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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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und die graulich weiße Farbe auf ihr wechseln. Da
ich lange geschaut hatte, ging ich weiter. Wenn es
möglich wäre, mit Filzschuhen noch leichter aufzutre¬
ten, als es ohnehin stets geschehen muß, so hätte ich
es gethan. Ich ging mit dem lautlosen Tritte langsam
über die glänzenden Stufen des Marmors bis zu dem
steinernen Saale hinan. Seine Thür war halb geöff¬
net. Ich trat hinein.

Mein Gastfreund war wirklich in demselben. Er
ging in leichten Schuhen mit Sohlen, die noch wei¬
cher als Filz waren, auf dem geglätteten Pflaster auf
und nieder.

Da er mich kommen sah, ging er auf mich zu,
und blieb vor mir stehen.

"Ich habe die Thür zu dem Marmorgange offen
gesehen," sagte ich, "man hat mir berichtet, daß ihr
hier oben sein könntet, und da bin ich herauf gegan¬
gen, euch zu suchen."

"Daran habt ihr recht gethan," erwiederte er.

"Warum habt ihr mir denn nicht gesagt," sprach
ich weiter, "daß die Bildsäule, welche auf eurer Mar¬
mortreppe steht, so schön ist?"

"Wer hat es euch denn jezt gesagt?" fragte er.

"Ich habe es selber gesehen," antwortete ich.

und die graulich weiße Farbe auf ihr wechſeln. Da
ich lange geſchaut hatte, ging ich weiter. Wenn es
möglich wäre, mit Filzſchuhen noch leichter aufzutre¬
ten, als es ohnehin ſtets geſchehen muß, ſo hätte ich
es gethan. Ich ging mit dem lautloſen Tritte langſam
über die glänzenden Stufen des Marmors bis zu dem
ſteinernen Saale hinan. Seine Thür war halb geöff¬
net. Ich trat hinein.

Mein Gaſtfreund war wirklich in demſelben. Er
ging in leichten Schuhen mit Sohlen, die noch wei¬
cher als Filz waren, auf dem geglätteten Pflaſter auf
und nieder.

Da er mich kommen ſah, ging er auf mich zu,
und blieb vor mir ſtehen.

„Ich habe die Thür zu dem Marmorgange offen
geſehen,“ ſagte ich, „man hat mir berichtet, daß ihr
hier oben ſein könntet, und da bin ich herauf gegan¬
gen, euch zu ſuchen.“

„Daran habt ihr recht gethan,“ erwiederte er.

„Warum habt ihr mir denn nicht geſagt,“ ſprach
ich weiter, „daß die Bildſäule, welche auf eurer Mar¬
mortreppe ſteht, ſo ſchön iſt?“

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[107/0121] und die graulich weiße Farbe auf ihr wechſeln. Da ich lange geſchaut hatte, ging ich weiter. Wenn es möglich wäre, mit Filzſchuhen noch leichter aufzutre¬ ten, als es ohnehin ſtets geſchehen muß, ſo hätte ich es gethan. Ich ging mit dem lautloſen Tritte langſam über die glänzenden Stufen des Marmors bis zu dem ſteinernen Saale hinan. Seine Thür war halb geöff¬ net. Ich trat hinein. Mein Gaſtfreund war wirklich in demſelben. Er ging in leichten Schuhen mit Sohlen, die noch wei¬ cher als Filz waren, auf dem geglätteten Pflaſter auf und nieder. Da er mich kommen ſah, ging er auf mich zu, und blieb vor mir ſtehen. „Ich habe die Thür zu dem Marmorgange offen geſehen,“ ſagte ich, „man hat mir berichtet, daß ihr hier oben ſein könntet, und da bin ich herauf gegan¬ gen, euch zu ſuchen.“ „Daran habt ihr recht gethan,“ erwiederte er. „Warum habt ihr mir denn nicht geſagt,“ ſprach ich weiter, „daß die Bildſäule, welche auf eurer Mar¬ mortreppe ſteht, ſo ſchön iſt?“ „Wer hat es euch denn jezt geſagt?“ fragte er. „Ich habe es ſelber geſehen,“ antwortete ich.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/121>, abgerufen am 21.11.2024.