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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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rung einer Thür ansah. Ich nahm mir vor, diese
Gegenstände nun genauer zu beobachten.

"Diese Zeichnungen sind lauter Abbildungen von
wirklichen Bauwerken, die in unserem Lande vorhan¬
den sind," sagte mein Begleiter. "Wir haben sie nach
und nach zusammen gebracht. Kein einziges Bauwerk
unseres Landes, welches entweder im Ganzen schön ist,
oder an dem Theile schön sind, fehlt. Es ist nehmlich auch
hier im Lande wie überall vorgekommen, daß man zu
den Theilen alter Kirchen oder anderer Werke, die
nicht fertig geworden sind, neue Zubaue in ganz an¬
derer Art gemacht hat, so daß Bauwerke entstanden,
die in verschiedenen Stilen ausgeführt, und theils
schön und theils häßlich sind. Die Landkirchen, die
aus verschiedenen Stellen in unserer Zeit entstanden
sind, haben wir nicht aufgenommen."

"Wer hat denn diese Zeichnungen verfertigt?"
fragte ich.

"Der Zeichner steht vor euch," antwortete mein
Begleiter, indem er auf den jungen Mann wies.

Ich sah den Mann an, und es zeigte sich ein leich¬
tes Erröthen in seinem Angesichte.

"Der Meister hat nach und nach die Theile des
Landes besucht," fuhr mein Gastfreund fort, "und hat

rung einer Thür anſah. Ich nahm mir vor, dieſe
Gegenſtände nun genauer zu beobachten.

„Dieſe Zeichnungen ſind lauter Abbildungen von
wirklichen Bauwerken, die in unſerem Lande vorhan¬
den ſind,“ ſagte mein Begleiter. „Wir haben ſie nach
und nach zuſammen gebracht. Kein einziges Bauwerk
unſeres Landes, welches entweder im Ganzen ſchön iſt,
oder an dem Theile ſchön ſind, fehlt. Es iſt nehmlich auch
hier im Lande wie überall vorgekommen, daß man zu
den Theilen alter Kirchen oder anderer Werke, die
nicht fertig geworden ſind, neue Zubaue in ganz an¬
derer Art gemacht hat, ſo daß Bauwerke entſtanden,
die in verſchiedenen Stilen ausgeführt, und theils
ſchön und theils häßlich ſind. Die Landkirchen, die
aus verſchiedenen Stellen in unſerer Zeit entſtanden
ſind, haben wir nicht aufgenommen.“

„Wer hat denn dieſe Zeichnungen verfertigt?“
fragte ich.

„Der Zeichner ſteht vor euch,“ antwortete mein
Begleiter, indem er auf den jungen Mann wies.

Ich ſah den Mann an, und es zeigte ſich ein leich¬
tes Erröthen in ſeinem Angeſichte.

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[154/0168] rung einer Thür anſah. Ich nahm mir vor, dieſe Gegenſtände nun genauer zu beobachten. „Dieſe Zeichnungen ſind lauter Abbildungen von wirklichen Bauwerken, die in unſerem Lande vorhan¬ den ſind,“ ſagte mein Begleiter. „Wir haben ſie nach und nach zuſammen gebracht. Kein einziges Bauwerk unſeres Landes, welches entweder im Ganzen ſchön iſt, oder an dem Theile ſchön ſind, fehlt. Es iſt nehmlich auch hier im Lande wie überall vorgekommen, daß man zu den Theilen alter Kirchen oder anderer Werke, die nicht fertig geworden ſind, neue Zubaue in ganz an¬ derer Art gemacht hat, ſo daß Bauwerke entſtanden, die in verſchiedenen Stilen ausgeführt, und theils ſchön und theils häßlich ſind. Die Landkirchen, die aus verſchiedenen Stellen in unſerer Zeit entſtanden ſind, haben wir nicht aufgenommen.“ „Wer hat denn dieſe Zeichnungen verfertigt?“ fragte ich. „Der Zeichner ſteht vor euch,“ antwortete mein Begleiter, indem er auf den jungen Mann wies. Ich ſah den Mann an, und es zeigte ſich ein leich¬ tes Erröthen in ſeinem Angeſichte. „Der Meiſter hat nach und nach die Theile des Landes beſucht,“ fuhr mein Gaſtfreund fort, „und hat

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/168>, abgerufen am 12.05.2024.