Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

weiten Freien hausen, und vielleicht dessen majestätische
Annäherung bewundern, zeigen sein Bevorstehen an.
So habe ich Schwalben vor den dicken Wolken eines
heraufsteigenden Gewitters mit ihrem weißen Bauch¬
gefieder kreuzen gesehen, und selbst schreien gehört,
und so habe ich Lerchen singend gegen die dunkeln Ge¬
witterwolken aufsteigen gesehen. Das Singen der
Waldvögel erschien mir nun als ein schlimmes Zeichen
für meine Voraussagung eines Gewitters. Auch fiel
mir auf, daß sich noch immer keine Merkmale des
Ausbruches zeigten, welchen ich nicht für so ferne ge¬
halten hatte, als ich die Landstraße verließ. Die Sonne
schien noch immer auf das Haus, und ihre glänzenden
Lichttafeln lagen noch immer auf dem schönen Fu߬
boden des Zimmers.

Mein Beherberger schien es darauf angelegt zu
haben, mich lange allein zu lassen, wahrscheinlich, um
mir Raum zur Ruhe und Bequemlichkeit zu geben;
denn er kam nicht so bald zurück, als ich nach seiner
Äußerung erwartet hatte.

Als ich eine geraume Weile gesessen war, und das
Sizen anfing, mir nicht mehr jene Annehmlichkeit zu
gewähren wie Anfangs, stand ich auf, und ging auf
den Fußspitzen, um den Boden zu schonen, zu dem

weiten Freien hauſen, und vielleicht deſſen majeſtätiſche
Annäherung bewundern, zeigen ſein Bevorſtehen an.
So habe ich Schwalben vor den dicken Wolken eines
heraufſteigenden Gewitters mit ihrem weißen Bauch¬
gefieder kreuzen geſehen, und ſelbſt ſchreien gehört,
und ſo habe ich Lerchen ſingend gegen die dunkeln Ge¬
witterwolken aufſteigen geſehen. Das Singen der
Waldvögel erſchien mir nun als ein ſchlimmes Zeichen
für meine Vorausſagung eines Gewitters. Auch fiel
mir auf, daß ſich noch immer keine Merkmale des
Ausbruches zeigten, welchen ich nicht für ſo ferne ge¬
halten hatte, als ich die Landſtraße verließ. Die Sonne
ſchien noch immer auf das Haus, und ihre glänzenden
Lichttafeln lagen noch immer auf dem ſchönen Fu߬
boden des Zimmers.

Mein Beherberger ſchien es darauf angelegt zu
haben, mich lange allein zu laſſen, wahrſcheinlich, um
mir Raum zur Ruhe und Bequemlichkeit zu geben;
denn er kam nicht ſo bald zurück, als ich nach ſeiner
Äußerung erwartet hatte.

Als ich eine geraume Weile geſeſſen war, und das
Sizen anfing, mir nicht mehr jene Annehmlichkeit zu
gewähren wie Anfangs, ſtand ich auf, und ging auf
den Fußſpitzen, um den Boden zu ſchonen, zu dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="78"/>
weiten Freien hau&#x017F;en, und vielleicht de&#x017F;&#x017F;en maje&#x017F;täti&#x017F;che<lb/>
Annäherung bewundern, zeigen &#x017F;ein Bevor&#x017F;tehen an.<lb/>
So habe ich Schwalben vor den dicken Wolken eines<lb/>
herauf&#x017F;teigenden Gewitters mit ihrem weißen Bauch¬<lb/>
gefieder kreuzen ge&#x017F;ehen, und &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chreien gehört,<lb/>
und &#x017F;o habe ich Lerchen &#x017F;ingend gegen die dunkeln Ge¬<lb/>
witterwolken auf&#x017F;teigen ge&#x017F;ehen. Das Singen der<lb/>
Waldvögel er&#x017F;chien mir nun als ein &#x017F;chlimmes Zeichen<lb/>
für meine Voraus&#x017F;agung eines Gewitters. Auch fiel<lb/>
mir auf, daß &#x017F;ich noch immer keine Merkmale des<lb/>
Ausbruches zeigten, welchen ich nicht für &#x017F;o ferne ge¬<lb/>
halten hatte, als ich die Land&#x017F;traße verließ. Die Sonne<lb/>
&#x017F;chien noch immer auf das Haus, und ihre glänzenden<lb/>
Lichttafeln lagen noch immer auf dem &#x017F;chönen Fu߬<lb/>
boden des Zimmers.</p><lb/>
        <p>Mein Beherberger &#x017F;chien es darauf angelegt zu<lb/>
haben, mich lange allein zu la&#x017F;&#x017F;en, wahr&#x017F;cheinlich, um<lb/>
mir Raum zur Ruhe und Bequemlichkeit zu geben;<lb/>
denn er kam nicht &#x017F;o bald zurück, als ich nach &#x017F;einer<lb/>
Äußerung erwartet hatte.</p><lb/>
        <p>Als ich eine geraume Weile ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en war, und das<lb/>
Sizen anfing, mir nicht mehr jene Annehmlichkeit zu<lb/>
gewähren wie Anfangs, &#x017F;tand ich auf, und ging auf<lb/>
den Fuß&#x017F;pitzen, um den Boden zu &#x017F;chonen, zu dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0092] weiten Freien hauſen, und vielleicht deſſen majeſtätiſche Annäherung bewundern, zeigen ſein Bevorſtehen an. So habe ich Schwalben vor den dicken Wolken eines heraufſteigenden Gewitters mit ihrem weißen Bauch¬ gefieder kreuzen geſehen, und ſelbſt ſchreien gehört, und ſo habe ich Lerchen ſingend gegen die dunkeln Ge¬ witterwolken aufſteigen geſehen. Das Singen der Waldvögel erſchien mir nun als ein ſchlimmes Zeichen für meine Vorausſagung eines Gewitters. Auch fiel mir auf, daß ſich noch immer keine Merkmale des Ausbruches zeigten, welchen ich nicht für ſo ferne ge¬ halten hatte, als ich die Landſtraße verließ. Die Sonne ſchien noch immer auf das Haus, und ihre glänzenden Lichttafeln lagen noch immer auf dem ſchönen Fu߬ boden des Zimmers. Mein Beherberger ſchien es darauf angelegt zu haben, mich lange allein zu laſſen, wahrſcheinlich, um mir Raum zur Ruhe und Bequemlichkeit zu geben; denn er kam nicht ſo bald zurück, als ich nach ſeiner Äußerung erwartet hatte. Als ich eine geraume Weile geſeſſen war, und das Sizen anfing, mir nicht mehr jene Annehmlichkeit zu gewähren wie Anfangs, ſtand ich auf, und ging auf den Fußſpitzen, um den Boden zu ſchonen, zu dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/92
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/92>, abgerufen am 11.05.2024.