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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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gesträuche schon die völlige Dunkelheit herrschte, gin¬
gen wir in das Haus und in unsere Zimmer.

Ich war sehr traurig. Ich legte meinen Strohhut
auf den Tisch, legte meinen Rock ab, und sah bei
einem der offenen Fenster hinaus. Es war heute nicht
wie damals, da ich zum ersten Male in diesem Hause
über dem Rosengitter aus dem offenen Fenster in die
Nacht hinausgeschaut hatte. Es standen nicht die
Wolken am Himmel, die ihn nach Richtungen durch¬
zogen, und ihm Gestaltung gaben, sondern es brannte
bereits über dem ganzen Gewölbe der einfache und
ruhige Sternenhimmel. Es ging kein Duft der Rosen
zu meiner Nachtherberge herauf, da sie noch in den
Knospen waren, sondern es zog die einsame Luft
kaum fühlbar durch die Fenster herein, ich war nicht
von dem Verlangen belebt wie damals, das Wesen
und die Art meines Gastfreundes zu erforschen, dies
lag entweder aufgelöst vor mir, oder war nicht zu lö¬
sen. Das Einzige war, daß wieder Getreide außer¬
halb des Sandplazes vor den Rosen ruhig und unbe¬
wegt stand; aber es war eine andere Gattung, und
es war nicht zu erwarten, daß es in der Nacht im
Winde sich bewegen, und am Morgen, wenn ich die

geſträuche ſchon die völlige Dunkelheit herrſchte, gin¬
gen wir in das Haus und in unſere Zimmer.

Ich war ſehr traurig. Ich legte meinen Strohhut
auf den Tiſch, legte meinen Rock ab, und ſah bei
einem der offenen Fenſter hinaus. Es war heute nicht
wie damals, da ich zum erſten Male in dieſem Hauſe
über dem Roſengitter aus dem offenen Fenſter in die
Nacht hinausgeſchaut hatte. Es ſtanden nicht die
Wolken am Himmel, die ihn nach Richtungen durch¬
zogen, und ihm Geſtaltung gaben, ſondern es brannte
bereits über dem ganzen Gewölbe der einfache und
ruhige Sternenhimmel. Es ging kein Duft der Roſen
zu meiner Nachtherberge herauf, da ſie noch in den
Knoſpen waren, ſondern es zog die einſame Luft
kaum fühlbar durch die Fenſter herein, ich war nicht
von dem Verlangen belebt wie damals, das Weſen
und die Art meines Gaſtfreundes zu erforſchen, dies
lag entweder aufgelöſt vor mir, oder war nicht zu lö¬
ſen. Das Einzige war, daß wieder Getreide außer¬
halb des Sandplazes vor den Roſen ruhig und unbe¬
wegt ſtand; aber es war eine andere Gattung, und
es war nicht zu erwarten, daß es in der Nacht im
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[395/0409] geſträuche ſchon die völlige Dunkelheit herrſchte, gin¬ gen wir in das Haus und in unſere Zimmer. Ich war ſehr traurig. Ich legte meinen Strohhut auf den Tiſch, legte meinen Rock ab, und ſah bei einem der offenen Fenſter hinaus. Es war heute nicht wie damals, da ich zum erſten Male in dieſem Hauſe über dem Roſengitter aus dem offenen Fenſter in die Nacht hinausgeſchaut hatte. Es ſtanden nicht die Wolken am Himmel, die ihn nach Richtungen durch¬ zogen, und ihm Geſtaltung gaben, ſondern es brannte bereits über dem ganzen Gewölbe der einfache und ruhige Sternenhimmel. Es ging kein Duft der Roſen zu meiner Nachtherberge herauf, da ſie noch in den Knoſpen waren, ſondern es zog die einſame Luft kaum fühlbar durch die Fenſter herein, ich war nicht von dem Verlangen belebt wie damals, das Weſen und die Art meines Gaſtfreundes zu erforſchen, dies lag entweder aufgelöſt vor mir, oder war nicht zu lö¬ ſen. Das Einzige war, daß wieder Getreide außer¬ halb des Sandplazes vor den Roſen ruhig und unbe¬ wegt ſtand; aber es war eine andere Gattung, und es war nicht zu erwarten, daß es in der Nacht im Winde ſich bewegen, und am Morgen, wenn ich die

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/409>, abgerufen am 22.11.2024.