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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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die einzelnen Häuser, die zerstreut in der Landschaft
lagen, und durch die Linien von Obstbäumen, die
hier überall durch das Land gingen, wie durch grüne
Ketten zusammenhingen. Dann kam man auf die ent¬
fernteren Ortschaften, deren Thürme hier zu erblicken
waren. In diesem Stoffe konnte ich schon mehr mit¬
reden, da mir die meisten Orte bekannt waren. Als
wir aber mit unsern Augen in die Gebirge gelangten,
war ich fast der Bewandertste. Ich gerieth nach und
nach in das Reden, da man mich um verschiedene
Punkte fragte, und sah, daß ich Antwort zu geben
wußte. Ich nannte die Berge, deren Spizen erkenn¬
bar hervortraten, ich nannte auch Theile von ihnen,
ich bezeichnete die Thäler, deren Windungen zu ver¬
folgen waren, zeigte die Schneefelder, bemerkte die
Einsattlungen, durch welche Berge oder ganze Gebirgs¬
züge zusammenhingen oder getrennt waren, und suchte
die Richtungen zu verdeutlichen, in denen bekannte
Gebirgsortschaften lagen oder bekannte Menschen¬
stämme wohnten. Natalie stand neben mir, hörte
sehr aufmerksam zu, und fragte sogar um Einiges.

Als die Sonne untergegangen war, und die sanfte
Glut von den Gipfeln der Hochgebirge sich verlor,
gingen wir in das Schloß zurück.

Stifter, Nachsommer. I. 31

die einzelnen Häuſer, die zerſtreut in der Landſchaft
lagen, und durch die Linien von Obſtbäumen, die
hier überall durch das Land gingen, wie durch grüne
Ketten zuſammenhingen. Dann kam man auf die ent¬
fernteren Ortſchaften, deren Thürme hier zu erblicken
waren. In dieſem Stoffe konnte ich ſchon mehr mit¬
reden, da mir die meiſten Orte bekannt waren. Als
wir aber mit unſern Augen in die Gebirge gelangten,
war ich faſt der Bewandertſte. Ich gerieth nach und
nach in das Reden, da man mich um verſchiedene
Punkte fragte, und ſah, daß ich Antwort zu geben
wußte. Ich nannte die Berge, deren Spizen erkenn¬
bar hervortraten, ich nannte auch Theile von ihnen,
ich bezeichnete die Thäler, deren Windungen zu ver¬
folgen waren, zeigte die Schneefelder, bemerkte die
Einſattlungen, durch welche Berge oder ganze Gebirgs¬
züge zuſammenhingen oder getrennt waren, und ſuchte
die Richtungen zu verdeutlichen, in denen bekannte
Gebirgsortſchaften lagen oder bekannte Menſchen¬
ſtämme wohnten. Natalie ſtand neben mir, hörte
ſehr aufmerkſam zu, und fragte ſogar um Einiges.

Als die Sonne untergegangen war, und die ſanfte
Glut von den Gipfeln der Hochgebirge ſich verlor,
gingen wir in das Schloß zurück.

Stifter, Nachſommer. I. 31
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[481/0495] die einzelnen Häuſer, die zerſtreut in der Landſchaft lagen, und durch die Linien von Obſtbäumen, die hier überall durch das Land gingen, wie durch grüne Ketten zuſammenhingen. Dann kam man auf die ent¬ fernteren Ortſchaften, deren Thürme hier zu erblicken waren. In dieſem Stoffe konnte ich ſchon mehr mit¬ reden, da mir die meiſten Orte bekannt waren. Als wir aber mit unſern Augen in die Gebirge gelangten, war ich faſt der Bewandertſte. Ich gerieth nach und nach in das Reden, da man mich um verſchiedene Punkte fragte, und ſah, daß ich Antwort zu geben wußte. Ich nannte die Berge, deren Spizen erkenn¬ bar hervortraten, ich nannte auch Theile von ihnen, ich bezeichnete die Thäler, deren Windungen zu ver¬ folgen waren, zeigte die Schneefelder, bemerkte die Einſattlungen, durch welche Berge oder ganze Gebirgs¬ züge zuſammenhingen oder getrennt waren, und ſuchte die Richtungen zu verdeutlichen, in denen bekannte Gebirgsortſchaften lagen oder bekannte Menſchen¬ ſtämme wohnten. Natalie ſtand neben mir, hörte ſehr aufmerkſam zu, und fragte ſogar um Einiges. Als die Sonne untergegangen war, und die ſanfte Glut von den Gipfeln der Hochgebirge ſich verlor, gingen wir in das Schloß zurück. Stifter, Nachſommer. I. 31

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/495>, abgerufen am 22.11.2024.