deten: welchen Unterscheid der Sprachen auch so bald der Unterscheid der Sitten und Religionen begleitete.
§. 3.
Dienenigen, welche einander nicht ver- stunden, bekamen einen Eckel gegen einander: wel- cher endlich zu einer Unbekandtschafft und in fol- gender Zeit zu einem Haß gediehe: biß aus dieser Uneinigkeit der Zungen, auch Zwietracht der Ge- müther und zuletzt, nebst Behauptung des Mei, und Begehrung des Tui, Streit und Krieg ent- stunde; massen aus keinem Historico erweißlich, daß vor geschehener Verwirrung der Sprachen die Menschen Kriege unter einander geführet, da sie consequenter auch keines Frieden-Schlusses benöthiget gewesen.
§. 4.
So war demnach dazumahl diese Viel- heit der Sprachen keine Gabe und Gnade, son- dern vielmehr eine Straffe GOttes, durch welche der Menschen Hochmuth und Vanität gezüchti- get wurde; welches Ubel biß auf unsere Zeit dau- ret, daß man solches in der menschlichen Societät mehr als zu viel, sonderlich aber bey den Con- gressen, der von hohen Potentaten abgeordneten Ministern, und an denen Höfen und Ceremoniel empfindet.
§. 5.
Es sind zwar Vorschläge auf das Tapet, und einige auf die Gedancken kommen, daß diesem Ubel dadurch könne abgeholffen werden: wenn
wenig-
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Hoff-Ceremoniel.
deten: welchen Unterſcheid der Sprachen auch ſo bald der Unterſcheid der Sitten und Religionen begleitete.
§. 3.
Dienenigen, welche einander nicht ver- ſtunden, bekamen einen Eckel gegen einander: wel- cher endlich zu einer Unbekandtſchafft und in fol- gender Zeit zu einem Haß gediehe: biß aus dieſer Uneinigkeit der Zungen, auch Zwietracht der Ge- muͤther und zuletzt, nebſt Behauptung des Mei, und Begehrung des Tui, Streit und Krieg ent- ſtunde; maſſen aus keinem Hiſtorico erweißlich, daß vor geſchehener Verwirrung der Sprachen die Menſchen Kriege unter einander gefuͤhret, da ſie conſequenter auch keines Frieden-Schluſſes benoͤthiget geweſen.
§. 4.
So war demnach dazumahl dieſe Viel- heit der Sprachen keine Gabe und Gnade, ſon- dern vielmehr eine Straffe GOttes, durch welche der Menſchen Hochmuth und Vanitaͤt gezuͤchti- get wurde; welches Ubel biß auf unſere Zeit dau- ret, daß man ſolches in der menſchlichen Societaͤt mehr als zu viel, ſonderlich aber bey den Con- greſſen, der von hohen Potentaten abgeordneten Miniſtern, und an denen Hoͤfen und Ceremoniel empfindet.
§. 5.
Es ſind zwar Vorſchlaͤge auf das Tapet, und einige auf die Gedancken kommen, daß dieſem Ubel dadurch koͤnne abgeholffen werden: wenn
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Hoff-Ceremoniel.
deten: welchen Unterſcheid der Sprachen auch ſo
bald der Unterſcheid der Sitten und Religionen
begleitete.
§. 3. Dienenigen, welche einander nicht ver-
ſtunden, bekamen einen Eckel gegen einander: wel-
cher endlich zu einer Unbekandtſchafft und in fol-
gender Zeit zu einem Haß gediehe: biß aus dieſer
Uneinigkeit der Zungen, auch Zwietracht der Ge-
muͤther und zuletzt, nebſt Behauptung des Mei,
und Begehrung des Tui, Streit und Krieg ent-
ſtunde; maſſen aus keinem Hiſtorico erweißlich,
daß vor geſchehener Verwirrung der Sprachen
die Menſchen Kriege unter einander gefuͤhret, da ſie
conſequenter auch keines Frieden-Schluſſes
benoͤthiget geweſen.
§. 4. So war demnach dazumahl dieſe Viel-
heit der Sprachen keine Gabe und Gnade, ſon-
dern vielmehr eine Straffe GOttes, durch welche
der Menſchen Hochmuth und Vanitaͤt gezuͤchti-
get wurde; welches Ubel biß auf unſere Zeit dau-
ret, daß man ſolches in der menſchlichen Societaͤt
mehr als zu viel, ſonderlich aber bey den Con-
greſſen, der von hohen Potentaten abgeordneten
Miniſtern, und an denen Hoͤfen und Ceremoniel
empfindet.
§. 5. Es ſind zwar Vorſchlaͤge auf das Tapet,
und einige auf die Gedancken kommen, daß dieſem
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/369>, abgerufen am 24.11.2024.
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