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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Gebirge sich abniedert, gegen die bebauteren und be¬
wohnteren Theile hinaus.

Als ich von dem Hange dieser Berge herab ging,
und eine freiere Umsicht gewann, erblickte ich gegen
Untergang hin die sanften Wolken eines Gewitters,
das sich sachte zu bilden begann, und den Himmel
umschleierte. Ich schritt rüstig fort, und beobachtete
das Zunehmen und Wachsen der Bewölkung. Als
ich ziemlich weit hinaus gekommen war, und mich in
einem Theile des Landes befand, wo sanfte Hügel
mit mäßigen Flächen wechseln, Meierhöfe zerstreut
sind, der Obstbau gleichsam in Wäldern sich durch das
Land zieht, zwischen dem dunkeln Laube die Kirch¬
thürme schimmern, in den Thalfurchen die Bäche rau¬
schen, und überall wegen der größeren Weitung, die
das Land gibt, das blaue gezackte Band der Hoch¬
gebirge zu erblicken ist, mußte ich auf eine Einkehr
denken; denn das Dorf, in welchem ich Rast halten
wollte, war kaum mehr zu erreichen. Das Gewitter
war so weit gediehen, daß es in einer Stunde und
bei begünstigenden Umständen wohl noch früher aus¬
brechen konnte.

Vor mir hatte ich das Dorf Rohrberg, dessen
Kirchthurm von der Sonne scharf beschienen über

Gebirge ſich abniedert, gegen die bebauteren und be¬
wohnteren Theile hinaus.

Als ich von dem Hange dieſer Berge herab ging,
und eine freiere Umſicht gewann, erblickte ich gegen
Untergang hin die ſanften Wolken eines Gewitters,
das ſich ſachte zu bilden begann, und den Himmel
umſchleierte. Ich ſchritt rüſtig fort, und beobachtete
das Zunehmen und Wachſen der Bewölkung. Als
ich ziemlich weit hinaus gekommen war, und mich in
einem Theile des Landes befand, wo ſanfte Hügel
mit mäßigen Flächen wechſeln, Meierhöfe zerſtreut
ſind, der Obſtbau gleichſam in Wäldern ſich durch das
Land zieht, zwiſchen dem dunkeln Laube die Kirch¬
thürme ſchimmern, in den Thalfurchen die Bäche rau¬
ſchen, und überall wegen der größeren Weitung, die
das Land gibt, das blaue gezackte Band der Hoch¬
gebirge zu erblicken iſt, mußte ich auf eine Einkehr
denken; denn das Dorf, in welchem ich Raſt halten
wollte, war kaum mehr zu erreichen. Das Gewitter
war ſo weit gediehen, daß es in einer Stunde und
bei begünſtigenden Umſtänden wohl noch früher aus¬
brechen konnte.

Vor mir hatte ich das Dorf Rohrberg, deſſen
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[60/0074] Gebirge ſich abniedert, gegen die bebauteren und be¬ wohnteren Theile hinaus. Als ich von dem Hange dieſer Berge herab ging, und eine freiere Umſicht gewann, erblickte ich gegen Untergang hin die ſanften Wolken eines Gewitters, das ſich ſachte zu bilden begann, und den Himmel umſchleierte. Ich ſchritt rüſtig fort, und beobachtete das Zunehmen und Wachſen der Bewölkung. Als ich ziemlich weit hinaus gekommen war, und mich in einem Theile des Landes befand, wo ſanfte Hügel mit mäßigen Flächen wechſeln, Meierhöfe zerſtreut ſind, der Obſtbau gleichſam in Wäldern ſich durch das Land zieht, zwiſchen dem dunkeln Laube die Kirch¬ thürme ſchimmern, in den Thalfurchen die Bäche rau¬ ſchen, und überall wegen der größeren Weitung, die das Land gibt, das blaue gezackte Band der Hoch¬ gebirge zu erblicken iſt, mußte ich auf eine Einkehr denken; denn das Dorf, in welchem ich Raſt halten wollte, war kaum mehr zu erreichen. Das Gewitter war ſo weit gediehen, daß es in einer Stunde und bei begünſtigenden Umſtänden wohl noch früher aus¬ brechen konnte. Vor mir hatte ich das Dorf Rohrberg, deſſen Kirchthurm von der Sonne ſcharf beſchienen über

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/74>, abgerufen am 21.11.2024.