Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

gebirge, die mit dem Glanze des noch in ungeheurer
Menge auf ihnen liegenden Schnees spielten. Gu¬
stav schloß sich an mich viel an, wahrscheinlich weil
ich unter allen Bewohnern des Hauses ihm an Alter
am nächsten war. Er saß deßhalb gerne bei mir auf
dem Bänkchen. Wir gingen manches Mal auf die
Felderrast hinüber, und er zeigte mir einen Strauch,
auf dem bald Blüthen hervor kommen würden, oder
eine sonnige Stelle, auf der das erste Grün erschien,
oder Steine, um die schon verfrühte Thierchen spielten.

Eines Tages entdeckte ich in den Schreinen der
Natursammlung eine Zusammenstellung aller inlän¬
dischen Hölzer. Sie waren in lauter Würfeln aufge¬
stellt, von denen zwei Flächen quer gegen die Fasern,
die übrigen vier nach den Fasern geschnitten waren.
Von diesen vier Flächen war eine rauh die zweite glatt
die dritte polirt und die vierte hatte die Rinde. Im
Innern der Würfel, welche hohl waren und geöffnet
werden konnten, befanden sich die getrockneten Blü¬
then die Fruchttheile die Blätter und andere merk¬
würdige Zugehöre der Pflanze, zum Beispiel gar die
Moose, die auf gewissen Orten gewöhnlich wachsen.
Eustach sagte mir, der alte Herr -- so nannten alle
Bewohner des Hauses meinen Gastfreund, nur Gu¬

gebirge, die mit dem Glanze des noch in ungeheurer
Menge auf ihnen liegenden Schnees ſpielten. Gu¬
ſtav ſchloß ſich an mich viel an, wahrſcheinlich weil
ich unter allen Bewohnern des Hauſes ihm an Alter
am nächſten war. Er ſaß deßhalb gerne bei mir auf
dem Bänkchen. Wir gingen manches Mal auf die
Felderraſt hinüber, und er zeigte mir einen Strauch,
auf dem bald Blüthen hervor kommen würden, oder
eine ſonnige Stelle, auf der das erſte Grün erſchien,
oder Steine, um die ſchon verfrühte Thierchen ſpielten.

Eines Tages entdeckte ich in den Schreinen der
Naturſammlung eine Zuſammenſtellung aller inlän¬
diſchen Hölzer. Sie waren in lauter Würfeln aufge¬
ſtellt, von denen zwei Flächen quer gegen die Faſern,
die übrigen vier nach den Faſern geſchnitten waren.
Von dieſen vier Flächen war eine rauh die zweite glatt
die dritte polirt und die vierte hatte die Rinde. Im
Innern der Würfel, welche hohl waren und geöffnet
werden konnten, befanden ſich die getrockneten Blü¬
then die Fruchttheile die Blätter und andere merk¬
würdige Zugehöre der Pflanze, zum Beiſpiel gar die
Mooſe, die auf gewiſſen Orten gewöhnlich wachſen.
Euſtach ſagte mir, der alte Herr — ſo nannten alle
Bewohner des Hauſes meinen Gaſtfreund, nur Gu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="351"/>
gebirge, die mit dem Glanze des noch in ungeheurer<lb/>
Menge auf ihnen liegenden Schnees &#x017F;pielten. Gu¬<lb/>
&#x017F;tav &#x017F;chloß &#x017F;ich an mich viel an, wahr&#x017F;cheinlich weil<lb/>
ich unter allen Bewohnern des Hau&#x017F;es ihm an Alter<lb/>
am näch&#x017F;ten war. Er &#x017F;aß deßhalb gerne bei mir auf<lb/>
dem Bänkchen. Wir gingen manches Mal auf die<lb/>
Felderra&#x017F;t hinüber, und er zeigte mir einen Strauch,<lb/>
auf dem bald Blüthen hervor kommen würden, oder<lb/>
eine &#x017F;onnige Stelle, auf der das er&#x017F;te Grün er&#x017F;chien,<lb/>
oder Steine, um die &#x017F;chon verfrühte Thierchen &#x017F;pielten.</p><lb/>
        <p>Eines Tages entdeckte ich in den Schreinen der<lb/>
Natur&#x017F;ammlung eine Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung aller inlän¬<lb/>
di&#x017F;chen Hölzer. Sie waren in lauter Würfeln aufge¬<lb/>
&#x017F;tellt, von denen zwei Flächen quer gegen die Fa&#x017F;ern,<lb/>
die übrigen vier nach den Fa&#x017F;ern ge&#x017F;chnitten waren.<lb/>
Von die&#x017F;en vier Flächen war eine rauh die zweite glatt<lb/>
die dritte polirt und die vierte hatte die Rinde. Im<lb/>
Innern der Würfel, welche hohl waren und geöffnet<lb/>
werden konnten, befanden &#x017F;ich die getrockneten Blü¬<lb/>
then die Fruchttheile die Blätter und andere merk¬<lb/>
würdige Zugehöre der Pflanze, zum Bei&#x017F;piel gar die<lb/>
Moo&#x017F;e, die auf gewi&#x017F;&#x017F;en Orten gewöhnlich wach&#x017F;en.<lb/>
Eu&#x017F;tach &#x017F;agte mir, der alte Herr &#x2014; &#x017F;o nannten alle<lb/>
Bewohner des Hau&#x017F;es meinen Ga&#x017F;tfreund, nur Gu¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0365] gebirge, die mit dem Glanze des noch in ungeheurer Menge auf ihnen liegenden Schnees ſpielten. Gu¬ ſtav ſchloß ſich an mich viel an, wahrſcheinlich weil ich unter allen Bewohnern des Hauſes ihm an Alter am nächſten war. Er ſaß deßhalb gerne bei mir auf dem Bänkchen. Wir gingen manches Mal auf die Felderraſt hinüber, und er zeigte mir einen Strauch, auf dem bald Blüthen hervor kommen würden, oder eine ſonnige Stelle, auf der das erſte Grün erſchien, oder Steine, um die ſchon verfrühte Thierchen ſpielten. Eines Tages entdeckte ich in den Schreinen der Naturſammlung eine Zuſammenſtellung aller inlän¬ diſchen Hölzer. Sie waren in lauter Würfeln aufge¬ ſtellt, von denen zwei Flächen quer gegen die Faſern, die übrigen vier nach den Faſern geſchnitten waren. Von dieſen vier Flächen war eine rauh die zweite glatt die dritte polirt und die vierte hatte die Rinde. Im Innern der Würfel, welche hohl waren und geöffnet werden konnten, befanden ſich die getrockneten Blü¬ then die Fruchttheile die Blätter und andere merk¬ würdige Zugehöre der Pflanze, zum Beiſpiel gar die Mooſe, die auf gewiſſen Orten gewöhnlich wachſen. Euſtach ſagte mir, der alte Herr — ſo nannten alle Bewohner des Hauſes meinen Gaſtfreund, nur Gu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/365
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/365>, abgerufen am 21.11.2024.