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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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liches hatte. Ich gerieth auf die Falterne, und suchte
mehrere nachzubilden. Die Farben von minder hervor¬
ragenden Gegenständen, die zwar unscheinbar aber doch
bedeutsam sind, wie die der Gesteine im unkristalli¬
schen Zustande, kamen später an die Reihe, und ich
lernte ihre Reize nach und nach würdigen.

Da ich nun einmal zeichnete, und die Dinge de߬
halb doch viel genauer betrachte mußten, und da das
Zeichnen und meine jezigen Bestrebungen mich doch
nicht ganz ausfüllten, kam ich auch noch auf eine an¬
dere viel weiter gehende Richtung.

Ich habe schon gesagt, daß ich gerne auf hohe
Berge stieg, und von ihnen aus die Gegenden betrach¬
tete. Da stellten sich nun dem geübteren Auge die
bildsamen Gestalten der Erde in viel eindringlicheren
Merkmalen dar, und faßten sich übersichtlicher in
großen Theilen zusammen. Da öffnete sich dem Ge¬
müthe und der Seele der Reiz des Entstehens dieser
Gebilde, ihrer Falten und ihrer Erhebungen, ihres
Dahinstreichens und Abweichens von einer Richtung,
ihres Zusammenstrebens gegen einen Hauptpunkt und
ihrer Zerstreuungen in die Fläche. Es kam ein altes
Bild, das ich einmal in einem Buche gelesen und wie¬
der vergessen hatte, in meine Erinnerung. Wenn das

liches hatte. Ich gerieth auf die Falterne, und ſuchte
mehrere nachzubilden. Die Farben von minder hervor¬
ragenden Gegenſtänden, die zwar unſcheinbar aber doch
bedeutſam ſind, wie die der Geſteine im unkriſtalli¬
ſchen Zuſtande, kamen ſpäter an die Reihe, und ich
lernte ihre Reize nach und nach würdigen.

Da ich nun einmal zeichnete, und die Dinge de߬
halb doch viel genauer betrachte mußten, und da das
Zeichnen und meine jezigen Beſtrebungen mich doch
nicht ganz ausfüllten, kam ich auch noch auf eine an¬
dere viel weiter gehende Richtung.

Ich habe ſchon geſagt, daß ich gerne auf hohe
Berge ſtieg, und von ihnen aus die Gegenden betrach¬
tete. Da ſtellten ſich nun dem geübteren Auge die
bildſamen Geſtalten der Erde in viel eindringlicheren
Merkmalen dar, und faßten ſich überſichtlicher in
großen Theilen zuſammen. Da öffnete ſich dem Ge¬
müthe und der Seele der Reiz des Entſtehens dieſer
Gebilde, ihrer Falten und ihrer Erhebungen, ihres
Dahinſtreichens und Abweichens von einer Richtung,
ihres Zuſammenſtrebens gegen einen Hauptpunkt und
ihrer Zerſtreuungen in die Fläche. Es kam ein altes
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[55/0069] liches hatte. Ich gerieth auf die Falterne, und ſuchte mehrere nachzubilden. Die Farben von minder hervor¬ ragenden Gegenſtänden, die zwar unſcheinbar aber doch bedeutſam ſind, wie die der Geſteine im unkriſtalli¬ ſchen Zuſtande, kamen ſpäter an die Reihe, und ich lernte ihre Reize nach und nach würdigen. Da ich nun einmal zeichnete, und die Dinge de߬ halb doch viel genauer betrachte mußten, und da das Zeichnen und meine jezigen Beſtrebungen mich doch nicht ganz ausfüllten, kam ich auch noch auf eine an¬ dere viel weiter gehende Richtung. Ich habe ſchon geſagt, daß ich gerne auf hohe Berge ſtieg, und von ihnen aus die Gegenden betrach¬ tete. Da ſtellten ſich nun dem geübteren Auge die bildſamen Geſtalten der Erde in viel eindringlicheren Merkmalen dar, und faßten ſich überſichtlicher in großen Theilen zuſammen. Da öffnete ſich dem Ge¬ müthe und der Seele der Reiz des Entſtehens dieſer Gebilde, ihrer Falten und ihrer Erhebungen, ihres Dahinſtreichens und Abweichens von einer Richtung, ihres Zuſammenſtrebens gegen einen Hauptpunkt und ihrer Zerſtreuungen in die Fläche. Es kam ein altes Bild, das ich einmal in einem Buche geleſen und wie¬ der vergeſſen hatte, in meine Erinnerung. Wenn das

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/69>, abgerufen am 11.05.2024.