Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

die Gesellschaftsgaben in besonderem Maße verliehen
hat. Diese widmen sich aus innerem Antriebe den
Angelegenheiten der Menschen, erkennen sie auch am
sichersten, finden Freude in den Anordnungen, und
opfern oft ihr Leben für ihren Beruf. Aber in der
Zeit, in der sie ihr Leben opfern, sei sie lange oder
sei sie ein Augenblick, empfinden sie Freude, und diese
kömmt, weil sie ihrem innern Andrange nachgegeben
haben.

Gott hat uns auch nicht bei unseren Handlungen
den Nuzen als Zweck vorgezeichnet, weder den Nuzen
für uns noch für andere, sondern er hat der Ausübung
der Tugend einen eigenen Reiz und eine eigene Schön¬
heit gegeben, welchen Dingen die edlen Gemüther
nachstreben. Wer Gutes thut, weil das Gegentheil
dem menschlichen Geschlechte schädlich ist, der steht auf
der Leiter der sittlichen Wesen schon ziemlich tief. Die¬
ser müßte zur Sünde greifen, sobald sie dem mensch¬
lichen Geschlechte oder ihm Nuzen bringt. Solche
Menschen sind es auch, denen alle Mittel gelten, und
die für das Vaterland für ihre Familie und für sich
selber das Schlechte thun. Solche hat man zu Zeiten,
wo sie im Großen wirkten, Staatsmänner geheißen,
sie sind aber nur Afterstaatsmänner, und der augen¬

2 *

die Geſellſchaftsgaben in beſonderem Maße verliehen
hat. Dieſe widmen ſich aus innerem Antriebe den
Angelegenheiten der Menſchen, erkennen ſie auch am
ſicherſten, finden Freude in den Anordnungen, und
opfern oft ihr Leben für ihren Beruf. Aber in der
Zeit, in der ſie ihr Leben opfern, ſei ſie lange oder
ſei ſie ein Augenblick, empfinden ſie Freude, und dieſe
kömmt, weil ſie ihrem innern Andrange nachgegeben
haben.

Gott hat uns auch nicht bei unſeren Handlungen
den Nuzen als Zweck vorgezeichnet, weder den Nuzen
für uns noch für andere, ſondern er hat der Ausübung
der Tugend einen eigenen Reiz und eine eigene Schön¬
heit gegeben, welchen Dingen die edlen Gemüther
nachſtreben. Wer Gutes thut, weil das Gegentheil
dem menſchlichen Geſchlechte ſchädlich iſt, der ſteht auf
der Leiter der ſittlichen Weſen ſchon ziemlich tief. Die¬
ſer müßte zur Sünde greifen, ſobald ſie dem menſch¬
lichen Geſchlechte oder ihm Nuzen bringt. Solche
Menſchen ſind es auch, denen alle Mittel gelten, und
die für das Vaterland für ihre Familie und für ſich
ſelber das Schlechte thun. Solche hat man zu Zeiten,
wo ſie im Großen wirkten, Staatsmänner geheißen,
ſie ſind aber nur Afterſtaatsmänner, und der augen¬

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="19"/>
die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsgaben in be&#x017F;onderem Maße verliehen<lb/>
hat. Die&#x017F;e widmen &#x017F;ich aus innerem Antriebe den<lb/>
Angelegenheiten der Men&#x017F;chen, erkennen &#x017F;ie auch am<lb/>
&#x017F;icher&#x017F;ten, finden Freude in den Anordnungen, und<lb/>
opfern oft ihr Leben für ihren Beruf. Aber in der<lb/>
Zeit, in der &#x017F;ie ihr Leben opfern, &#x017F;ei &#x017F;ie lange oder<lb/>
&#x017F;ei &#x017F;ie ein Augenblick, empfinden &#x017F;ie Freude, und die&#x017F;e<lb/>
kömmt, weil &#x017F;ie ihrem innern Andrange nachgegeben<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p>Gott hat uns auch nicht bei un&#x017F;eren Handlungen<lb/>
den Nuzen als Zweck vorgezeichnet, weder den Nuzen<lb/>
für uns noch für andere, &#x017F;ondern er hat der Ausübung<lb/>
der Tugend einen eigenen Reiz und eine eigene Schön¬<lb/>
heit gegeben, welchen Dingen die edlen Gemüther<lb/>
nach&#x017F;treben. Wer Gutes thut, weil das Gegentheil<lb/>
dem men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechte &#x017F;chädlich i&#x017F;t, der &#x017F;teht auf<lb/>
der Leiter der &#x017F;ittlichen We&#x017F;en &#x017F;chon ziemlich tief. Die¬<lb/>
&#x017F;er müßte zur Sünde greifen, &#x017F;obald &#x017F;ie dem men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen Ge&#x017F;chlechte oder ihm Nuzen bringt. Solche<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ind es auch, denen alle Mittel gelten, und<lb/>
die für das Vaterland für ihre Familie und für &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber das Schlechte thun. Solche hat man zu Zeiten,<lb/>
wo &#x017F;ie im Großen wirkten, Staatsmänner geheißen,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind aber nur After&#x017F;taatsmänner, und der augen¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] die Geſellſchaftsgaben in beſonderem Maße verliehen hat. Dieſe widmen ſich aus innerem Antriebe den Angelegenheiten der Menſchen, erkennen ſie auch am ſicherſten, finden Freude in den Anordnungen, und opfern oft ihr Leben für ihren Beruf. Aber in der Zeit, in der ſie ihr Leben opfern, ſei ſie lange oder ſei ſie ein Augenblick, empfinden ſie Freude, und dieſe kömmt, weil ſie ihrem innern Andrange nachgegeben haben. Gott hat uns auch nicht bei unſeren Handlungen den Nuzen als Zweck vorgezeichnet, weder den Nuzen für uns noch für andere, ſondern er hat der Ausübung der Tugend einen eigenen Reiz und eine eigene Schön¬ heit gegeben, welchen Dingen die edlen Gemüther nachſtreben. Wer Gutes thut, weil das Gegentheil dem menſchlichen Geſchlechte ſchädlich iſt, der ſteht auf der Leiter der ſittlichen Weſen ſchon ziemlich tief. Die¬ ſer müßte zur Sünde greifen, ſobald ſie dem menſch¬ lichen Geſchlechte oder ihm Nuzen bringt. Solche Menſchen ſind es auch, denen alle Mittel gelten, und die für das Vaterland für ihre Familie und für ſich ſelber das Schlechte thun. Solche hat man zu Zeiten, wo ſie im Großen wirkten, Staatsmänner geheißen, ſie ſind aber nur Afterſtaatsmänner, und der augen¬ 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/33
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/33>, abgerufen am 23.11.2024.