck und Mittelberg. Jener Name muß ehemals einen besonders guten Klang gehabt haben, denn sie wiederholen ihn jetzt noch gern, und der Leser wird sich erinnern, wie ja auch Seraphine, die rothbackige Sennerin auf Hohen Krumbach, mir gleich anfangs mit Selbstgefühl eröffnete, sie sey eine Walserin. Wer sonst von den Walsern sprach – und es geschah nicht gar zu oft – der hielt sie ihrem Namen nach für die Abkömmlinge fremdsprechender, hier also rhäto-romanischer Vorbewohner, und dachte dieser Name sprosse aus derselben Wurzel, aus der die Deutschen für alle nichtgermanischen Völker in der langen Linie vom englischen Herzogthum Wales bis in die daco-romanische Walachei die Benennung gebildet haben. Solcher Meinung waren z. B. Ildephons von Arx, der Geschichtschreiber des Kantons St. Gallen, und Weizenegger, der vorarlbergische Sammler, wogegen die bündnerischen Historiker allerdings schon seit langem die wallisische Abkunft annahmen. Es konnte diese Ansicht nur bestärken, daß es mit andern naheliegenden Namen wie Walenstad und Wallensee im Kanton St. Gallen, Churwallen in Graubünden, dem Wallgau an der Ill, Wallgau und Walchensee im bayerischen Gebirg die nämliche Bewandtniß hat. Wer sich indessen näher um du Geschichte der Walser erkundigt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="87"/> des Schiffes ist getäfelt und bemalt; da und dort sind noch andere Schnitzereien angebracht, allenthalben erblickt man die rothe Fahne der Montforte, und so ist das Ganze sehr geeignet den Wanderer zu überraschen, der wohl in solcher Schneehöhe, wo die Werke der Menschen so vergänglich sind, nicht darauf gefaßt war derlei anziehende Denkmale vergangener Tage aufzufinden. An der äußern Mauer der Vorkirche, etliche Schuhe über dem Thore ist die Jahrzahl 1776 zu lesen, ein Andenken, daß damals der Schnee bis zu jener Höhe gereicht.</p> <p>Nachmittag, als an einem Feiertage, versammelten sich die Väter der Gemeinde im Wirthshause, sämmtlich bejahrte Männer von hohem hagerem Wuchs mit blauen Augen und hellen Haaren. Das waren also keine Wälder mehr wie in der Au, sondern Walser, Stammverwandte der freundlichen Leute von Riezlern, Hirscheck und Mittelberg. Jener Name muß ehemals einen besonders guten Klang gehabt haben, denn sie wiederholen ihn jetzt noch gern, und der Leser wird sich erinnern, wie ja auch Seraphine, die rothbackige Sennerin auf Hohen Krumbach, mir gleich anfangs mit Selbstgefühl eröffnete, sie sey eine Walserin.</p> <p>Wer sonst von den Walsern sprach – und es geschah nicht gar zu oft – der hielt sie ihrem Namen nach für die Abkömmlinge fremdsprechender, hier also rhäto-romanischer Vorbewohner, und dachte dieser Name sprosse aus derselben Wurzel, aus der die Deutschen für alle nichtgermanischen Völker in der langen Linie vom englischen Herzogthum Wales bis in die daco-romanische Walachei die Benennung gebildet haben. Solcher Meinung waren z. B. Ildephons von Arx, der Geschichtschreiber des Kantons St. Gallen, und Weizenegger, der vorarlbergische Sammler, wogegen die bündnerischen Historiker allerdings schon seit langem die wallisische Abkunft annahmen. Es konnte diese Ansicht nur bestärken, daß es mit andern naheliegenden Namen wie Walenstad und Wallensee im Kanton St. Gallen, Churwallen in Graubünden, dem Wallgau an der Ill, Wallgau und Walchensee im bayerischen Gebirg die nämliche Bewandtniß hat. Wer sich indessen näher um du Geschichte der Walser erkundigt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0092]
des Schiffes ist getäfelt und bemalt; da und dort sind noch andere Schnitzereien angebracht, allenthalben erblickt man die rothe Fahne der Montforte, und so ist das Ganze sehr geeignet den Wanderer zu überraschen, der wohl in solcher Schneehöhe, wo die Werke der Menschen so vergänglich sind, nicht darauf gefaßt war derlei anziehende Denkmale vergangener Tage aufzufinden. An der äußern Mauer der Vorkirche, etliche Schuhe über dem Thore ist die Jahrzahl 1776 zu lesen, ein Andenken, daß damals der Schnee bis zu jener Höhe gereicht.
Nachmittag, als an einem Feiertage, versammelten sich die Väter der Gemeinde im Wirthshause, sämmtlich bejahrte Männer von hohem hagerem Wuchs mit blauen Augen und hellen Haaren. Das waren also keine Wälder mehr wie in der Au, sondern Walser, Stammverwandte der freundlichen Leute von Riezlern, Hirscheck und Mittelberg. Jener Name muß ehemals einen besonders guten Klang gehabt haben, denn sie wiederholen ihn jetzt noch gern, und der Leser wird sich erinnern, wie ja auch Seraphine, die rothbackige Sennerin auf Hohen Krumbach, mir gleich anfangs mit Selbstgefühl eröffnete, sie sey eine Walserin.
Wer sonst von den Walsern sprach – und es geschah nicht gar zu oft – der hielt sie ihrem Namen nach für die Abkömmlinge fremdsprechender, hier also rhäto-romanischer Vorbewohner, und dachte dieser Name sprosse aus derselben Wurzel, aus der die Deutschen für alle nichtgermanischen Völker in der langen Linie vom englischen Herzogthum Wales bis in die daco-romanische Walachei die Benennung gebildet haben. Solcher Meinung waren z. B. Ildephons von Arx, der Geschichtschreiber des Kantons St. Gallen, und Weizenegger, der vorarlbergische Sammler, wogegen die bündnerischen Historiker allerdings schon seit langem die wallisische Abkunft annahmen. Es konnte diese Ansicht nur bestärken, daß es mit andern naheliegenden Namen wie Walenstad und Wallensee im Kanton St. Gallen, Churwallen in Graubünden, dem Wallgau an der Ill, Wallgau und Walchensee im bayerischen Gebirg die nämliche Bewandtniß hat. Wer sich indessen näher um du Geschichte der Walser erkundigt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |