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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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tig und das Grün so feurig und die Wässer so blizend.
Mir fielen die Bilder meines Vaters ein, auf denen
Berge gemalt waren, und mir wurde es, als hätte ich
sie mitnehmen sollen, um vergleichen zu können. Ich
blieb in kleinen Ortschaften zuweilen länger, und be¬
trachtete die Menschen, ihr tägliches Gewerbe ihr
Fühlen ihr Reden Denken und Singen. Ich lernte
die Zither kennen, betrachtete sie, untersuchte sie, und
hörte auf ihr spielen, und zu ihr singen. Sie erschien
mir als ein Gegenstand, der nur allein in die Berge
gehört, und mit den Bergen Eins ist. Die Wolken,
ihre Bildung ihr Anhängen an die Bergwände ihr
Suchen der Bergspitzen so wie die Verhältnisse des
Nebels und seine Neigung zu den Bergen waren mir
wunderbare Erscheinungen.

Ich bestieg in diesem Sommer auch einige hohe
Stellen, ich ließ mich von den Führern nicht blos auf
das Eis der Gletscher geleiten, welches mich sehr an¬
regte, und zur Betrachtung aufforderte, sondern be¬
stieg auch mit ihrer Hilfe die höchsten Zinnen der
Berge.

Ich sah die Überreste einer alten untergegangenen
Welt in den Marmoren, die in dem Gebirge vorkom¬
men, und die man in manchen Thälern zu schleifen

tig und das Grün ſo feurig und die Wäſſer ſo blizend.
Mir fielen die Bilder meines Vaters ein, auf denen
Berge gemalt waren, und mir wurde es, als hätte ich
ſie mitnehmen ſollen, um vergleichen zu können. Ich
blieb in kleinen Ortſchaften zuweilen länger, und be¬
trachtete die Menſchen, ihr tägliches Gewerbe ihr
Fühlen ihr Reden Denken und Singen. Ich lernte
die Zither kennen, betrachtete ſie, unterſuchte ſie, und
hörte auf ihr ſpielen, und zu ihr ſingen. Sie erſchien
mir als ein Gegenſtand, der nur allein in die Berge
gehört, und mit den Bergen Eins iſt. Die Wolken,
ihre Bildung ihr Anhängen an die Bergwände ihr
Suchen der Bergſpitzen ſo wie die Verhältniſſe des
Nebels und ſeine Neigung zu den Bergen waren mir
wunderbare Erſcheinungen.

Ich beſtieg in dieſem Sommer auch einige hohe
Stellen, ich ließ mich von den Führern nicht blos auf
das Eis der Gletſcher geleiten, welches mich ſehr an¬
regte, und zur Betrachtung aufforderte, ſondern be¬
ſtieg auch mit ihrer Hilfe die höchſten Zinnen der
Berge.

Ich ſah die Überreſte einer alten untergegangenen
Welt in den Marmoren, die in dem Gebirge vorkom¬
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[50/0064] tig und das Grün ſo feurig und die Wäſſer ſo blizend. Mir fielen die Bilder meines Vaters ein, auf denen Berge gemalt waren, und mir wurde es, als hätte ich ſie mitnehmen ſollen, um vergleichen zu können. Ich blieb in kleinen Ortſchaften zuweilen länger, und be¬ trachtete die Menſchen, ihr tägliches Gewerbe ihr Fühlen ihr Reden Denken und Singen. Ich lernte die Zither kennen, betrachtete ſie, unterſuchte ſie, und hörte auf ihr ſpielen, und zu ihr ſingen. Sie erſchien mir als ein Gegenſtand, der nur allein in die Berge gehört, und mit den Bergen Eins iſt. Die Wolken, ihre Bildung ihr Anhängen an die Bergwände ihr Suchen der Bergſpitzen ſo wie die Verhältniſſe des Nebels und ſeine Neigung zu den Bergen waren mir wunderbare Erſcheinungen. Ich beſtieg in dieſem Sommer auch einige hohe Stellen, ich ließ mich von den Führern nicht blos auf das Eis der Gletſcher geleiten, welches mich ſehr an¬ regte, und zur Betrachtung aufforderte, ſondern be¬ ſtieg auch mit ihrer Hilfe die höchſten Zinnen der Berge. Ich ſah die Überreſte einer alten untergegangenen Welt in den Marmoren, die in dem Gebirge vorkom¬ men, und die man in manchen Thälern zu ſchleifen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/64>, abgerufen am 21.11.2024.