Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zaghaft. Er redete beinahe Nichts mit ihr. Sie selber that ihm keinen einzigen, auch nicht den kleinsten Schritt entgegen. Als sich nach einiger Zeit wieder einmal eine Gelegenheit ergab, mit ihr allein zu sprechen, deren manche früher schon ungenützt vorüber gegangen waren, nahm er sich den Muth, er redete sie an und sagte, daß ihm erscheine, daß sie ihm abgeneigt sei -- und wenn dies so wäre, so habe er die einzige Bitte, sie möchte ihn doch kennen lernen, vielleicht sei er doch ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth, vielleicht habe er Eigenschaften oder könne sich dieselben erwerben, die ihm ihre Hochachtung gewännen, wenn auch Nichts, das er noch heiliger wünschte. Nicht abgeneigt, Murai, antwortete sie, o nein, nicht abgeneigt; aber ich habe auch eine Bitte an Sie: thun Sie es nicht, thun Sie es nicht, werben Sie nicht um mich, Sie würden es bereuen. Warum denn, Brigitta, warum denn? Weil ich, antwortete sie leise, keine andere Liebe fordern kann, als die allerhöchste. Ich weiß, daß ich häßlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe fordern, als das schönste Mädchen dieser Erde. Ich weiß es nicht, wie hoch, aber mir ist, als sollte sie ohne Maß und Ende sein. Seh'n Sie -- da nun dies unmöglich ist, so werben Sie nicht um mich. Sie sind der Einzige, der darnach fragte, ob ich auch ein Herz habe, gegen Sie kann ich nicht falsch sein. zaghaft. Er redete beinahe Nichts mit ihr. Sie selber that ihm keinen einzigen, auch nicht den kleinsten Schritt entgegen. Als sich nach einiger Zeit wieder einmal eine Gelegenheit ergab, mit ihr allein zu sprechen, deren manche früher schon ungenützt vorüber gegangen waren, nahm er sich den Muth, er redete sie an und sagte, daß ihm erscheine, daß sie ihm abgeneigt sei — und wenn dies so wäre, so habe er die einzige Bitte, sie möchte ihn doch kennen lernen, vielleicht sei er doch ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth, vielleicht habe er Eigenschaften oder könne sich dieselben erwerben, die ihm ihre Hochachtung gewännen, wenn auch Nichts, das er noch heiliger wünschte. Nicht abgeneigt, Murai, antwortete sie, o nein, nicht abgeneigt; aber ich habe auch eine Bitte an Sie: thun Sie es nicht, thun Sie es nicht, werben Sie nicht um mich, Sie würden es bereuen. Warum denn, Brigitta, warum denn? Weil ich, antwortete sie leise, keine andere Liebe fordern kann, als die allerhöchste. Ich weiß, daß ich häßlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe fordern, als das schönste Mädchen dieser Erde. Ich weiß es nicht, wie hoch, aber mir ist, als sollte sie ohne Maß und Ende sein. Seh'n Sie — da nun dies unmöglich ist, so werben Sie nicht um mich. Sie sind der Einzige, der darnach fragte, ob ich auch ein Herz habe, gegen Sie kann ich nicht falsch sein. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0065"/> zaghaft. Er redete beinahe Nichts mit ihr. Sie selber that ihm keinen einzigen, auch nicht den kleinsten Schritt entgegen.</p><lb/> <p>Als sich nach einiger Zeit wieder einmal eine Gelegenheit ergab, mit ihr allein zu sprechen, deren manche früher schon ungenützt vorüber gegangen waren, nahm er sich den Muth, er redete sie an und sagte, daß ihm erscheine, daß sie ihm abgeneigt sei — und wenn dies so wäre, so habe er die einzige Bitte, sie möchte ihn doch kennen lernen, vielleicht sei er doch ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth, vielleicht habe er Eigenschaften oder könne sich dieselben erwerben, die ihm ihre Hochachtung gewännen, wenn auch Nichts, das er noch heiliger wünschte.</p><lb/> <p>Nicht abgeneigt, Murai, antwortete sie, o nein, nicht abgeneigt; aber ich habe auch eine Bitte an Sie: thun Sie es nicht, thun Sie es nicht, werben Sie nicht um mich, Sie würden es bereuen.</p><lb/> <p>Warum denn, Brigitta, warum denn?</p><lb/> <p>Weil ich, antwortete sie leise, keine andere Liebe fordern kann, als die allerhöchste. Ich weiß, daß ich häßlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe fordern, als das schönste Mädchen dieser Erde. Ich weiß es nicht, wie hoch, aber mir ist, als sollte sie ohne Maß und Ende sein. Seh'n Sie — da nun dies unmöglich ist, so werben Sie nicht um mich. Sie sind der Einzige, der darnach fragte, ob ich auch ein Herz habe, gegen Sie kann ich nicht falsch sein.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
zaghaft. Er redete beinahe Nichts mit ihr. Sie selber that ihm keinen einzigen, auch nicht den kleinsten Schritt entgegen.
Als sich nach einiger Zeit wieder einmal eine Gelegenheit ergab, mit ihr allein zu sprechen, deren manche früher schon ungenützt vorüber gegangen waren, nahm er sich den Muth, er redete sie an und sagte, daß ihm erscheine, daß sie ihm abgeneigt sei — und wenn dies so wäre, so habe er die einzige Bitte, sie möchte ihn doch kennen lernen, vielleicht sei er doch ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth, vielleicht habe er Eigenschaften oder könne sich dieselben erwerben, die ihm ihre Hochachtung gewännen, wenn auch Nichts, das er noch heiliger wünschte.
Nicht abgeneigt, Murai, antwortete sie, o nein, nicht abgeneigt; aber ich habe auch eine Bitte an Sie: thun Sie es nicht, thun Sie es nicht, werben Sie nicht um mich, Sie würden es bereuen.
Warum denn, Brigitta, warum denn?
Weil ich, antwortete sie leise, keine andere Liebe fordern kann, als die allerhöchste. Ich weiß, daß ich häßlich bin, darum würde ich eine höhere Liebe fordern, als das schönste Mädchen dieser Erde. Ich weiß es nicht, wie hoch, aber mir ist, als sollte sie ohne Maß und Ende sein. Seh'n Sie — da nun dies unmöglich ist, so werben Sie nicht um mich. Sie sind der Einzige, der darnach fragte, ob ich auch ein Herz habe, gegen Sie kann ich nicht falsch sein.
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