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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Gustachs, wenn die Vormittagssonne durch die ge¬
schlossenen Vorhänge sanft herein blickte, und redeten
von allerlei Dingen.

An Nachmittagen, besonders wenn trübes Wet¬
ter war, und die Geschäfte im Freien nicht eine große
Ausdehnung hatten, versammelte man sich in dem
Arbeitszimmer meines Gastfreundes. Dieses Zimmer
war an Nachmittagen, wo es sehr zusammengeräumt,
und wo mehr Muße war, der Vereinigungspunkt der
kleinen Gesellschaft, wenn sie sich überhaupt verei¬
nigte. Mein alter Gastfreund hatte sich dieses Ge¬
mach sehr wohnlich, wenn auch für Einsamkeit geeig¬
net, herrichten lassen, wie er überhaupt, wenn er
nicht eigens Menschen um sich versammelte, die Ein¬
samkeit liebte. Er hatte neben seinem Sessel einen
Glockenzug, der durch den Fußboden in die Gesinde¬
zimmer hinab ging, um schnell einen Diener rufen zu
können. In dem Schlafzimmer war etwas Ähnliches.
Dort befanden sich außer dem gewöhnlichen Glocken¬
zuge an den Seitenbrettern des Bettes zwei Platten,
die durch das leiseste Auflegen einer Hand eine laut
und lange tönende Glocke in Bewegung setzten, da¬
mit man, wenn dem alten Manne etwas zustieße,
schnell zu Hilfe eilen könnte. Zwei Diener hatten im¬

Guſtachs, wenn die Vormittagsſonne durch die ge¬
ſchloſſenen Vorhänge ſanft herein blickte, und redeten
von allerlei Dingen.

An Nachmittagen, beſonders wenn trübes Wet¬
ter war, und die Geſchäfte im Freien nicht eine große
Ausdehnung hatten, verſammelte man ſich in dem
Arbeitszimmer meines Gaſtfreundes. Dieſes Zimmer
war an Nachmittagen, wo es ſehr zuſammengeräumt,
und wo mehr Muße war, der Vereinigungspunkt der
kleinen Geſellſchaft, wenn ſie ſich überhaupt verei¬
nigte. Mein alter Gaſtfreund hatte ſich dieſes Ge¬
mach ſehr wohnlich, wenn auch für Einſamkeit geeig¬
net, herrichten laſſen, wie er überhaupt, wenn er
nicht eigens Menſchen um ſich verſammelte, die Ein¬
ſamkeit liebte. Er hatte neben ſeinem Seſſel einen
Glockenzug, der durch den Fußboden in die Geſinde¬
zimmer hinab ging, um ſchnell einen Diener rufen zu
können. In dem Schlafzimmer war etwas Ähnliches.
Dort befanden ſich außer dem gewöhnlichen Glocken¬
zuge an den Seitenbrettern des Bettes zwei Platten,
die durch das leiſeſte Auflegen einer Hand eine laut
und lange tönende Glocke in Bewegung ſetzten, da¬
mit man, wenn dem alten Manne etwas zuſtieße,
ſchnell zu Hilfe eilen könnte. Zwei Diener hatten im¬

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[347/0361] Guſtachs, wenn die Vormittagsſonne durch die ge¬ ſchloſſenen Vorhänge ſanft herein blickte, und redeten von allerlei Dingen. An Nachmittagen, beſonders wenn trübes Wet¬ ter war, und die Geſchäfte im Freien nicht eine große Ausdehnung hatten, verſammelte man ſich in dem Arbeitszimmer meines Gaſtfreundes. Dieſes Zimmer war an Nachmittagen, wo es ſehr zuſammengeräumt, und wo mehr Muße war, der Vereinigungspunkt der kleinen Geſellſchaft, wenn ſie ſich überhaupt verei¬ nigte. Mein alter Gaſtfreund hatte ſich dieſes Ge¬ mach ſehr wohnlich, wenn auch für Einſamkeit geeig¬ net, herrichten laſſen, wie er überhaupt, wenn er nicht eigens Menſchen um ſich verſammelte, die Ein¬ ſamkeit liebte. Er hatte neben ſeinem Seſſel einen Glockenzug, der durch den Fußboden in die Geſinde¬ zimmer hinab ging, um ſchnell einen Diener rufen zu können. In dem Schlafzimmer war etwas Ähnliches. Dort befanden ſich außer dem gewöhnlichen Glocken¬ zuge an den Seitenbrettern des Bettes zwei Platten, die durch das leiſeſte Auflegen einer Hand eine laut und lange tönende Glocke in Bewegung ſetzten, da¬ mit man, wenn dem alten Manne etwas zuſtieße, ſchnell zu Hilfe eilen könnte. Zwei Diener hatten im¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/361>, abgerufen am 22.11.2024.